TE OGH 2009/7/14 4Ob22/09b

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Veröffentlicht am 14.07.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Ärztekammer für Wien, 2. Prim. MR Dr. Walter D*****, Präsident jener Kammer, *****, beide vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert eingeschränkt 40.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 12. Dezember 2008, GZ 30 R 43/08a-22, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Parteien sind - wie schon im Sicherungsverfahren

(4 Ob 236/07w = ÖBl 2008, 336 [Kresbach/Schnider] = RdW 2008, 399 [Thiele, RdW 2009, 7] - Heuschrecke) - unterschiedlicher Auffassung zur Frage, ob die Bezeichnung der klagenden Kapitalgesellschaft als „Heuschrecke“ im konkreten Zusammenhang als Tatsachenbehauptung in Bezug auf deren rücksichtsloses Verhalten gegenüber Mitarbeitern und Patienten zu verstehen war und daher gegen § 7 UWG verstieß. Die Vorinstanzen haben dies unter Hinweis auf die im Sicherungsverfahren ergangene Entscheidung des Senats bejaht.

Den Beklagten gelingt es in ihrer außerordentlichen Revision nicht, das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aufzuzeigen: Die Vorinstanzen haben die strittige Äußerung auch unter dem Gesichtspunkt der Meinungsäußerungsfreiheit geprüft und dabei insbesondere die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gewürdigt. Die Anwendung der daraus abgeleiteten Grundsätze (4 Ob 98/07a = AnwBl 2008, 33 [Baumann/Duursma] = ecolex 2008, 154 [Schumacher] = ÖBl 2008, 75 [Gamerith] - VÖB; RIS-Justiz RS0122468) auf den Einzelfall begründet - von einer im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung abgesehen - keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (3 Ob 178/08k).

Im vorliegenden Fall haben die Beklagten die Klägerin nicht nur (mittelbar) als „Heuschrecke“ bezeichnet, sondern zugleich die solchen Unternehmen unterstellten Verhaltensweisen konkret genannt (Herrschaft über den ärztlichen Berufsstand, Kündigung nicht „spurender“ Ärzte, Orientierung an ökonomischen Erwägungen und damit nicht am Wohl der Patienten etc). Damit haben sie den Begriff „Heuschrecke“ in der strittigen Äußerung in einer Weise konkretisiert, dass er im gegebenen Zusammenhang als Tatsachenbehauptung in Bezug auf die Klägerin (und ein zweites namentlich genanntes Unternehmen) zu verstehen war. Der Leser musste annehmen, dass die beiden ausdrücklich genannten Unternehmen, die bereits auf dem strittigen Markt tätig waren, das „Heuschrecken“ unterstellte Verhalten bereits gesetzt hatten. Auf dieser Grundlage ist das von den Vorinstanzen erlassene Verbot dahin zu verstehen, dass die Bezeichnung „Heuschrecke“ nur dann zu unterlassen ist, wenn damit tatsächlich ein solcher Eindruck erweckt wird. Die primär am allgemeinen Sprachgebrauch anknüpfende Kritik Thieles an der Entscheidung im Sicherungsverfahren (Zimperliche Heuschrecken, RdW 2009, 7) führt wegen des konkreten Äußerungszusammenhangs zu keiner anderen Beurteilung.

Unter den besonderen Umständen des Einzelfalls ist die Entscheidung der Vorinstanzen trotz der Teilnahme der Beklagten an einer Debatte über Angelegenheiten des öffentlichen Interesses nicht unvertretbar. Denn auch in solchen Debatten müssen es konkret genannte Unternehmen (vgl 4 Ob 48/88 = SZ 61/193 - Camel) nicht hinnehmen, dass über sie unwahre kreditschädigende Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden. Die von den Beklagten beabsichtigte Warnung vor den Gefahren des Auftretens von Kapitalgesellschaften auf dem Markt für ärztliche Dienstleistungen wird durch das Verbot nicht unmöglich; die Beklagten haben es lediglich zu unterlassen, über konkrete Mitbewerber der von der Erstbeklagten vertretenen Ärzte unwahre Tatsachenbehauptungen aufzustellen.

Schlagworte

Heuschrecke II,

Textnummer

E91534

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0040OB00022.09B.0714.000

Im RIS seit

13.08.2009

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2016
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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