Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr.Jesionek als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichts Dr.Brenn und Dr.Rassi in der Rechtssache der klagenden Partei U*****, vertreten durch M*****, wider die beklagte Partei D*****, wegen EUR 94.952,19 sA, über den Rekurs des Revisors gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 10.4.2009, 35 Cg 163/08x-16, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen wird.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Der Beklagte ist Mitbegründer des Vereins „I*****. Er wird auf Basis eines freien Dienstvertrags für den Verein tätig und tritt als wissenschaftlicher Direktor für diesen auf. Der Beklagte ist weiters Geschäftsführer der „J*****"; auch zu diesem Verein besteht ein freier Dienstvertrag.
Mit der am 3.11.2008 eingelangten Wechselmandatsklage begehrte die Klägerin, dem Beklagten auf Grund des Wechsels vom 1.10.2008 aufzutragen, an die Klägerin EUR 94.952,19 sA zu zahlen oder fristgerecht Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag zu erheben. Der Wechselzahlungsauftrag wurde am 4.11.2008 erlassen und dem Beklagten am 12.11.2008 durch Hinterlegung zugestellt. Innerhalb der Frist zur Erhebung der Einwendungen stellte der Beklagte einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und legte dazu ein teilweise ausgefülltes Vermögensbekenntnis (ON 2) vor. Mit Schreiben vom 1.12.2008 machte er weitere Angaben zum Vermögensbekenntnis (ON 3). Mit Beschluss vom 15.12.2008 (ON 4) erteilte ihm das Erstgericht einen Verbesserungsauftrag, dem er mit Schreiben vom 26.1.2009 nur unzureichend nachkam. Aus diesem Grund wurde der Beklagte am 12.2.2009 (ON 7) zum Verfahrenshilfeantrag einvernommen. Dabei trug ihm das Erstgericht die Vorlage weiterer Nachweise auf. Mit Schreiben vom 20.2.2009 (ON 7a) legte der Beklagte einen Kontoauszug sowie eine Urkunde über die von ihm abgeschlossene Ablebensversicherung samt Vinkulierungserklärung vor. Mit Beschluss vom 23.2.2009 bewilligte das Erstgericht der Klägerin wider den Beklagten die Sicherstellungsexekution durch Vormerkung des Pfandrechts ob seiner 8*****-Anteile an der Liegenschaft EZ *****.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss bewilligte das Erstgericht dem Beklagten die Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 bis 4 ZPO. Dieser Beschluss wurde dem Revisor am 24.4.2009 ohne Anschluss des Aktes oder von Kopien der relevanten Aktenteile zugestellt. Am 28.4.2009 (ON 18) ersuchte der Revisor um Übermittlung des Gerichtsakts, weil er seinem gesetzlichen Auftrag ohne Einsichtnahme in die zugrunde liegenden Belege nicht nachkommen könne. Diesem Antrag wurde am 7.5.2009 entsprochen. Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 21.4.2009 wurde RA M***** zum Verfahrenshelfer des Beklagten bestellt.
Mit Schriftsatz vom 12.5.2009 (beim Erstgericht eingelangt am 14.5.2009) erhob der Revisor gegen den Verfahrenshilfebeschluss Rekurs wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss in der Weise abzuändern, dass der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen werde; hilfsweise stellte er einen Aufhebungsantrag. In Erwiderung des Rekurses brachte der Beklagte ein persönlich verfasstes Schreiben ein. Die Klägerin hat keine Rekursbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Zunächst stellt sich die Frage nach der Rechtzeitigkeit des Rekurses.
Auf Grund der durch die ZVN 2004 erweiterten Überprüfungs- und Rechtsmittelbefugnisse des Revisors wurde mit § 283a Geo (idF BGBl II 2006/421) für den Bereich der Verfahrenshilfe eine Parallelbestimmung zu § 283 Geo betreffend die Überprüfung der Gebührenbestimmungsbeschlüsse geschaffen. Danach sind dem Revisor (unter anderem) Entscheidungen unter Anschluss der Akten im Wege der Einlaufstelle zuzustellen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Übersendung des Aktes durch Übermittlung der notwendigen Aktenteile in Kopie ersetzt werden. Maßgeblich für den Zeitpunkt der Zustellung an den Revisor ist das Datum des Eingangsvermerks der Einlaufstelle (Danzl, Geo § 283 Anm 16).
