TE OGH 2009/7/2 6Ob78/08a

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Veröffentlicht am 02.07.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M***** KG, *****, 2. ***** Apothekenbeteiligungen GmbH, *****, 3. R***** GesmbH, *****, 4. S***** KG, *****, 5. Wolfgang D*****, 6. ***** Mag. pharm. Gerlinde Helga E*****, 7. A***** KG, *****, 8. Z***** KG, *****, 9. A***** KG, *****, alle vertreten durch Ehrlich-Rogner & Schlögl Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Manfred W*****, vertreten durch Dr. Robert Palka, Rechtsanwalt in Wien, wegen Löschung von Daten gemäß § 32 DSG (Streitwert 10.000 EUR), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 5. Dezember 2007, GZ 16 R 219/07d-28, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 16. August 2007, GZ 4 Cg 150/06h-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, sämtliche in H*****straße 18, *****, EDV-mäßig gespeicherten Daten der klagenden Parteien zu löschen und darüber einen entsprechenden Nachweis zu führen, wird abgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zu gleichen Teilen schuldig, der beklagten Partei die mit 3.298,76 EUR (davon 549,79 EUR USt) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagenden Parteien sind zu gleichen Teilen schuldig, der beklagten Partei die mit 5.532,20 EUR (davon 414,05 EUR USt und 3.047,90 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagenden Parteien sind seit mehreren Jahren Klienten der D***** Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, die über sämtliche zur Beratung und Vertretung wesentlichen Daten der klagenden Parteien verfügt. Der Beklagte war vom 1. 12. 2000 bis 30. 11. 2004 Angestellter der Gesellschaft. Er kündigte sein Dienstverhältnis zum 30. 11. 2004 und eröffnete am 1. 12. 2004 eine eigene Steuerberatungskanzlei. Er kopierte bei seinem bisherigen Dienstgeber umfangreiche Datenbestände vom Server, die auch die Daten der klagenden Parteien umfassten. Diese Datenbestände waren insofern verwertbar, weil sie in Datenbankstruktur vorlagen, leicht durch billige Instrumente lesbar und überführbar sind und - weil auch Schnittstellenprogramme bestehen - bereits aufgrund ihrer Strukturierung leicht manuell erfassbar sind. Der Beklagte hatte diese Daten sowohl auf seinem privaten PC als auch auf Sicherungsbändern.

Im Frühjahr 2005 wurde der PC defekt. Am 8. 11. 2005 wurden dieser PC und die ZIP-Dateien im Rahmen einer Hausdurchsuchung zu 41 Hv 135/06f des Landesgerichts für Strafsachen Wien von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Das Strafverfahren ist derzeit noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.

Die klagenden Parteien forderten den Beklagten im April 2006 auf, ihre Daten zu löschen. Der Beklagte lehnte dies unter Berufung darauf, dass die Daten nicht unzulässig erlangt wurden, ab.

