Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Lorenz N*****, vertreten durch Dr. Ulrich Sinnißbichler, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr. Wolfgang Offer, Rechtsanwalt, 6020 Innsbruck, Museumsstraße 16, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der L***** Rechtsanwalts GmbH in Liqu, vertreten durch Dr. Hannes Paulweber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 238.415,61 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2009 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 20. Februar 2009, GZ 1 R 287/08b-49, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 9. September 2008, GZ 66 Cg 139/06b-44, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.170,06 EUR (darin enthalten 695,01 EUR an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 11.859,22 EUR (darin enthalten 417,87 EUR USt und 9.352 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte ist Masseverwalter im Konkurs einer Rechtsanwalt GmbH mit zwei Geschäftsführern mit jeweils selbständiger Vertretungsbefugnis. Der Bruder eines der beiden Geschäftsführer hatte im Mai 2003 eine Liegenschaft um 900.000 EUR gekauft. Aufgrund einer Pfandurkunde wurde auf dieser Liegenschaft eine Höchstbetragshypothek von 900.000 EUR einverleibt. Der Bruder des Geschäftsführers war nur als vorgemerkter Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Dies lag auch daran, dass er die Grunderwerbssteuer noch nicht bezahlt hatte und mit der Zahlung des Kaufpreises säumig war. In weiterer Folge versuchte der Bruder des Geschäftsführers, die Liegenschaft weiterzuveräußern. Im September 2004 einigte er sich mit dem Kläger auf einen Gesamtpreis für die Liegenschaft von 1.050.000 EUR. Über Vorschlag des Bruders des Geschäftsführers wurde der Preis in einen gesonderten Vertrag über den Verkauf der Fahrnisse zum Preis von 250.000 EUR und den Verkauf der Liegenschaft zu einem Preis von 800.000 EUR aufgeteilt. Am Erwerb der Fahrnisse hatte der Kläger allerdings nur im Zusammenhang mit der Liegenschaft Interesse.
Über Vorschlag des Bruders des Geschäftsführers sollte die Rechtsanwalt GmbH den Kaufvertrag errichten. Der damit befasste Konzipient hatte als Vorgaben nur die Eckdaten des Kaufvertrags sowie den Vermerk, dass der Kaufpreis eine Woche nach allseitiger Unterfertigung, jedoch spätestens vor Übergabe des Objekts auf ein Treuhandkonto fällig sein sollte. Weder der Geschäftsführer der Rechtsanwalt GmbH noch der vom Kläger beauftragte Rechtsanwalt hatten Kenntnis davon, dass neben dem Kaufpreis von 800.000 EUR für die Liegenschaft auch noch ein Kaufpreis von 250.000 EUR für die Einrichtungsgegenstände vereinbart wurde. Der vom Kläger beauftragte Rechtsanwalt ersuchte nach Durchsicht des Vertragsentwurfs noch um zwei Änderungen, und zwar hinsichtlich der Meldung des Vertrags beim Treuhandbuch der Rechtsanwaltskammer und einer bestimmten Bevollmächtigung des Vertragsverfassers hinsichtlich der Ergänzung des Kaufvertrags.
In diesem Vertrag verpflichtete sich der Verkäufer zur Lastenfreistellung. In diesem Zusammenhang war Folgendes noch vereinbart:
„III. 1.) ...
Die zur Lastenfreistellung notwendigen Urkunden müssen der Vertragsverfasserin längstens binnen drei Monaten nach allseitiger Unterfertigung dieses Kaufvertrags treuhändig zur Verfügung gestellt werden, sodass diese in die Lage versetzt wird, für eine lastenfreie Eintragung des Eigentumsrechts des Käufers im Grundbuch Sorge zu tragen.
...
IV. Kaufpreis und Berichtigung
1.) Zwischen den Vertragsteilen wird in Ansehung der Gesamtliegenschaft samt rechtlichem und tatsächlichem Zubehör ein Kaufpreis von 800.000 EUR festgesetzt und vereinbart.