Der Zweck der Anordnung der Zustellung unter Anschluss der Akten ist darin gelegen, dass der Revisor die ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Rechtsmittelrechte wirksam ausüben kann, wozu es über die bloße Zustellung der zu überprüfenden Entscheidung hinaus auch des zugehörigen Aktes bedarf, weil nur aus diesem die erforderlichen Informationen hervorgehen (Danzl, aaO Anm 15). Dementsprechend wird im Ministerialentwurf zur Einführung des § 283a Geo darauf hingewiesen, dass die normierte Zustellfiktion die Wirksamkeit der Zustellung der Entscheidungen im Bereich der Verfahrenshilfe sowie der dagegen erhobenen Rekurse und der Zeugen-, Dolmetsch- und Sachverständigengebühren an die materielle Überprüfbarkeit der Entscheidung knüpft. Demnach sei es erforderlich, dass der Entscheidung der Akt oder die entscheidungsrelevanten Aktenteile in Kopie angeschlossen werden, falls nicht aus den Feststellungen der Beschlussbegründung die Tatsachenbasis der Entscheidung ersichtlich werde. Erst eine solcherart vorgenommene Zustellung könne fristauslösend für Rekurs oder Rekursbeantwortung des Revisors wirken (s Danzl, aaO § 283a Anm 1b). Nach diesen Leitlinien ist der Beginn des Fristenlaufs für das Rechtsmittel des Revisors somit davon abhängig, dass zur Überprüfung der Entscheidung eine ausreichende Tatsachenbasis zur Verfügung steht (vgl WR 1009; s auch den Verfahrenshilfeerlass des BMJ vom 24.11.2004, JABl Nr 5/2004). Das Erstgericht hat unter Hinweis auf das Vermögensbekenntnis des Beklagten samt Beilagen und seine Einvernahme zwar dessen Angaben zu den Einkünften aus den freien Dienstverträgen mit der J***** und dem I***** als bescheinigt angenommenes Tatsachensubstrat in den bekämpften Beschluss aufgenommen. Zudem hat es die Aufwendungen des Beklagten für seine Wohnung festgehalten. Diese rudimentären Darstellungen bieten aber keinen umfassenden Überblick über die finanzielle Lage und die Lebensumstände des Beklagten und bilden daher keine ausreichende Tatsachenbasis für die Überprüfung des Verfahrenshilfebeschlusses. Da dem Revisor bei der ersten Zustellung des Verfahrenshilfebeschlusses vom 24.4.2009 die vom Beklagten vorgelegten Unterlagen nicht zur Verfügung gestanden sind, hat die Rekursfrist erst mit der Zustellung vom 7.5.2009 unter Anschluss des Aktes zu laufen begonnen. Der Rekurs des Revisors ist daher rechtzeitig. Er ist auch berechtigt.
In seinem Rekurs führt der Revisor aus, dass die Einkommenssituation des Beklagten unklar geblieben sei. Der Beklagte habe nicht nachvollziehbar begründet, warum die Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2007 und 2008 nicht existierten. Aus der Vermietung seiner Wohnung in Bregenz könne er Erträge erzielen; er könne diese auch belasten. Ungeklärt sei schließlich geblieben, ob der Beklagte eine Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen könne.
Diesen Ausführungen ist im Ergebnis zuzustimmen.
1.1 Gemäß § 66 Abs 2 ZPO ist über den Verfahrenshilfeantrag auf Grundlage des Vermögensbekenntnisses zu entscheiden. Damit das vorgelegte Vermögensbekenntnis als unbedenklich der Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag zugrunde gelegt werden kann, müssen die darin enthaltenen Angaben plausibel erscheinen. Ergeben sich gegen deren Richtigkeit bzw Vollständigkeit Bedenken, etwa weil sie widersprüchlich oder Teile des Formulars nicht ausgefüllt sind, so ist das Vermögensbekenntnis vom Gericht zu überprüfen. Zu diesem Zweck kann es den Antragsteller zur Ergänzung oder Berichtigung und gegebenenfalls auch zur Vorlage weiterer Belege auffordern. Ein derartiger Vorlageauftrag findet seine Grenze in der Unzumutbarkeit. Die für den Fall, dass der Antragsteller den Ergänzungsaufträgen des Gerichts nicht oder nur unzulänglich nachkommt, sinngemäß angeordnete Anwendung des § 381 ZPO (freie Würdigung des Parteiverhaltens) erfordert, dass die Aufträge möglichst detailliert erfolgen (Bydlinski in Fasching/Konecny2 § 66 ZPO Rz 6 ff).