Die klagenden Parteien begehren mit ihrer Klage, den Beklagten schuldig zu erkennen, sämtliche in H*****straße 18, *****, EDV-mäßig gespeicherten Daten der klagenden Parteien binnen 14 Tagen zu löschen und darüber einen entsprechenden Nachweis zu führen. Der Beklagte habe ohne Zustimmung seines früheren Dienstgebers die gesamten Datensätze kopiert und sowohl auf seinen privaten PC als auch in die EDV-Anlage der W*****-Steuerberatung GmbH, die ihren Standort in ***** habe, eingespielt.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Daten der klagenden Parteien seien auf seinem EDV-Server nicht vorhanden und auch niemals vorhanden gewesen. Er sei nicht persönlicher Auftraggeber im Sinn des § 32 DSG. Er habe über Auftrag seines früheren Dienstgebers Daten kopiert und auf seinen Heim-Computer, der nicht mehr funktionsfähig sei, überspielt. Dieser PC befinde sich ebenso wenig wie die Sicherungsbänder in seinem Besitz. Vielmehr seien diese Sachen am 8. 11. 2005 im Rahmen eines Privatanklageverfahrens von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden. Er besitze diese Daten daher nicht mehr. Er erkläre ausdrücklich sein Einverständnis mit der Vernichtung der beschlagnahmten Beweismittel. Es bestehe eine Datensperre im Sinn des § 4 Z 9 iVm § 27 Abs 6 DSG. Die Löschung der Daten wäre im Hinblick auf das anhängige Strafverfahren verboten, würden damit doch Beweismittel verfälscht oder vernichtet. Die klagenden Parteien hätten auch die W*****-Steuerberatung GmbH, die der Beklagte als geschäftsführender Gesellschafter leite, auf Löschung des Datenbestands in Anspruch genommen. Er sei daher nicht passiv klagslegitimiert.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren, ohne dem Beklagten eine Leistungsfrist zu setzen, statt. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. Rechtlich führte es aus, der Beklagte sei Auftraggeber im Sinn datenschutzrechtlicher Bestimmungen, weil er die Daten beim Ausscheiden aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis mitgenommen habe, um die für ihn notwendigen und verwertbaren Daten weiterzuverwenden, und weil er über das Ob und Wie der Datenverarbeitung entscheidungsbefugt gewesen sei, zumal er damals auch seine eigene Wirtschaftskanzlei gegründet habe. Die im Rahmen der Hausdurchsuchung vorgenommene Beschlagnahme sei keine „Datensperre" im Sinn des § 27 Abs 6 DSG. Da im Strafverfahren eine Befundaufnahme bereits stattgefunden habe, laufe die Berufung des Beklagten darauf, dass man bei Klagsstattgebung Beweismittel verfälschen oder vernichten würde, ins Leere. Die gerichtliche Beschlagnahme der Datenträger berühre den geltend gemachten Löschungsanspruch nicht. Der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht stehe nicht das Recht zu, beschlagnahmte Gegenstände zu verändern, insbesondere auf den betreffenden Datenträgern Daten zu löschen. Der Beklagte selbst habe die Löschung dieser Daten vorzunehmen, nicht aber das Strafgericht oder die Staatsanwaltschaft. Die beschlagnahmten Gegenstände stünden weiterhin im Eigentum des Beklagten und unterlägen somit auch seiner Dispositionsbefugnis, abgesehen von dem vorübergehenden Zustand der Beschlagnahme zu Beweiszwecken im Strafverfahren. Nach Beendigung des Strafverfahrens bzw nach Erfüllung des Beschlagnahmezwecks (Befundaufnahme) seien die beschlagnahmten Gegenstände der Person, bei der sie beschlagnahmt worden seien, wieder herauszugeben. Die beschlagnahmten Gegenstände unterlägen nicht der Einziehung. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre dem Beklagten Gelegenheit zu geben, die betreffenden Daten sofort zu löschen, um so eine Einziehung abzuwenden. Die Löschung der betreffenden Daten sei dem Beklagten daher nicht schlichtweg unmöglich. Es liege an ihm, zur Durchführung der Löschung zunächst die Herausgabe der betreffenden Datenträger beim Strafgericht zu beantragen. Zumal der Beschlagnahmegrund (Beweismittelsicherung und Durchführung des Befunds durch den Sachverständigen) nunmehr weggefallen sei, stehe auch einer Ausfolgung der Gegenstände an den Beklagten kein rechtliches Hindernis mehr im Weg. Die Erklärung des Beklagten auf Einverständnis mit der Vernichtung der beschlagnahmten Beweismittel könne an seiner Verpflichtung zur Löschung der Daten nichts ändern.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es hielt die vom Erstgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung getroffene Feststellung, der Beklagte habe bei seinem Ausscheiden aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis die Daten mitgenommen, um die für ihn notwendigen und verwertbaren Daten weiter zu verwenden, für unbedenklich und vom Beklagten auch nicht mit einer gesetzmäßig ausgeführten Beweisrüge bekämpft. Der Beklagte sei zum Zeitpunkt der Speicherung des gesamten Datenbestands Auftraggeber im Sinn des § 4 Z 4 DSG gewesen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Daten der klagenden Parteien letztlich auf dem Server in der neuen Kanzlei des Beklagten nicht weiterverwendet worden seien. Die Verpflichtung des Beklagten zur Löschung der Daten ergebe sich aus § 27 Abs 1 Z 2 DSG. Die Erledigung eines Löschungs- und Richtigstellungsanspruchs setze die Verfügungsgewalt über die davon betroffenen Daten voraus. Diese Verfügungsgewalt des Beklagten über die Daten der klagenden Parteien sei zu bejahen. Jede Beschlagnahme gemäß den §§ 98, 143 StPO (alt) diene entweder Beweiszwecken oder der Sicherung der Vollstreckung von Verfall und Einziehung. Da es sich bei der Beschlagnahme um einen Grundrechtseingriff handle, sei sie so bald wie möglich aufzuheben. So regle auch § 613 Abs 1 Geo, dass das Gericht, sobald es die Sach- und Rechtslage gestatte, spätestens sogleich nach rechtskräftiger Beendigung des Strafverfahrens, die den bestehenden Vorschriften entsprechenden Verfügungen zu treffen habe, um die gerichtliche Verwahrung zu beenden. Auch nach der Rechtsprechung sei über beschlagnahmte Gegenstände spätestens nach Rechtskraft des Urteils zu verfügen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlange, die Dauer einer Beschlagnahme so gering wie möglich zu halten. Daher sei die Beweisbeschlagnahme unverzüglich zu beenden, wenn der Gegenstand nicht mehr als Beweis benötigt werde. Im vorliegenden Fall sei der Beweiszweck der Beschlagnahme aufgrund der bereits erfolgten Gutachtenserstattung durch den Sachverständigen im Strafverfahren beendet. Zur Frage einer möglichen Einziehung habe das Erstgericht zutreffend auf die Entscheidung 13 Os 83/06i verwiesen. Es liege keine deliktsspezifische Gefährlichkeit der beschlagnahmten Gegenstände vor. Darüber hinaus wäre dem Beklagten vor der Einziehung Gelegenheit zu geben, die besondere Deliktstauglichkeit der Gegenstände zu beseitigen. Somit stehe einer Ausfolgung der beschlagnahmten Gegenstände im Strafverfahren an den Beklagten auch vor der rechtskräftigen Beendigung nichts im Wege. Daher sei im Ergebnis von einer Verfügungsgewalt des Beklagten auszugehen. Diese Überlegungen würden auch durch einen Blick auf die Rechtsprechung zu § 369 ABGB bestätigt. Der Beklagte habe die Möglichkeit, einen aussichtsreichen Ausfolgungsantrag auch vor rechtskräftiger Beendigung des Privatanklageverfahrens zu stellen. Diese Möglichkeit reiche zur Bejahung der Verfügungsgewalt aus.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob bei einer Beschlagnahme von Datenträgern im Strafverfahren ausreichende Verfügungsgewalt des Auftraggebers anzunehmen sei, um einem Löschungsbegehren nachkommen zu können.