2.) Der Gesamtkaufpreis ist binnen einer Woche nach allseitiger Unterfertigung des gegenständlichen Kaufvertrags, spätestens jedoch am Tag vor der vereinbarten Übergabe, sohin am 29. 9. 2004, bei der Vertragsverfasserin auf deren Konto bei der H***** Bank AG, ... lautend ... zur Zahlung fällig."
Aus dem in den Vertragstext integrierten Grundbuchsauszug war auch zu ersehen, dass der Bruder des Geschäftsführers nur vorgemerkter Eigentümer war und eine Höchstbetragshypothek von 900.000 EUR auf der Liegenschaft lastete.
Der Kläger übernahm die Liegenschaft am 30. 9. 2004. Er bezahlte am 1. 10. 2004 den Kaufpreis von 800.000 EUR auf das Treuhandkonto und in weiterer Folge auch in zwei Teilbeträgen je 125.000 EUR auf das Konto des Bruders des Geschäftsführers der Beklagten. Auch wurde die Treuhandschaft bei der Rechtsanwaltskammer gemeldet und davon in weiterer Folge der Vertreter des Klägers verständigt.
Im Zuge der Durchführung des Kaufvertrags ersuchte der zweite Geschäftsführer der Rechtsanwalt GmbH die Bank, zu deren Gunsten die Höchstbetragshypothek einverleibt war, um Ausstellung und Übersendung einer Löschungsquittung. Ihm wurde jedoch am 20. 10. 2004 von der Bank mitgeteilt, dass dafür nicht nur ein Betrag von 800.000 EUR, sondern von 900.000 EUR erforderlich sei. Dies hatte der zweite Geschäftsführer der Rechtsanwalt GmbH vorweg nicht erhoben. Es war in weiterer Folge eine Lastenfreistellung nicht möglich, weil der Verkäufer zwar zusicherte, die fehlenden 100.000 EUR auf das Treuhandkonto einzuzahlen, dem aber nicht nachkam.
Erstmals aus Anlass eines Telefonats am 6. 11. 2004 erfuhr der zweite Geschäftsführer davon, dass der Käufer nicht nur den Kaufpreis für die Liegenschaft, sondern auch 250.000 EUR an den Bruder des anderen Geschäftsführers bezahlt hatte. Dies hatte der Bruder des anderen Geschäftsführers deshalb der Bank mitgeteilt, um die Abdeckung eines dort aushaftenden Schuldensaldos zu ermöglichen.
Am 1. 12. 2004 zeichnete sich auch für den zweiten Geschäftsführer der Rechtsanwalt GmbH ab, dass eine Lastenfreistellung nicht möglich sein werde. Er erörterte mit dem Rechtsanwalt des Klägers die Möglichkeiten einer Rückabwicklung, die der Kläger jedoch wegen der bereits bezahlten 250.000 EUR für das Inventar ablehnte. Ob damals auch erörtert wurde, dass der Kläger die zusätzlichen 100.000 EUR aufbringen könnte, ist nicht feststellbar.
Im Jänner 2005 brachte der Kläger eine Klage gegen den Bruder des Geschäftsführers der Rechtsanwalt GmbH auf Erlangung der Lastenfreistellung ein, über dessen Vermögen jedoch im September 2005 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Der Masseverwalter trat hierauf mit Schreiben vom 17. 10. 2005 gemäß § 21 KO vom Kaufvertrag zurück. Der Kläger erhielt zwar die von ihm treuhändig bei der Rechtsanwalt GmbH erlegten 800.000 EUR als Kaufpreis für die Liegenschaft samt Zinsen zurück. Er schloss aber dann in weiterer Folge am 5. 5. 2006 mit dem Masseverwalter erneut einen Kaufvertrag über diese Liegenschaft mit einem Kaufpreis von 1 Mio EUR zuzüglich 3,5 % Grunderwerbssteuer, 1 % Eintragungsgebühr und einem Pauschalhonorar des Masseverwalters in Höhe von 15.000 EUR, sodass einschließlich der Barauslagen von 2.000 EUR insgesamt ein Betrag von 1.063.200 EUR anfiel. Zusätzlich zahlte der Kläger für 8 Monate Benützungsentgelt in Höhe von 8.800 EUR und offene Betriebskosten im Ausmaß von 1.081,12 EUR. Der Klagevertreter stellte für die Teilnahme an der freiwilligen Feilbietung einen Betrag von 6.669,21 EUR brutto in Rechnung. Vom Finanzamt erhielt der Kläger 28.000 EUR an Grunderwerbssteuer für den ersten Kaufvertrag im Jahr 2004 rückerstattet. Der Verkehrswert der Liegenschaft (ohne Inventar) betrug nur 830.000 EUR. Der Kläger erwarb die Liegenschaft mit dem zweiten Kaufvertrag zu dem höheren Preis, um weiter in dem Haus wohnen zu können.
