Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei Christian K*****, vertreten durch Mag. Daniela Weiss und Dr. Bernhard Ess, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen 21.800 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 19. Juni 2008, GZ 4 R 105/08k-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 5. März 2008, GZ 10 C 24/07g-22, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.327,68 EUR (darin 221,28 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof an den Ausspruch des Berufungsgerichts über die Zulassung der Revision nicht gebunden. Entgegen diesem Ausspruch ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig.
Die hier zu beurteilende Regressforderung des klagenden Haftpflichtversicherers gegen den beklagten Versicherungsnehmer nach § 24 Abs 4 KHVG verjährt nach ständiger Rechtsprechung in der selben Zeit wie der zugrunde liegende Schadenersatzanspruch des geschädigten Dritten; handelt es sich bei der gemäß dieser Bestimmung auf den Versicherer übergegangenen Forderung doch um die ursprüngliche Schadenersatzforderung des Geschädigten gegen den Versicherungsnehmer, ohne dass diese durch die in der genannten Gesetzesstelle festgelegte Legalzession eine inhaltliche Änderung erfährt. Nach ständiger Rechtsprechung ist daher auch der Zeitpunkt, zu dem der Versicherer von der Person des Regresspflichtigen oder von den Umständen, die seine Regresspflicht begründen, Kenntnis erhält, für die Verjährung der Regressforderung ohne Bedeutung (RIS-Justiz RS0080423, RS0034383 [T3], RS0034541 [T6]). Die Regressforderung verjährt sohin gemäß § 1489 ABGB in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Schaden und die Person des Schädigers dem Geschädigten (und nicht [notwendigerweise] auch dem regressberechtigten Versicherer) bekannt geworden ist (zu allem: 7 Ob 91/01k und 7 Ob 71/05z mwN).
Hier hat die Klägerin den Regressanspruch aus einem Verkehrsunfall vom 16. 5. 2004 (erst) am 29. 5. 2007 und damit - unstrittig - erst nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß § 1489 ABGB gegen den beklagten Versicherungsnehmer klageweise geltend gemacht. Das Berufungsgericht bestätigte die Klagsabweisung wegen Verjährung, sprach jedoch - nach übereinstimmend mit dem Erstgericht konstatierter Unanwendbarkeit des § 27 Abs 2 erster Satz KHVG (über die Hemmung der Verjährung) auf den Regressanspruch der Klägerin - aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die zitierte Bestimmung über die Fortlaufhemmung [nicht doch] auch dem Versicherer, auf den die befriedigten Schadenersatzansprüche der geschädigten Dritten übergehen, im Regressfall gegenüber dem Versicherten zugute komme.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist nicht zulässig, weil trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung dann keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (stRsp; RIS-Justiz RS0042656; 7 Ob 282/08h; 10 ObS 12/09a).
Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen:
Gemäß § 27 Abs 2 Satz 1 KHVG 1994 (früher: § 23 Abs 2 KHVG 1987, § 63 Abs 2 KFG 1967) ist die Verjährung des Schadenersatzanspruches des geschädigten Dritten, wenn er dem Versicherer gemeldet wurde, bis zur Zustellung einer schriftlichen Erklärung des Versicherers, dass er den Schadenersatzanspruch ablehnt, gehemmt. Weitere Anmeldungen desselben Schadenersatzanspruchs hemmen die Verjährung jedoch nicht (Satz 2). Bei der Bestimmung des § 27 Abs 2 KHVG, die der Hemmungsbestimmung des § 12 Abs 2 VersVG nachgebildet ist, handelt es sich um die Regelung einer Fortlaufhemmung in der Weise, dass nach dem Fortfall des Hemmungsgrundes die bei dessen Eintritt (durch die Anspruchsmeldung) noch nicht abgelaufenen Teile der Verjährungszeit abzulaufen haben, um die Verjährung herbeizuführen (RIS-Justiz RS0065855; 2 Ob 237/08d mwN).
Da kein Grund dafür ersichtlich ist, den Anspruchsberechtigten in der Kfz-Haftpflichtversicherung in Bezug auf die Verjährungshemmung schlechter zu stellen als nach allgemeinem Versicherungsvertragsrecht, entspricht es der neuen, mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass eine Bezifferung des Anspruchs in der Schadensmeldung des Geschädigten beim Versicherer nicht Voraussetzung für eine Verjährungshemmung nach § 27 Abs 2 KHVG ist (2 Ob 237/08d mwN; RIS-Justiz RS0119627). Auch der geschädigte Dritte soll ohne Verjährungsgefahr mit dem Versicherer über die Schadensliquidierung verhandeln können, obwohl er seine Ansprüche noch nicht beziffert hat, was ihm zu Beginn der Verhandlungen oft auch noch gar nicht vollständig möglich sein wird (2 Ob 223/04i).
