TE Vwgh Erkenntnis 2000/12/12 2000/11/0177

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Veröffentlicht am 12.12.2000
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §67 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf sowie Senatspräsident Dr. Bernard und Hofrat Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Ing. R in W, vertreten durch Dr. Michael Zerobin, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Herzog Leopold-Straße 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 19. Mai 2000, Zl. RU6-St-R-975/1, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 24. März 1999, Zl. 98/11/0139, hingewiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde ein Bescheid der belangten Behörde vom 16. April 1998, mit welchem dem (im Jahr 1918 geborenen) Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A bis C, F und G wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung entzogen worden war, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Maßgebend dafür war, dass die im Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen der belangten Behörde vom 16. März 1998 genannten Defizite im Bereich der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit (reduzierte motorische Reaktionssicherheit sowie allgemeine Verlangsamung des Reaktionsverhaltens und der Daueraufmerksamkeitsbelastbarkeit) nicht in schlüssiger Weise begründet worden sei. Außerdem habe sich der fachärztliche Befund, auf den sich der ärztliche Amtssachverständige gestützt habe, nicht in den vorgelegten Verwaltungsakten befunden.

Im fortgesetzten Verfahren wurde der Beschwerdeführer am 29. September 1999 an einer Universitätsklinik für Psychiatrie untersucht. In dem aufgrund dieser Untersuchung erstatteten fachärztlichen Befund vom 22. Oktober 1999, in dem die durchgeführten Tests und die vom Beschwerdeführer erzielten Ergebnisse ausführlich beschrieben wurden, wurde abschließend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aus nervenfachärztlicher Sicht die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht mehr besitze. Der ärztliche Amtssachverständige der belangten Behörde erstattete hierauf das Gutachten vom 9. Dezember 1999, in dem er nach Wiedergabe wesentlicher Teile des fachärztlichen Befundes abschließend die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen verneinte.

Dem Beschwerdeführer wurde zum fachärztlichen Befund und zum amtsärztlichen Gutachten Parteiengehör gewährt.

In der (von seinem Vertreter erstatteten) Stellungnahme vom 11. April 2000 macht der Beschwerdeführer geltend, er sei erst nach einer langen Fahrt bei der zuständigen Universitätsklinik angekommen und daher altersbedingt angestrengt gewesen. Dadurch habe sich sicher das Testergebnis verschlechtert. Es sei daher erforderlich, auch einen praktischen Fahrtest durchzuführen. In einer vom Beschwerdeführer selbst verfassten Eingabe vom 31. März 2000 wird darüber hinaus im Wesentlichen behauptet, die negative Einschätzung durch den ärztlichen Amtssachverständigen beruhe nicht auf der Beurteilung kraftfahrspezifischer Tests, sondern auf einem Vorurteil gegenüber älteren Menschen. Er benötige die Lenkerberechtigung, die ihm offenbar nur aus Altersgründen entzogen werden solle. Er ersuche daher, das polizeiärztliche Gutachten vom 30. Jänner 1997 anzuerkennen, in welchem ihm die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B bestätigt worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde neuerlich der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 27. Februar 1997 keine Folge und entzog dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A bis C, F und G für die Dauer seiner gesundheitlichen Nichteignung.

In der Begründung wurde ausgeführt, aus dem Befund der Universitätsklinik für Psychiatrie ergebe sich, welche Untersuchungen durchgeführt worden seien und welche Leistungen der Beschwerdeführer erbracht habe. Damit bestehe die Möglichkeit, die Schlüssigkeit des ärztlichen Amtssachverständigengutachtens vom 9. Dezember 1999 nachzuvollziehen. Für die belangte Behörde stehe fest, dass die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen aller Gruppen nicht mehr gegeben sei und die Möglichkeit einer Rehabilitation angesichts des fortgeschrittenen und testmäßig bewiesenen Altersabbaus auszuschließen sei. Der Beschwerdeführer sei den Ausführungen des ärztlichen Amtssachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, weshalb die Stellungnahme des Beschwerdeführers keine Änderung der Entscheidungsgrundlage bewirken könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Vorweg ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall zufolge der Übergangsvorschrift des § 41 Abs. 1 Führerscheingesetz - FSG weiterhin die Vorschriften des KFG 1967 und der KDV 1967 anzuwenden waren und zutreffend auch angewendet wurden.