Nach den vom Berufungsgericht geänderten Feststellungen wusste der eine Geschäftsführer der Rechtsanwalt GmbH spätestens im Zeitpunkt der Auftragserteilung betreffend die Vertragserrichtung, dass sein Bruder vermögenslos war und nicht in der Lage sein werde, weitere Geldmittel aufzubringen, um die Geldlastenfreistellung der Liegenschaft zu bewerkstelligen. Ob dem zweiten Geschäftsführer diese völlige Vermögenslosigkeit ebenfalls bekannt war, konnte nicht festgestellt werden.
Hätte der Kläger gewusst, dass der Verkäufer nicht in der Lage war, einen zusätzlichen Betrag von 100.000 EUR für die Lastenfreistellung aufzubringen, hätte er niemals in einen separaten Vertrag für das Inventar eingewilligt, sondern den Vertrag über die Liegenschaft einschließlich Inventar mit einem Gesamtkaufpreis abgeschlossen.
Ob die Voreigentümer einer Anmerkung der Rangordnung zugestimmt hätten, konnte nicht festgestellt werden.
Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gab es bereits mehrere Verfahren gegen den Bruder des Geschäftsführers der Rechtsanwalt GmbH. Dieser Bruder wurde mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 21. 3. 2007 ebenso wie der eine Geschäftsführer der Rechtsanwalt GmbH unter anderem wegen schweren Betrugs strafgerichtlich verurteilt.
Der Kläger begehrt mit der am 11. 9. 2006 eingebrachten Klage 238.415,61 EUR sA an Differenz zwischen seinem Aufwand für den neuerlichen Erwerb der Liegenschaft und dem refundierten ersten Kaufpreis von 800.000 EUR samt Zinsen, wobei 8.800 EUR auf das Benützungsentgelt entfallen. Er stützte sich - soweit dies im Berufungsverfahren noch aufrechterhalten wurde - darauf, dass die Rechtsanwalt GmbH es unterlassen habe, den offenen Geldlastenstand zu erheben. Jedenfalls aber habe sie es unterlassen, den Kläger über die finanzielle Situation des Verkäufers in Kenntnis zu setzen, weshalb der Kläger nicht den Kaufpreis für die Fahrnisse in Höhe von 250.000 EUR für die Lastenfreistellung habe verwenden können. Sie habe es ferner unterlassen, als Vertragserrichter eine Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung anzumerken. Dann wäre ein Rücktritt nach § 21 KO nicht mehr möglich gewesen. Dass der Kläger selbst durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen sei, ändere daran nichts. Nach Konkurseröffnung auch über das Vermögen der beklagten Rechtsanwalt GmbH wurde das Klagebegehren entsprechend umgestellt.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung und wendete zusammengefasst ein, dass die Rechtsanwalt GmbH ihren Verpflichtungen aus dem Treuhandauftrag voll entsprochen habe und der Vertragsentwurf ohnehin durch den Rechtsbeistand des Klägers geprüft und ergänzt worden sei. Die Erwirkung einer Ranganmerkung sei nicht Vertragsbestandteil gewesen. Der Verkäufer sei ja auch nur vorgemerkter Eigentümer gewesen. Der Vertragserrichter sei nicht Garant gegenüber den Vertragsparteien. Die treuhändige Verwaltung des Kaufpreises habe die Rechtsanwalt GmbH korrekt durchgeführt. Über die Zusatzvereinbarung hinsichtlich