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27 RechtspflegeLeitsatz
Zurückweisung von Individualanträgen auf Aufhebung von Bestimmungen betreffs Wegfall von Sonderzahlungen für Rechtspraktikanten mangels Legitimation; Verwaltungsrechtsweg in Form der Erwirkung eines Bescheides zumutbarSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Die Antragsteller sind Rechtspraktikanten, die - den Angaben im Antrag zufolge - ihre Gerichtspraxis vor dem 1. Juni 1997 begonnen haben. Sie begehren mit ihrem auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten, mit "Beschwerde" bezeichneten Antrag, die Ziffern 2, 3, 4, 6 und 7 des ArtXXXI des Bundesgesetzes BGBl. I 61/1997 wegen Verfassungswidrigkeit ihrer Inhalte, in eventu die Z7 des ArtXXXI des genannten Bundesgesetzes wegen Verfassungswidrigkeit ihres Inhalts aufzuheben.
2.1. Mit ArtXXXI des BG, BGBl. I 61/1997, wurde das Rechtspraktikantengesetz (RPG), BGBl. 664/1987 idF BGBl. 628/1991, geändert. Das Bundesgesetzblatt wurde am 30. Juni 1997 ausgegeben. Die angefochtenen Bestimmungen lauten:
"1. ...
2. Im §17 entfallen die Absatzbezeichnungen '(1)' und der Abs2.
3.
§18 Abs1 letzter Satz entfällt.
4.
Im §18 Abs2 wird der Strichpunkt durch einen Punkt ersetzt; der letzte Halbsatz entfällt.
5.
...
6.
Im §20 entfallen die Absatzbezeichnungen '(1)' und der Abs2.
7. §29 Abs2 lautet:
'(2) In der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 61/1997 treten in Kraft:
1. §19 samt Überschrift mit Wirksamkeit
vom 1. September 1996,
2. §14 Abs3, §17, §18 und §20 mit Wirksamkeit vom 1. Juni 1997.'"
2.2. Der durch die angefochtene Bestimmung des ArtXXXI Z2 des BG, BGBl. I 61/1997, aufgehobene §17 Abs2 RPG bestimmte hinsichtlich der Sonderzahlungen für Rechtspraktikanten folgendes:
"(2) Für je drei Monate der Gerichtspraxis gebührt eine Sonderzahlung in Höhe von 50 vH des Ausbildungsbeitrages gemäß Abs1 und der Haushaltszulage gemäß §19."
2.3. Der durch die angefochtene Bestimmung des ArtXXXI Z3 des BG, BGBl. I 61/1997, entfallene letzte Satz des §18 Abs1 RPG sowie der durch ArtXXXI Z4 des BG, BGBl. I 61/1997, entfallene letzte Halbsatz des §18 Abs2 RPG bezogen sich auf die Sonderzahlungen bei Kürzung und (iVm §18 Abs3 RPG) Entfall des Ausbildungsbeitrages. §18 RPG idF vor BGBl. I 61/1997 hatte folgenden Wortlaut:
"(1) Einem Rechtspraktikanten, der die Gerichtspraxis vor dem letzten Arbeitstag im Monat beendet oder unterbricht oder der von der Gerichtspraxis ausgeschlossen wird, gebührt nur ein entsprechender Teilbetrag, wobei für jeden in der Gerichtspraxis zurückgelegten Tag ein Dreißigstel des monatlichen Ausbildungsbeitrages zu rechnen ist. Sinngemäß gebührt auch bei der Sonderzahlung nur ein entsprechender Teilbetrag, wobei für jeden in der Gerichtspraxis zurückgelegten Tag ein Neunzigstel der Sonderzahlung zu rechnen ist.
(2) Solange ein Rechtspraktikant nicht die im §9 Abs5 vorgesehenen Fähigkeiten aufweist, steht der Ausbildungsbeitrag für die Dauer der Ausbildung in Strafsachen nur zur Hälfte zu; sinngemäß gilt dies auch für die Sonderzahlungen.
(3) ..."
