TE OGH 2009/6/18 7Bl66/09p

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Veröffentlicht am 18.06.2009
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7 Bl 66/09 p

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Landesgericht Klagenfurt hat durch den Vizepräsidenten Dr. Lutschounig als Vorsitzenden und die Richter Dr. Schofnegger und Dr. Pasterk in der Strafsache gegen *****wegen der Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 18.11.2008, 5 U 175/07 f-18, nach der am 18. Juni 2009 in Gegenwart der Staatsanwältin Dr. Agnoli sowie des Angeklagten ***** und dessen Verteidigers ***** durchgeführten Verhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung des Angeklagten ***** wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 5.6.1973 geborene ***** der Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme auf § 28 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à € 30,--, im Nichteinbringungsfall zu 20 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Nach dem Schuldspruch hat er am 29.5.2007 in *****als Lenker eines Pkw durch Außerachtlassung der im Straßenverkehr gebotenen und zumutbaren Sorgfalt, insbesondere dadurch, dass er unter Missachtung des Vorranges des entgegenkommenden, von ***** gelenkten Pkws nach links abbog, weshalb es zur Kollision der beiden Fahrzeuge kam, fahrlässig ***** (Kopfprellung, Verstauchung der Halswirbelsäule, Brustkorbprellung und Abschürfung im Bereich des Gesichtes) und ***** (Kopfprellung, Rissquetschwunde im Bereich des Gesichtes sowie Prellung des linken Knies) am Körper verletzt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruches über die Schuld und die Strafe erhobene Berufung des Angeklagten, mit der er den Freispruch, in eventu die Urteilskassation intendiert.

Die Berufung ist nicht begründet.

Rechtliche Beurteilung

Sowohl die Verfahrensrüge (Z4) als auch die (unrichtigerweise im Rahmen der Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld erhobene) Rechtsrüge (Z9a) verfehlen ihr Ziel, weil darin unrichtig rechtlich argumentiert wird. Grundsätzlich ist nämlich festzuhalten, dass die strafrechtliche Haftung für fahrlässige Körperverletzung durch ein Mitverschulden des Verletzten nicht ausgeschlossen wird, und zwar auch dann nicht, wenn sich das Opfer eigenverantwortlich grob fahrlässig verhalten hat. Das Fehlverhalten des Opfers kann im Regelfall weder die dem Dritten unterlaufene Sorgfaltswidrigkeit beseitigen noch die Zurechenbarkeit des eingetretenen Erfolges in Frage stellen. Sowohl im Falle der freiwilligen Selbstgefährdung als auch der einverständlichen Fremdgefährdung, bei welcher der Dritte, also nicht das Opfer dominiert, bleibt das Verhalten des Täters trotz der freiwilligen Risikoübernahme durch das spätere Opfer objektiv sorgfaltswidrig. Nur dort, wo es der das Risiko Übernehmende in der Hand hat, in den Ablauf des Geschehens jederzeit zur Vermeidung eigener Schädigung einzugreifen und in diesem Sinn selbst für seine körperliche Sicherheit vorzusorgen, lässt sich die Sorgfaltsverpflichtung anderer relativieren (Steininger in ZVR 1985, 97 ff, Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt 170 f). Konstellationen derart gesetzter Selbstgefährdungsakte, in welchen der Risikozusammenhang aufgrund des Einverständnisses des Opfers mit seiner Gefährdung durch einen anderen ausnahmsweise fehlt, setzen voraus, dass der Gefährdete das Risiko im selben Ausmaß überblickt wie der Gefährdende, das spätere Opfer sohin das Risiko voll erkannt hat (Fabrizy StGB9 § 6 Rz 7a, Mayerhofer StGB5 § 6 E 68a; 15 Os 68/03, 11 Os 167/97).

Fallaktuell lässt sich aus dem Nichtanlegen der Gurte durch Dr. Karl-Heinz und ***** nicht annehmen, die beiden hätten sich bewusst und einverständlich einer Gefährdung ausgesetzt. ***** lenkte seinen Pkw im Ortsgebiet von Villach und hielt eine geringe Geschwindigkeit ein, als es zum für ihn unvermeidbaren Unfall kam. Ein derartiges Unfallsgeschehen und damit das Eintreten von Verletzungen (infolge Missachtung der Gurtanlegepflicht nach § 106 Abs 2 KFG) war für die Opfer nicht vorhersehbar. Sie konnten demnach das Risiko nicht im selben Ausmaß überblicken wie der Gefährdende. Für den Berufungswerber lässt sich daher weder die auf § 19 Abs 5 StVO gestützte objektive Sorgfaltswidigkeit noch die Erfolgszurechnung verneinen.