des Inventars mit einem weiteren Kaufpreis von 250.000 EUR sei die Rechtsanwalt GmbH gar nicht informiert gewesen. Jedenfalls wäre es dem Kläger aber freigestanden, durch Bezahlung eines Mehrbetrags von 100.000 EUR eine Freistellung zu bewirken und habe er insoweit seine Schadenminderungspflicht verletzt. Das Benützungsentgelt stelle keinesfalls einen ersatzfähigen Schaden dar, da der Kläger die Liegenschaft ja auch tatsächlich benützt habe. Dass der Kläger für die Liegenschaft einen wesentlich überteuerten Preis gezahlt habe, könne keine Schadenersatzpflicht der Rechtsanwalt GmbH auslösen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass die Rechtsanwalt GmbH als Vertragserrichter nicht verpflichtet gewesen sei, den Kläger über rechtliche und wirtschaftliche Folgen des Vertragsabschlusses aufzuklären, von denen sie aufgrund der Vertretung des Klägers habe annehmen können, dass er die gleichen Kenntnisse und Fähigkeiten habe. Auch wäre bei der Durchführung einer Ranganmerkung für den Kläger nichts zu gewinnen gewesen, da zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch eine weitere Rechtshandlung des Verkäufers, und zwar die vertraglich übernommene Lastenfreistellung, durchzuführen gewesen sei. Mit der Durchführung der Treuhand habe die Rechtsanwalt GmbH ohnehin alles unternommen, um den Kläger vor Schaden zu bewahren. Vom Kaufvertrag hinsichtlich der Einrichtungsgegenstände habe die Rechtsanwalt GmbH als Vertragserrichterin nichts gewusst. Eine in diesem Zusammenhang allenfalls bestehende Belehrungspflicht hätte zumindest einen vollständigen Wissensstand vorausgesetzt. Eine Garantenstellung komme dem Vertragserrichter nicht zu. Die zur Durchführung des Kaufvertrags erforderlichen Schritte habe die Rechtsanwalt GmbH gesetzt und auch den Kaufpreis rechtskonform treuhändig verwaltet. Mit der Zurückzahlung des Kaufpreises samt Zinsen seien dem Kläger aus der Rückabwicklung des Kaufvertrags keinerlei Nachteile erwachsen. Der Abschluss des zweiten Kaufvertrags habe nur dazu gedient, die Fehlinvestitionen hinsichtlich des bereits bezahlten und auch erhaltenen Inventars abzudecken und sei nicht dem Vertragserrichter anzulasten.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers Folge und änderte es im klagestattgebenden Sinne ab. Es änderte dabei die Feststellungen hinsichtlich des Wissensstands des Geschäftsführers der Rechtsanwalt GmbH über die Zahlungsschwierigkeiten seines Bruders, des Verkäufers der Liegenschaft, im oben wiedergegebenen Sinne ab. Rechtlich ging es davon aus, dass sich die Rechtsanwalt GmbH den Kenntnisstand ihres Geschäftsführers zurechnen lassen müsse. Den somit der Vertragsverfasserin bekannten Umstand der völligen Vermögenslosigkeit hätte diese den Käufern mitteilen müssen, weil davon auszugehen gewesen sei, dass eine Lastenfreistellung nicht zu bewerkstelligen sein werde. Auch wenn der Kaufvertrag hinsichtlich des Inventars der Liegenschaft der Rechtsanwalt GmbH nicht bekannt gewesen sei, stehe dies nicht völlig außerhalb der Lebenserfahrung.