Rechtliche Beurteilung

Die von den klagenden Parteien beantwortete Revision des Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.

1. Der Revisionswerber macht unter anderem geltend, dass ihm nach wie vor jede Verfügung über die strafgerichtlich beschlagnahmten Gegenstände untersagt sei. Soweit er vorbringt, er habe beim Strafgericht entsprechend der Rechtsmeinung des Erstgerichts einen Ausfolgungsantrag eingebracht, um den Datenbestand vernichten zu können, das Strafgericht habe jedoch die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände nicht verfügt, ist dies als unbeachtliche Neuerung nicht zu berücksichtigen.

2. § 27 Abs 1 DSG 2000 regelt unter anderem die Verpflichtung des Auftraggebers, entgegen den Bestimmungen des DSG 2000 verarbeitete Daten zu löschen. In der Systematik des § 27 DSG kommt zum Ausdruck, dass das subjektive Recht des Betroffenen auf Löschung jedenfalls (zunächst) im Weg eines Antrags an den Auftraggeber durchzusetzen ist; an die Anbringung des Antrags ist auch das Recht geknüpft, gemäß § 27 Abs 4 DSG 2000 eine Mitteilung über die vorgenommene Löschung bzw eine Mitteilung über die Gründe für die nicht erfolgte Löschung zu erhalten (vgl VwGH 6. 6. 2007, GZ 2001/12/004). Verletzt ein privater Auftraggeber das Recht des Betroffenen auf Löschung, so sind Ansprüche gegen den Auftraggeber auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen (§ 32 Abs 1 DSG 2000). Wie sich aus der Systematik des § 27 DSG 2000 ergibt, liegt eine behauptete Rechtsverletzung dann vor, wenn der Betroffene geltend macht, dass sein Antrag nach § 27 Abs 1 Z 2 DSG 2000 entweder nicht (innerhalb der Frist des § 27 Abs 4 DSG 2000) erledigt wurde (Säumigkeit) oder die ihm über seinen Antrag zugegangene negative Mitteilung, warum die verlangte Löschung nicht vorgenommen wird, rechtswidrig ist (vgl VwGH 6. 6. 2007, GZ 2001/12/004). Eine Verletzung im Recht auf Löschung ist daher nur dann möglich, wenn der Betroffene an den Auftraggeber ein Löschungsbegehren nach § 27 Abs 1 Z 2 DSG 2000 gerichtet hat (vgl Datenschutzkommission 20. 5. 2005, GZ K 121.002/0008-DSK/2005).

3. Die Erledigung eines Löschungsanspruchs des Betroffenen setzt die Verfügungsgewalt des Auftraggebers über die davon betroffenen Daten voraus (ErläutRV 1613 BlgNR 20. GP 37).

Im Anlassfall waren die zu löschenden Daten auf Datenträgern gespeichert, die sowohl im Zeitpunkt des Antrags der klagenden Parteien an den Beklagten auf Löschung als auch bei Klagseinbringung und zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz strafgerichtlich beschlagnahmt waren (§ 143 StPO alt). Es hätte einen Bruch der Beschlagnahme und eine unzulässige Veränderung der Beweismittel bedeutet, hätte der Beklagte dem Löschungsantrag entsprochen. Seine mangelnde Verfügungsgewalt über die vom Löschungsantrag betroffenen Daten der Kläger hinderte ihn an der Erledigung des Löschungsanspruchs. Durch seine Säumigkeit hat er daher das Recht der Kläger auf Löschung nicht verletzt. Auch wenn der Beklagte beim Strafgericht noch vor der rechtskräftigen Erledigung des Strafverfahrens einen Ausfolgungsantrag hätte stellen können, so durfte er doch nicht zu einer Leistung verurteilt werden, die zu einem unzulässigen Eingriff in die Beschlagnahme führt, solange die Beschlagnahme nicht aufgehoben wurde (vgl OGH 17. 3. 1954, 2 Ob 203/54, wonach nicht zur Ausfolgung einer Sache verurteilt werden kann, die gemäß §§ 24, 98, 143 StPO polizeilich beschlagnahmt ist). Hinzu kommt, dass die Kläger die Löschung an einem bestimmten Ort gespeicherter Daten begehren, wo diese aber schon bei Klagseinbringung nicht gespeichert waren.

4. Da dem Rechtsmittel schon aus dem dargelegten Grund stattzugeben war, muss auf die übrigen Ausführungen der Revision nicht eingegangen werden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 46 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E91379

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00078.08A.0702.000

Im RIS seit

01.08.2009

Zuletzt aktualisiert am

10.10.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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