Als Konsequenz dieser Überlegungen versagt aber auch die Verfahrensrüge, weil es ohne Belang ist und daher auch keiner Begutachtung durch einen Sachverständigen bedurfte, ob die inkriminierten Verletzungen auch eingetreten wären, wenn sich ***** und *****angegurtet hätten.

Eben dies gilt auch für die Mängelrüge (Z5), sodass es unmaßgeblich ist, dass die Erstrichterin die Ausführungen des kraftfahrtechnischen Sachverständigen (ON 15/3f), bei einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung unter 20 km/h wären die beiden Opfer bei angelegten Gurten mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mit Fahrzeugteilen, welche vor ihnen lagen, in Kontakt gekommen, keiner näheren Erörterung unterzog.

Unter Hinweis auf den Strafausschließungsgrund des § 88 Abs 2 Z 3 StGB zeigt der Berufungswerber jedoch zutreffend auf, dass das Ersturteil Feststellungen zur Dauer der eingetretenen Gesundheitsschädigungen vermissen lässt. Der Berufungssenat sah sich daher veranlasst, eine Beweisergänzung durch Einholung einer entsprechenden Expertise durchzuführen. Aufgrund der nachvollziehbaren Ausführungen des medizinischen Sachverständigen ***** ist ergänzend festzustellen, dass sowohl die bei ***** als auch die bei ***** eingetretenen (leichten) Verletzungen Gesundheitsschädigungen in der Dauer von jeweils über drei, jedoch unter 24 Tagen nach sich zogen. Dem angeführten Strafausschließungsgrund ist damit aber der Boden entzogen. Auch die eine Einstellung wegen Geringfügigkeit des Verfahrens (richtig: § 191 StPO) anstrebende Rechtsrüge (Z9b) verfehlt ihr Ziel. Die Voraussetzungen dafür, die mit jenen des Strafausschließungsgrundes der mangelnden Strafwürdigkeit (§ 42 StGB, aufgehoben per 1.1.2008 durch BGBl I 2007/93) korrespondieren, liegen nämlich nicht vor. Angesichts des Zusammentreffens von 2 Vergehen (bzw. Verletzung von 2 Personen) handelt es sich hier hinsichtlich Sozialschädlichkeit und Störwert nicht um einen deutlich unter der Norm liegenden Fall (SSt 46/69; SSt 47/55, u.a.).

Da sich der Angeklagte zum Unfallshergang geständig verantwortet hat (ON 2/25 f) und sich seine Einlassung auch mit den Angaben des Zeugen ***** (ON 2/29 f) und den Ausführungen des kraftfahrtechnischen Sachverständigen ***** (ON 11, ON 15) in Einklang bringen lässt, bedarf die Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld keiner weiteren Erörterung.

Letztlich versagt auch die Kritik an der Strafdiktion. Wenngleich die Strafzumessungstatsachen zugunsten des Angeklagten dahin zu korrigieren sind, dass ihm neben der Unbescholtenheit und dem Mitverschulden der Opfer auch die erfolgte Schadensgutmachung zugute zu halten ist, lässt sich die Anzahl der Tagessätze unter Bedachtnahme auf das Zusammentreffen von 2 Vergehen und den Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu 3 Monaten oder Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen nicht reduzieren. Auch die Höhe des einzelnen Tagessatzes ist nicht zu kritisieren. Dabei ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Angeklagten im Zeitpunkt des Urteils erster Instanz abzustellen (§ 19 Abs 2 StGB). Ausgehend von einem monatlichen Einkommen von € 2.000,-- als Malermeister und dem Besitz eines Einfamilienhauses sowie dem Fehlen von Sorgepflichten ist auch unter Berücksichtigung der Schulden des Angeklagten ein Betrag von monatlich € 900,-- abschöpfbar. Ein geringerer Tagessatz würde den Prämissen des § 19 Abs 2 StGB widersprechen, für die Laufzeit der Geldstrafe die Einkommensspitze bis auf einen dem Existenzminimum nahe kommenden Betrag abzuschöpfen und damit eine fühlbare Einschränkung des Lebensstandarts zu bewirken.

Der auch nur teilweise bedingten Nachsicht der insgesamt nur geringen Geldstrafe stehen in der fehlenden Effektivität einer derartigen Sanktion gelegene spezial- und generalpräventive Erwägungen entgegen (§§ 43 Abs 1, 43 a StGB).

Die Kostenentscheidung ist als Folge der Sacherledigung in der Bestimmung des § 390 a Abs 1 StPO begründet.

Anmerkung

EKL000967Bl66.09p

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LGKL729:2009:0070BL00066.09P.0618.000

Zuletzt aktualisiert am

27.11.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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