Hätte der Kläger Kenntnis davon gehabt, dass der Verkäufer nicht in der Lage sein werde, den zusätzlichen Betrag von 100.000 EUR für die Lastenfreistellung aufzubringen, hätte er niemals den separaten Kaufvertrag für das Inventar abgeschlossen, sondern einen Vertrag über die Liegenschaft inklusive Inventar mit dem Gesamtkaufpreis. Damit wären für die Herbeiführung der Geldlastenfreistellung insgesamt 1.050.000 EUR zur Verfügung gestanden und hätte die Einverleibung des Eigentumsrechts noch vor Konkurseröffnung herbeigeführt werden können.
Eine Verletzung der Schadenminderungspflicht sei dem Kläger nicht anzulasten, da er vor der Konkurseröffnung keine Anhaltspunkte dafür gehabt habe, dass dann der Masseverwalter vom Kaufvertrag zurücktreten werde. Dass es dem Kläger möglich gewesen wäre, bei der Feilbietung im Konkurs die Liegenschaft für ein geringeres Gebot als 1 Mio EUR zu erlangen, sei gar nicht vorgebracht worden.
Mangels Rücktrittsmöglichkeit des Masseverwalters bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte der Kläger auch für die ihm dann ja schon gehörende Liegenschaft kein Benützungsentgelt mehr zu zahlen gehabt. Daher liege auch insoweit ein zu ersetzender Schaden vor.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO als nicht zulässig.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des beklagten Masseverwalters aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im klagsabweisenden Sinne abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Der Kläger beantragt die Revision zurückzuweisen bzw dieser nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und auch berechtigt. Zutreffend zeigt der Rechtsmittelwerber auf, dass sich das Berufungsgericht nicht ausreichend mit der Frage auseinandergesetzt hat, inwieweit der Vertragserrichter bei Verletzung von Aufklärungspflichten auch für einen potentiellen anderen Vertragsabschluss haftet.
Im Kern stützt der Kläger seinen behaupteten Anspruch auf zwei Argumente: Einerseits macht er geltend, dass eine Anmerkung der Rangordnung vorzusehen gewesen wäre, weil diese den Masseverwalter am Rücktritt gehindert hätte. Ohne nun näher darauf eingehen zu müssen, ob dies überhaupt der Fall gewesen wäre, setzte dies jedoch voraus, dass die damals ja noch im Grundbuch eingetragenen Voreigentümer einer solchen Anmerkung zugestimmt hätten. Genau das konnte aber nicht festgestellt werden. Auch wäre selbst damit das (weitere) Problem, dass eine Lastenfreistellung nicht möglich war, nicht zu beheben gewesen.
Weiters stützt sich der Kläger darauf, dass ihn die Rechtsanwalt GmbH über die schlechten Vermögensverhältnisse seines Vertragspartners, des Bruders des Geschäftsführers der GmbH, hätte aufklären müssen, weil er dann den Kaufpreis für das Inventar von 250.000 EUR für die Lastenfreistellung hätte verwenden können.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Rechtsanwalt, der sich bei einem Liegenschaftskauf als Vertragserrichter und Treuhänder nicht schon vor dem Vertragsabschluss, sondern erst später über den tatsächlichen Lastenstand (hier: der einverleibten Höchstbetragshypothek) informiert, obwohl es - wie hier - erkennbarer Geschäftszweck war, dass der Käufer die kaufgegenständliche Liegenschaft lastenfrei erwerben sollte, eine Sorgfaltsverletzung (RIS-Justiz RS0120451) begeht. Auch wenn die Rechtsanwalt GmbH davon ausgehen konnte, dass der Rechtsvertreter des Klägers über die gleichen juristischen Kenntnisse und Fähigkeiten wie sie selbst verfügte (RIS-Justiz RS0026474; RS0038715), spricht viel dafür hier eine Verletzung der Aufklärungspflicht hinsichtlich der ja dem Rechtsanwalt des Klägers gerade nicht bekannt(gegeben)en Vermögensverhältnisse (des Verkäufers) wegen der offensichtlichen „Unterdeckung" durch den Kaufpreis zu bejahen (RIS-Justiz RS0026474; RS0038715; RS0026665; allgemein zur Zurechnung des Wissens des Geschäftsführers an die GmbH RIS-Justiz RS0009172 mzwN).