Wie ebenfalls bereits ausgesprochen wurde, lässt sich diese Fortwirkung der Fortlaufhemmung eindeutig (bereits) aus dem Text des § 27 Abs 2 Satz 1 und 2 KHVG und der bereits zitierten Judikatur ableiten, welche die „bloße" Schadensmeldung [beim Versicherer] ohne Bezifferung des Anspruchs für ausreichend hält: Ist nämlich die Hemmung durch die Schadensmeldung bereits bewirkt, kommt eine nochmalige Hemmung der Verjährung durch nachfolgende Anmeldungen desselben Schadenersatzanspruchs nach § 27 Abs 2 Satz 2 KHVG nicht [mehr] in Betracht (2 Ob 237/08d).
Die bisher dargelegten Grundsätze und der Schutzzweck des § 27 Abs 2 Satz 2 KHVG betreffen daher - wie sich schon aus dem Wortlaut der zitierten Bestimmung ergibt - allein die Anspruchsverfolgung gegenüber „dem Versicherer". Schon deshalb kommt ihnen für die (rechtzeitige) Geltendmachung des Regressanspruchs der Klägerin gegenüber ihrem Versicherungsnehmer keine Bedeutung zu.
Im vorliegenden Fall werden die Ansprüche des geschädigten Dritten gerade nicht gegenüber dem Versicherer geltend gemacht, sondern im Regressweg gegenüber dem Schädiger selbst eingeklagt. Weshalb (auch) diesem gegenüber eine Verjährungshemmung bis zum Zeitpunkt einer - hier gar nicht (mehr) denkbaren - Ablehnung der vom Versicherer bereits befriedigten Ansprüche eintreten sollte, ist nicht einzusehen: Würde dies doch bedeuten, dass die Hemmung der Verjährung - entgegen dem dargelegten Schutzzweck (Beseitigung der Verjährungsgefahr für den Geschädigten) - nunmehr (auch) zugunsten des Versicherers und außerdem - wie auch die Klägerin erkennt - „ad infinitum" bestünde (die Revision hält dazu selbst fest, dass die Verjährungsfrist - ohne schriftliche Ablehnung des Schadenersatzanspruchs - „überhaupt nicht" [!] ablaufen würde). Die Bestimmung des § 27 Abs 2 KHVG erweist sich in dieser Konstellation daher - wie bereits die Vorinstanzen eingehend begründet haben - schon von vornherein als unanwendbar.
Auch die Revision kann gegen diese Beurteilung keine stichhaltigen Argumente ins Treffen führen; die Klägerin wiederholt hier nämlich nur ihren bisherigen Standpunkt, ohne auf die zutreffende Argumentation des Erst- und des Berufungsgerichts einzugehen. Es reicht daher, auf die Richtigkeit der Beurteilung der Vorinstanzen hinzuweisen und diese kurz zu ergänzen.
Die Auffassung, dass die Hemmung der Verjährung nach § 27 Abs 2 KHVG (im dargelegten Sinn) auch für die Regressforderung des Versicherers gegenüber seinem Versicherungsnehmer gelte, begründet die Klägerin weiterhin lediglich mit einem Hinweis auf die zu § 63 Abs 2 KFG (der Vorgängerbestimmung zu § 27 Abs 2 KHVG) ergangene Entscheidung 8 Ob 36/85 (SZ 58/90) sowie damit, dass „diese Judikatur" für die Nachfolgebestimmungen des § 23 Abs 2 KHVG 1987 und des § 27 Abs 2 KHVG 1994 beibehalten worden sei. Sie macht zur Zulässigkeit ihres Rechtsmittels geltend, dass das Berufungsgericht von dieser Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei.
Dem ist zu erwidern, dass die in diesem Zusammenhang zitierten drei Entscheidungen des zweiten Senats (2 Ob 32/95; 2 Ob 223/04i und 2 Ob 247/04v) gar keine Regressforderungen des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer betreffen. Sie sind daher mit dem vorliegenden Fall nicht zu vergleichen, während die erste zitierte Entscheidung aus dem Jahr 1985 zur angesprochenen Frage (nur) Folgendes ausführt (8 Ob 36/85 = SZ 58/90):
„Da eine schriftliche Erklärung der Klägerin, diesen [Anm: bereits befriedigten] Schadenersatzanspruch abzulehnen, nach der Aktenlage nicht erfolgte, ist dieser Hemmungsgrund [Anm: nach § 62 Abs 2 KFG] in der Folge nicht weggefallen. Die Zahlung der von der GF [= geschädigte Dritte] geltend gemachten Forderung durch die Klägerin erfolgte ... erst nach dem Jänner 1983, die Einbringung der vorliegenden Klage bereits am 19. April 1983. Unter diesen Umständen ist die Verjährung des Regressanspruch der Klägerin, soweit es den Ersatz der von ihr an die GF erbrachten Leistungen betrifft, zu verneinen ..."
