Index
90/02 Führerscheingesetz;Norm
FSG 1997 §25;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf sowie den Senatspräsidenten Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des A in H, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 11. Mai 2000, Zl. Ib-277- 28/2000, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Klassen AL und B für die Dauer von vier Jahren, gerechnet ab der (am 2. August 1999 erfolgten) Zustellung des Mandatsbescheides vom 29. Juli 1999, unter Nichteinrechnung allfälliger Haftzeiten entzogen.
In der Begründung ihres Bescheides stützte sich die belangte Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 19. November 1999 wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 und des Vergehens nach § 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz - SMG zu einer unbedingten Geldstrafe von S 60.000,-- und zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden sei. Auf Grund dieses Urteiles stehe fest, dass der Beschwerdeführer ein Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs. 6 SMG) aus- und eingeführt sowie in Verkehr gesetzt habe, und zwar habe er im Dezember 1998 ca. 3 kg Marihuana am M.K. übergeben sowie im Dezember 1998 600 Stück Ecstasy-Tabletten von der Schweiz nach Vorarlberg geschmuggelt und anschließend an M.K. übergeben. Weiters habe er zu verschiedenen Zeiten von September 1995 bis Jänner 1999 Suchtgift erworben und besessen sowie anderen überlassen. Wegen dieser Suchtgiftdelikte sei dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 29. Juli 1999 (zugestellt am 2. August 1999) entzogen worden. Am 4. August 1999 sei der Beschwerdeführer bei der Einreise aus der Schweiz kontrolliert worden. Bei dieser Kontrolle sei der Mandatsbescheid vom 29. Juli 1999 in dem vom Beschwerdeführer gelenkten PKW gefunden worden. Der Beschwerdeführer sei deshalb wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne gültige Lenkberechtigung rechtskräftig bestraft worden.
Auf Grund der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten lägen bestimmte Tatsachen gemäß § 7 Abs. 3 Z. 7 lit. a und § 7 Abs. 4 Z. 5 FSG vor. Im Rahmen der Wertung sei die Verwerflichkeit des vom Beschwerdeführer begangenen Verbrechens nach § 28 Abs. 2 SMG sehr hoch einzustufen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass es sich um "weiche Drogen" gehandelt habe, sei entgegenzuhalten, dass das Gesetz nicht zwischen harten und weichen Drogen unterscheide. Die Bezeichnung von Haschisch als "weiche Droge" könne sich nur auf das geringe Suchtpotenzial dieses Suchtmittels beziehen. Amphetaminhaltige Ecstasy-Tabletten seien als besonders gefährliche Drogen einzustufen. Die seit der Begehung der Drogendelikte bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides verstrichene Zeit sei zu kurz, um zu Gunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht fallen zu können, insbesondere, wenn man berücksichtige, dass in dieser Zeit das Strafverfahren anhängig gewesen sei und der Beschwerdeführer spätestens seit seiner Vernehmung durch die Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg vom 23. April 1999 gewusst habe, dass gegen ihn ermittelt werde. Außerdem habe der Beschwerdeführer unmittelbar nach Zustellung des Mandatsbescheides eine der schwersten Übertretungen kraftfahrrechtlicher Vorschriften begangen, indem er einen PKW ohne gültige Lenkberechtigung gelenkt habe. Der Beschwerdeführer weise insgesamt sechs rechtskräftige Vorstrafen wegen Übertretungen des KFG 1967 und zwei rechtskräftige Vorstrafen wegen Übertretungen der StVO 1960 auf.
Es liege auf der Hand, dass die Begehung von Suchtmitteldelikten durch die Verwendung von Kraftfahrzeugen typischerweise erleichtert werde. Im Rahmen der Beurteilung der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers gemäß § 7 Abs. 2 FSG seien zu seinem Nachteil die wiederholte Tatbegehung, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die große Menge der Suchtgifte und der lange Zeitraum, innerhalb dessen das Vergehen nach § 27 Abs. 1 SMG begangen wurde, zu berücksichtigen. Dazu kämen die Verwaltungsstrafen, insbesondere das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne gültige Lenkberechtigung zwei Tage nach der Entziehung der Lenkberechtigung. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer zwar im gerichtlichen Strafverfahren ein volles Geständnis abgelegt habe, im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung aber die gegen ihn erhobenen Vorwürfe allgemein bestritten habe, lasse den Schluss zu, dass er an der Wahrheitsfindung nicht besonders interessiert sei. Auch sein Hinweis, dass es sich um "weiche Drogen" gehandelt habe, lasse auf seine mangelnde Einsicht hinsichtlich der Gefährlichkeit dieser Drogen und damit der von ihm begangenen Straftaten schließen. Insgesamt sei hinsichtlich der Suchtgiftdelikte von einer großen Wiederholungsgefahr und einer schlechten Zukunftsprognose auszugehen, es bedürfe daher eines vier Jahre hindurch erwiesenen Wohlverhaltens des Beschwerdeführers, um die Wiedererlangung seiner Verkehrszuverlässigkeit annehmen zu können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, er werde erst nach einem Wohlverhalten während einer Entziehungsdauer von 4 Jahren die Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangen. Er führt in diesem Zusammenhang ins Treffen, dass das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkberechtigung am 4. August 1999 zwar eine bestimmte Tatsache darstelle, jedoch in keiner Weise gefährlich gewesen sei. Sein Verhalten habe die Verkehrssicherheit nicht gefährdet. Die Verwaltungsstrafen stünden mit der von der belangten Behörde in den Vordergrund gerückten Verkehrsunzuverlässigkeit gemäß § 7 Abs. 2 FSG in keinem Zusammenhang. Die strafbare Handlung nach § 28 Abs. 2 SMG sei bereits im Dezember 1998 begangen worden und durch seine "damalige Suchtgiftergebenheit" bedingt. Insgesamt sei die Dauer der Entziehung weit überzogen. Auch das Gericht habe offenbar keine Gefährdung der Sicherheit gesehen, weil es von der Verhängung einer (unbedingten) Freiheitsstrafe abgesehen habe.