1.2 Der Beklagte hat das ursprüngliche Vermögensbekenntnis nicht vollständig ausgefüllt. Zu seinen Einkünften hat er nur auf die J***** und das I***** als Auftraggeber hingewiesen, ohne sein monatliches Einkommen anzuführen. Die Frage nach dem Bestehen einer Lebensversicherung hat er verneint. Auch Schulden hat er nicht angegeben. Schließlich waren dem Antrag keine Nachweise angeschlossen. Im Schreiben ON 3 führte der Beklagte den Schätzwert der im Vermögensbekenntnis angegebenen Liegenschaft mit EUR 300.000,-- an. Er habe keine Lebensversicherung, sondern nur eine Ablebensversicherung. Er beziehe auch Geld von der Literar-Mechana, das zwischen einigen hundert und einigen tausend Euro schwanke. Nach dem detaillierten Verbesserungsauftrag ON 4, in dem der Beklagte auch auf die möglichen Rechtsfolgen des § 381 ZPO hingewiesen wurde, erfolgte nach weiteren kaum zweckdienlichen Ausführungen des Beklagten in ON 6 am 12.2.2009 seine Einvernahme (ON 7). Dabei gab er zu Protokoll, dass er von der J***** monatlich EUR 1.272,-- erhalte. Aus dem freien Dienstvertrag mit dem I***** stehe ihm ein monatliches Einkommen von EUR 4.200,-- zu. In Wahrheit bekomme er nur EUR 90,--, weil das Geld nicht da sei. Die Einkommenssteuerbescheide für 2007/2008 gebe es nicht; es gebe auch keine Einkommenssteuererklärungen. Er könne höchstens den Bescheid für 2006 vorlegen. Der mit dem Höchstbetragspfandrecht besicherte Kredit bei der BAWAG befinde sich mit EUR 240.000,-- im Minus. Dieser Kredit werde über das I***** bedient. Der aktuelle Kontostand bei der Erste Bank weise ein Minus von EUR 9.872,39 auf. Ein weiterer Kredit bei der BAWAG hafte mit EUR 16.000,-- aus, wobei sich die monatlichen Raten auf EUR 1.200,-- beliefen. Aus einer Hausrenovierung hätten ihm seine Eltern EUR 8.500,-- zur Verfügung gestellt, sodass die Rückzahlung möglich sei. In einer von ihm vorgelegten „Sachverhaltsdarstellung" führte er die Forderungen des I***** gegen die Gemeinde T***** mit EUR 187.000,--, gegen das BM***** mit EUR 417.000,-- bis EUR 2,2 Mio sowie gegen die Stadt W***** mit rund EUR 1 Mio an. Aus dem „I*****-Weltfernsehen" seien bis Ende 2009 rund EUR 2 Mio zu erwarten. Ihm selbst stünden aus Honoraren zumindest EUR 350.000,-- zu.
2. In Anbetracht der vom Beklagten angegebenen enormen Forderungen des I***** bleibt fraglich, warum der Verein zur zumindest teilweisen Abdeckung der Forderungen des Beklagten keine Kreditmittel zur Verfügung stellen kann. Der Beklagte hat auch unaufgeklärt gelassen, welche Schritte er unternommen hat, um seine Forderungen gegenüber dem I***** durchzusetzen. Ebenso bleibt unklar, warum für die Jahre 2007 und 2008 nicht einmal Einkommenssteuererklärungen existieren. Sein Hinweis im Schreiben ON 23, wonach zu den Steuererklärungen ein Gerichtsverfahren gegen das W***** in Vorbereitung sei, ist nicht nachvollziehbar. Zu den Kreditrückzahlungen hat der Beklagte das Geldgeschenk seiner Eltern zunächst unerwähnt gelassen. Zudem hat er nicht dargestellt, aus welchen Mitteln nach Verbrauch des Betrags von EUR 8.500,-- die Kreditrückzahlung erfolgen soll. Ebenso hat er nicht angegeben, auf welche Weise das I***** den Kredit bei der BAWAG bedient.
Insgesamt verbleiben auch mit Rücksicht auf die ergänzenden Erklärungen des Beklagten und die von ihm vorgelegten Unterlagen Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Eine verlässliche Beurteilung seiner finanziellen Lage ist daher nicht möglich. Es kann auch nicht nachvollzogen werden, aus welchen Mitteln er die von ihm angegebenen Mietkosten sowie die sonstigen regelmäßigen Aufwendungen bestreiten kann. Unter Anlegung des Maßstabs einer verantwortungsbewusst handelnden Partei wäre auch zu erwarten, dass er angemessene Maßnahmen zur Durchsetzung seiner finanziellen Ansprüche ergreift.
Nach diesen Darstellungen kann nicht von der Stichhaltigkeit des Vermögensbekenntnisses des Beklagten und der vorgelegten Belege ausgegangen werden (vgl Bydlinski in Fasching/Konecny2 § 63 ZPO Rz 9). Von weiteren Verbesserungsaufträgen war Abstand zu nehmen, weil mehrmalige Verbesserungsversuche nicht vorgesehen sind (vgl EvBl 2001/177; 3 Ob 75/01b; Kodek in Fasching/Konecny2 § 85 ZPO Rz 291; Gitschthaler in Rechberger3 §§ 84 – 85 ZPO Rz 17) und dem Beklagten ohnedies ausreichend Gelegenheit geboten wurde, seine Angaben zu vervollständigen. Ihm ist daher mangelnde Sorgfalt bzw unzureichende Mitwirkung bei der Vorlage des Vermögensbekenntnisses vorzuwerfen. Da die Angaben des Beklagten keine genügende Basis für die Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag darstellen, war in Stattgebung des Rekurses des Revisors der Antrag abzuweisen. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf § 528 Abs 2 Z 4 ZPO.
Oberlandesgericht Wien
1016 Wien, Schmerlingplatz 11
Anmerkung
EW006911R135.09vEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0009:2009:00100R00135.09V.0708.000Zuletzt aktualisiert am
08.10.2009