Der Beschwerdeführer macht Begründungsmängel geltend und meint, der durch die Universitätsklinik für Psychiatrie und den ärztlichen Amtssachverständigen aufgenommene Befund hätte bei richtiger Beurteilung seiner Schilderungen ergeben, dass er sehr wohl in der Lage sei, ein Kraftfahrzeug zu lenken "und zu koordinieren". Auch wenn seine persönliche Situation anlässlich der Untersuchung in die Ausführungen Eingang gefunden habe, scheine dies dennoch "nicht die allgemeine Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers widerzuspiegeln".

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, dass sich aus der - wenn auch knappen - Begründung des angefochtenen Bescheides klar ergibt, dass die belangte Behörde den Ausführungen im amtsärztlichen Sachverständigengutachten, das den Inhalt des genannten fachärztlichen Befundes übernommen hat, vollinhaltlich gefolgt ist. Der Befund vom 22. Oktober 1999 stellt ausführlich und schlüssig dar, worauf sich die zusammenfassende Beurteilung gründet. Welche Äußerungen des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang unrichtig beurteilt worden sein könnten, ist der Aktenlage und den Beschwerdeausführungen nicht zu entnehmen. Die nicht näher begründete Behauptung des Beschwerdeführers, altersbedingte Vorsicht und Erfahrung mache in jedem Fall jeglichen körperlichen Mangel wett, ist nicht geeignet, Bedenken gegen die Schlüssigkeit des ärztlichen Amtssachverständigengutachtens darzutun.

Soweit der Beschwerdeführer seine Verkehrsunzuverlässigkeit bestreitet, scheint er einem Missverständnis zu unterliegen, weil es im gesamten Verfahren nur um seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen gegangen ist, nicht aber um seine Verkehrszuverlässigkeit (§ 66 KFG 1967). Seine Verkehrszuverlässigkeit wurde nie in Zweifel gezogen.

Die näheren Umstände jenes Vorfalles vom 7. Jänner 1997, der zur Einleitung des Entziehungsverfahrens geführt hat, sind für den Ausgang des Beschwerdeverfahrens ohne Bedeutung, weil der angefochtene Bescheid ausschließlich auf dem schlüssigen amtsärztlichen Gutachten beruht und aus dem Verhalten des Beschwerdeführers bei dem Vorfall vom 7. Jänner 1997 weder vom Amtssachverständigen noch von der Behörde Schlüsse auf seine gesundheitliche Eignung gezogen wurden.

Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe sich nicht ausreichend mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, inwieweit eine Wiederherstellung seiner gesundheitlichen Eignung erfolgen könne, ist schon deshalb nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen, weil es für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ausschließlich darauf ankommt, ob im Zeitpunkt der Entscheidung die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht gegeben ist, nicht aber, ob eine Wiederherstellung der gesundheitlichen Eignung unmöglich ist. Die Entziehung der Lenkerberechtigung wurde nur für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung des Beschwerdeführers ausgesprochen, sodass im Fall einer - entgegen der im ärztlichen Sachverständigengutachten enthaltenen Prognose eintretenden - wesentlichen Besserung seines Gesundheitszustandes die Wiedererteilung der Lenkerberechtigung nicht ausgeschlossen ist.

Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde hätte begründen müssen, warum die Mängel seiner kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit nicht durch eine Servolenkung und ein Automatikgetriebe hätten ausgeglichen werden können. Er bezieht sich damit offenbar auf das amtsärztliche Gutachten der Erstbehörde vom 30. Jänner 1997 im Zusammenhalt mit dem Gutachten eines technischen Sachverständigen vom 3. Februar 1997, wonach der Beschwerdeführer zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B, die mit Servolenkung und Automatikgetriebe ausgestattet seien, bedingt geeignet sei. Diese Gutachten waren schon im Hinblick auf die seit ihrer Erstellung verstrichene Zeit nicht mehr geeignet, darauf die Entscheidung der belangten Behörde zu gründen, weil das ärztliche Gutachten gemäß § 67 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967 - diese Bestimmung ist gemäß § 75 Abs. 2 leg. cit. auch im Entziehungsverfahren anzuwenden (siehe dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/11/0274) - im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein darf. Im Übrigen hat sich die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers nach den schlüssigen Ausführungen im Befund vom 22. Oktober 1999 gegenüber der im Jahr 1997 durchgeführten Untersuchung weiter verschlechtert.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 12. Dezember 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000110177.X00

Im RIS seit

08.02.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.08.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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