2.4. Der durch die angefochtene Bestimmung des ArtXXXI Z6 des BG, BGBl. I 61/1997, entfallene §20 Abs2 RPG betraf die Auszahlung der Sonderzahlungen. Diese Bestimmung lautete:
"(2) Die Überweisung der Sonderzahlungen hat gleichzeitig mit den für die Monate Februar, Mai, August und November gebührenden Ausbildungsbeiträgen zu erfolgen. Bei Beendigung der Gerichtspraxis hat die Überweisung spätestens innerhalb eines Monats nach der Beendigung zu erfolgen."
3. Zur Antragslegitimation bringen die Antragsteller folgendes vor:
"Durch die ... Gesetzesbestimmungen wurde rückwirkend mit 1.6.1997 der (ehemals) gesetzliche Anspruch des Beschwerdeführers auf Sonderzahlungen gestrichen. Da mit dem Wegfall der gesetzlichen Anspruchsgrundlage für den Beschwerdeführer zum einen die Einbehaltung aller künftigen Sonderzahlungen sowie zum anderen die Rechtspflicht, die für den Monat Juni bereits erhaltenen Sonderzahlungen anteilsmäßig zurückzuerstatten, unmittelbar verbunden ist und es für den Eintritt dieser Rechtswirkungen keiner weiteren behördlichen Entscheidung bedarf, wird durch die angefochtenen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1997 unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre des Beschwerdeführers eingegriffen. Insbesondere steht ihm kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen; die Beschwerdelegitimation ist daher gem. §62 Abs1 VfGG gegeben."
Die Antragsteller erachten sich durch die angefochtenen Bestimmungen in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG, Art2 StGG) und auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 des 1. ZProt MRK) verletzt.
II. Der Antrag ist unzulässig.
1.1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden. Der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf sei weiters dazu bestimmt, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11684/1988, 13871/1994).
1.2. An dieser Voraussetzung fehlt es in den vorliegenden Fällen. Das Rechtsverhältnis der Rechtspraktikanten zum Bund wurzelt im öffentlichen Recht, Rechtspraktikanten stehen in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis zum Bund (vgl. §2 Abs4 RPG). Der Gerichtshof hat bereits in VfSlg. 11205/1987 ausgesprochen, daß über sämtliche aus diesem Rechtsverhältnis resultierenden tatsächlichen oder vermeintlichen Rechte und Pflichten der Auszubildenden mit Bescheid zu entscheiden ist. Das gilt auch für die Frage, ob Rechtspraktikanten einen Anspruch auf Sonderzahlungen haben oder nicht. Da keine besondere Bestimmung über die Zuständigkeit zur Entscheidung über solche Bezugsansprüche existiert, gelangt §27 RPG zur Anwendung, der vorsieht, daß auf die nach dem RPG durchzuführenden Verfahren das AVG anzuwenden ist, und der als zuständige Behörde den Präsidenten des Oberlandesgerichtes bestimmt; über Berufungen hat nach der genannten Bestimmung der Bundesminister für Justiz zu entscheiden.
Der (im öffentlichen Recht begründete) Anspruch auf den Ausbildungsbeitrag sowie der (im öffentlichen Recht begründet gewesene) Anspruch der Rechtspraktikanten auf Sonderzahlungen können in der hier maßgeblichen Hinsicht durchaus mit den besoldungsrechtlichen Ansprüchen von Beamten verglichen werden. Besoldungsrechtliche Ansprüche von Beamten werden, wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (zB VfSlg. 3259/1937, 7846/1976, 8371/1978, 11836/1988, 14401/1996) dargetan hat, in der Regel in drei Phasen - Schaffung eines Rechtstitels, Bemessung und Liquidierung - verwirklicht. Geht es - wie in den vorliegenden Fällen - nicht bloß um die Liquidierung eines besoldungsrechtlichen Anspruches, nämlich den technischen Vorgang der Auszahlung, sondern um die Rechtsfrage seiner Gebührlichkeit, so ist darüber im Streitfall mit Bescheid der zuständigen Behörde zu entscheiden (vgl. die mit VfSlg. 7172/1973 und 7173/1973 beginnende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes; weiters etwa VfSlg. 11395/1987, 11836/1988 und 14401/1996).