Dieses Vorbringen erweist sich im Ergebnis aus folgenden Gründen als begründet:
Der belangten Behörde ist einzuräumen, dass das eine bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs. 4 Z. 5 FSG darstellende Verbrechen nach dem SMG im Hinblick auf die davon ausgehende gesundheitliche Gefährdung für eine große Zahl von Menschen besonders verwerflich ist. Die belangte Behörde ist auch im Recht, wenn sie die seit der Tat verstrichene Zeit als zu kurz angesehen hat, um im Rahmen der Wertung entscheidend zu Gunsten des Beschwerdeführers ins Gericht fallen zu können. Es ist auch richtig, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Kraftfahrbehörden bei der Prognose betreffend die Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit von anderen Kriterien auszugehen haben als die Strafgerichte bei der Bemessung der gerichtlichen Strafe. Es können daher die Strafzumessungsgründe, die für das Gericht maßgebend waren, nicht schematisch bei der Festsetzung der Entziehungsdauer herangezogen werden. Das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, das gemäß § 33 Z. 1 StGB einen besonderen Erschwerungsgrund darstellt, ist im gegebenen Zusammenhang von untergeordneter Bedeutung, weil das Vergehen nach § 27 Abs. 1 SMG keine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs. 3 oder 4 FSG darstellt. Das Gleiche gilt für die vom Beschwerdeführer begangenen Verwaltungsübertretungen mit Ausnahme des am 4. August 1999 erfolgten Lenkens ohne gültige Lenkberechtigung. Diese Übertretung stellte zwar eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z. 7 lit. a FSG dar, hätte aber für sich allein nur in enger zeitlicher Nähe mit der Tatbegehung die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 FSG gerechtfertigt. Im vorliegenden Fall wird die Verkehrsunzuverlässigkeit wegen einer Sinnesart nach § 7 Abs. 1 FSG weitgehend von der Verkehrsunzuverlässigkeit gemäß § 7 Abs. 2 leg. cit. überlagert, insbesondere im Hinblick auf die gegenüber dem Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkberechtigung weitaus größere Verwerflichkeit des Verbrechens nach dem SMG. Die Verkehrsunzuverlässigkeit wegen der Sinnesart nach § 7 Abs. 2 FSG bestimmt somit entscheidend die Dauer der Entziehungszeit.
Soweit die belangte Behörde die "große Menge Suchtgift von 3 kg Haschisch und 600 Stück Ecstasy-Tabletten" als "prognosemindernd" ins Treffen führt, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Überschreitung der Grenzmenge gemäß § 28 Abs. 6 SMG ein Tatbestandsmerkmal für das Verbrechen nach § 28 Abs. 2 SMG darstellt und daher für sich allein keinen Hinweis auf eine zusätzliche Gefährlichkeit des Verhaltens des Betreffenden bietet. Die Qualifikation nach § 28 Abs. 4 Z. 3 SMG (Begehung der Tat mit Beziehung auf zumindest das 25-fache der Grenzmenge) wurde im vorliegenden Fall jedenfalls bei weitem nicht erreicht. Die Tathandlung des Beschwerdeführers in Bezug auf 3 kg Marihuana bezog sich zwar (nach den Feststellungen im genannten Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 19. November 1999) auf das ca. 7,5- fache der Grenzmenge, bestand aber bloß in der vorübergehenden Verwahrung einer Sporttasche (mit einem Inhalt von ca. 3 kg Marihuana) für M.K.
Soweit die belangte Behörde dem Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid vorwirft, er sei an der Wahrheitsfindung nicht besonders interessiert, weil er im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestritten habe, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer in der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid bloß bestritten hat, hinsichtlich aller in der Strafanzeige dargestellten Straftaten geständig gewesen zu sein. Dies kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, unterscheidet sich doch der Inhalt der in der Folge erhobenen Anklage und des ergangenen Urteils vom Inhalt der Anzeige. Hinsichtlich jener Straftaten, derentwegen der Beschwerdeführer strafgerichtlich verurteilt wurde, war der Beschwerdeführer nach der Aktenlage stets geständig, sodass der genannte Vorwurf der belangten Behörde verfehlt ist.
Aus dem Hinweis des Beschwerdeführers, dass es sich bei den Suchtmitteln, auf die sich seine Straftaten bezogen haben, um "weiche Drogen" handle, kann nicht auf mangelnde Einsicht des Beschwerdeführers hinsichtlich der Gefährlichkeit dieser Suchtmittel geschlossen werden. Der Hinweis des Beschwerdeführers ist jedenfalls insofern berechtigt, als es - insbesondere was die Eignung, Gewöhnung hervorzurufen, betrifft - wesentlich gefährlichere Suchtmittel gibt als jene, auf die sich die Straftaten des Beschwerdeführers bezogen haben. Dies hat letztlich auch Einfluss auf die Verwerflichkeit der Straftaten und damit auf die Entziehungsdauer (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2000, Zl. 2000/11/0047).
Zusammenfassend erweist sich somit die mit vier Jahren bemessene Entziehungsdauer als zu lange. Unter Berücksichtigung der zuvor genannten Erwägungen ist nach der Lage des Beschwerdefalles mit der Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers in einer wesentlich kürzeren Zeit zu rechnen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 12. Dezember 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000110200.X00Im RIS seit
08.11.2001