Entscheidend ist aber die Frage, welcher konkrete Schaden einerseits daraus entstanden ist und welcher andererseits hier geltend gemacht wird. Der Kläger macht keinen Schaden daraus geltend, dass er das Inventar erworben habe und die dafür aufgewendeten 250.000 EUR bzw die Differenz zum Wert des gekauften Inventars verloren wären. Dies würde eine Auseinandersetzung mit der Frage erfordern, ob insoweit überhaupt noch ein adäquater Kausalzusammenhang zu bejahen gewesen wäre, also ob im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unter Zugrundelegung des menschlichen Erfahrungswissens die unterlassene Aufklärung über die Vermögensverhältnisse geeignet war, diesen Schaden in nicht ganz unerheblichem Grad zu begünstigen (RIS-Justiz RS0022914 mwN). Der Kläger begehrt vielmehr die Differenz zwischen dem ersten Kaufpreis der Liegenschaft (ohne Inventar) zum zweiten (höheren) Kaufpreis der Liegenschaft, zu dem er sie letztendlich vom Masseverwalter erworben hat.
Der Kläger begehrt im Ergebnis also, ihn so zu stellen, als wäre der erste Liegenschaftskaufvertrag anders - mit einem höheren Kaufpreis, aber ohne separaten Vertrag für das Inventar - abgeschlossen und auch durchgeführt worden. Der Kläger stützt sich zur Bestimmung seines „Schadens" also nicht auf eine Rechtsposition, die er im Zeitpunkt des Einschreitens der Rechtsanwalt GmbH noch innegehabt hat; darauf, dass tatsächlich gar kein Kaufvertrag hinsichtlich des Inventars zustandegekommen und dies nur ein Scheinvertrag gewesen wäre, stützt sich der Kläger nicht. Der Kläger meint vielmehr, dass er die Vertragsposition - wieder - hätte erlangen können. Damit stellt sich im Ergebnis die Frage der Abgrenzung des positiven Schadens vom entgangenen Gewinn, was wiederum von der Abgrenzung zwischen dem Erfüllungsinteresse und dem Vertrauensschaden im Rahmen eines konkreten bereits geschlossenen Vertrags zu unterscheiden ist (vgl dazu, dass bei Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht nur ein Ersatz des Vertrauensschadens bejaht wird, etwa RIS-Justiz RS0016374 mwN; RIS-Justiz RS0108218 mwN - zur Prospekthaftung uva). Nähere Erörterungen dazu können hier nun schon deshalb entfallen, weil vom Kläger gar nicht konkret behauptet wurde, dass auch der Verkäufer mit hoher oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Vertragsänderung bereit gewesen wäre. Dazu wurden auch keine Feststellungen getroffen. Vielmehr ließe sich aus dem festgestellten Umstand, dass der Verkäufer den freien Kaufpreis für das Inventar benötigte, um andere „Löcher" bei der Bank zu stopfen, wohl eher das Gegenteil ableiten.
Es fehlt daher schon an einem schlüssigen Vorbringen dazu, warum die Rechtsanwalt GmbH für die entgangene Möglichkeit des Klägers, einen anderen Vertrag abzuschließen, einzustehen hätte.
Die beklagte Partei hat ausdrücklich auf die fehlende Kausalität des Verhaltens der Rechtsanwalt GmbH hingewiesen und auch die mangelnde Schlüssigkeit der Klage eingewendet. Insoweit bedarf es daher auch keiner weiteren Erörterung.
Das Urteil des Berufungsgerichts war sohin im Sinne einer Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts abzuändern.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO. Dabei waren folgende Korrekturen vorzunehmen: Für die Berufungsbeantwortung stehen nur 50 % Einheitssatz (im Hinblick auf die gesondert verzeichnete und honorierte Berufungsverhandlung samt Beweiswiederholung) zu, ebenso für den Revisionsschriftsatz (§ 23 RATG).
Textnummer
E91409European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0080OB00034.09X.0618.000Im RIS seit
18.07.2009Zuletzt aktualisiert am
02.10.2012