Über die Frage, ob und in welcher Höhe Rechtspraktikanten ein (öffentlich-rechtlicher) Anspruch auf Sonderzahlungen zukommt, wäre daher aufgrund darauf abzielender Anträge der Antragsteller mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes zu erkennen. In einem solchen Verwaltungsverfahren wären die Bestimmungen der §§17, 18 und 20 RPG idF ArtXXXI Z2, 3, 4 und Z6 des BG, BGBl. I 61/1997, anzuwenden. Den Antragstellern steht es demgemäß frei, in weiterer Folge den administrativen Instanzenzug auszuschöpfen, nach Abschluß des Verwaltungsverfahrens eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde zu erheben und darin unter Darlegung der verfassungsrechtlichen Bedenken die amtswegige Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens anzuregen. Der Verfassungsgerichtshof wäre im Falle, daß er gegen das - im Beschwerdeverfahren präjudizielle - Gesetz Bedenken ob seiner Verfassungsmäßigkeit hätte, verpflichtet, ein amtswegiges Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten.
In bezug auf den rückwirkenden Wegfall der Anspruchsgrundlage für die Sonderzahlungen besteht ebenfalls die Möglichkeit der Bescheiderlangung. §21 RPG verweist hinsichtlich des Ersatzes zu Unrecht empfangener Leistungen (Übergenüsse), der Verjährung des Anspruches auf Leistung und des Rechtes auf Rückforderung zu Unrecht entrichteter Leistungen auf die Bestimmungen der §§13a und 13b des Gehaltsgesetzes 1956 (GG). Sofern die für den Monat Juni 1997 ausbezahlte anteilige Sonderzahlung überhaupt zurückgefordert werden kann (die anteilige Sonderzahlung für den Monat Juni 1997 wurde gemäß §20 Abs2 RPG idF vor BGBl. I 61/1997 bereits mit dem für den Monat Mai gebührenden Ausbildungsbeitrag überwiesen und wurde daher in diesem Zeitpunkt nicht zu Unrecht, zumindest aber in gutem Glauben empfangen - vgl. §13a Abs1 GG), hat der dazu verpflichtete Rechtspraktikant das Recht, einen Feststellungsbescheid zu verlangen (§13a Abs3 GG). In diesem Zusammenhang wäre die Bestimmung des §29 Abs2 RPG idF ArtXXXI Z7 des BG, BGBl. I 61/1997, anzuwenden.
1.3. Es besteht daher für die Antragsteller ein zumutbarer Weg (vgl. dazu zB VfSlg. 10293/1984, 10591/1985, 10606/1985), ihre Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen im Wege des Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (siehe oben unter Pkt. 1.2.); dies schließt die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes mittels Individualantrages aber aus (vgl. dazu die Rechtsprechung des Gerichtshofes, zB 14198/1995). Bei diesem Ergebnis konnte es dahingestellt bleiben, ob die Antragsteller von den angefochtenen Bestimmungen überhaupt noch aktuell betroffen sind.
2. Der Antrag war sohin schon aus den dargelegten Gründen in nichtöffentlicher Sitzung gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG zurückzuweisen (vgl. VfGH 5.3.1998, G425/97 ua.). Bei diesem Ergebnis konnte offen bleiben, ob die Bedenken hinsichtlich der Rückwirkung und die Betroffenheit überhaupt zureichend ausgeführt sind, und weiters, ob der behauptete Eingriff durch die bekämpfte Novelle oder durch die novellierten Bestimmungen bewirkt wird (vgl. VfGH 4.12.1997, G111/96).
Schlagworte
Bescheid, Feststellungsbescheid, VfGH / Individualantrag, Dienstrecht, Bezüge, RechtspraktikantenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:G34.1998Dokumentnummer
JFT_10019392_98G00034_00