Dazu wurde Folgendes erwogen:
Der Standpunkt dieser Entscheidung, für den Beginn der Verjährungsfrist der Regressforderung des Versicherers sei - entgegen der bereits dort zitierten Rechtsprechung - nicht der Unfallszeitpunkt maßgebend, sondern der Zeitpunkt der Befriedigung des geschädigten Dritten, widerspricht der eingangs dargestellten, mittlerweile ständigen Judikatur des erkennenden Senats; danach verjährt die Regressforderung des Versicherers gegen den Versicherungsnehmer vielmehr - wie bereits ausgeführt - in der selben Zeit wie der zugrunde liegende Schadenersatzanspruch des geschädigten Dritten.
Die Unanwendbarkeit der Bestimmung über die Fortlaufhemmung (nunmehr: § 27 Abs 2 KHVG) ergibt sich hingegen - wie ebenfalls bereits aufgezeigt wurde - schon aus der klaren Formulierung der zitierten Bestimmung, die - völlig unmissverständlich - lautet wie folgt:
„Ist der Schadenersatzanspruch des geschädigten Dritten dem Versicherer gemeldet worden, so ist die Verjährung bis zur Zustellung einer schriftlichen Erklärung des Versicherers, dass er den Schadenersatzanspruch ablehnt, gehemmt".
Es geht dabei also eindeutig nur um die verjährungshemmende Wirkung einer Anspruchsverfolgung durch den geschädigten Dritten gegenüber dem (Haftpflicht-)Versicherer, nicht jedoch um die - von der „verjährungsrechtlichen Sonderbestimmung des § 27 KHVG 1994 samt Vorgängerbestimmungen" (vgl 2 Ob 5/06h) gar nicht erfasste - Frage der rechtzeitigen Geltendmachung von Regressansprüchen durch den Haftpflichtversicherer gegenüber dem Schädiger. Letztere könnte somit nur anderen (allgemeinen) Bestimmungen über eine allfällige (Fortlauf- oder Ablauf-)Hemmung der Verjährung unterfallen. Dafür ergibt sich im vorliegenden Verfahren jedoch kein Anhaltspunkt. Die Klägerin hat dazu - wie bereits das Berufungsgericht festhält - nichts behauptet.
Eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO wird aber auch in den weiteren Revisionsausführungen nicht aufgezeigt, weil die Vorinstanzen die angesprochene Problemstellung im Einklang mit der zitierten aktuellen Judikatur gelöst haben. Daran kann auch der (erneute) Hinweis der Klägerin auf § 27 Abs 2 Satz 3 KHVG nichts ändern. Nach dieser Bestimmung bewirkt (zwar) die Hemmung oder die Unterbrechung der Verjährung des Schadenersatzanspruchs gegen den ersatzpflichtigen Versicherten auch die Hemmung oder die Unterbrechung der noch laufenden Verjährung des Schadenersatzanspruchs gegen den Versicherer „und umgekehrt"; wobei nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung des Direktanspruchs auch insoweit auf den Anspruch gegen den Versicherungsnehmer wirkt, als der Anspruch des Dritten die Versicherungssumme übersteigt (RIS-Justiz RS0118982).
Hier sind die Voraussetzungen des § 27 Abs 2 Satz 2 KHVG aber schon deshalb nicht erfüllt, weil sich nicht der geschädigte Dritte gegenüber dem Versicherer auf eine Hemmung der Verjährung nach der zitierten Bestimmung berufen hat, sondern der Versicherer gegenüber seinem Versicherungsnehmer. Mangels Anwendbarkeit des § 27 Abs 2 Satz 2 KHVG zugunsten des Haftpflichtversicherers wurde die (ab dem Unfallszeitpunkt laufende) Verjährung des vom Haftpflichtversicherer bereits befriedigten und gemäß § 24 Abs 4 KHVG auf diesen übergegangenen Anspruchs des geschädigten Dritten daher - wie bereits ausgeführt - schon von vornherein nicht gehemmt. Eine somit jedenfalls fehlende Hemmungswirkung konnte aber auch nicht „umgekehrt" eintreten.
Die Revision ist daher mangels erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 41 und 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.
Textnummer
E91395European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0070OB00227.08W.0708.000Im RIS seit
07.08.2009Zuletzt aktualisiert am
10.01.2011