Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** GmbH, *****, vertreten durch Eckert & Fries Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Baden, gegen die beklagten Parteien 1. A***** AG, *****, 2. Christian L*****, beide vertreten durch Barnert Egermann Illigasch Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Feststellung (Streitwert im Sicherungsverfahren 25.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 2. Februar 2009, GZ 1 R 118/08t-20, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 25. April 2008, GZ 11 Cg 236/07d-11, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung nunmehr zu lauten hat:
„Der Antrag, den beklagten Parteien mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils die Äußerung
a) seitens der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt bzw. der Wirtschaftspolizei Niederösterreich wird derzeit gegen [Geschäftsführer der Klägerin] ermittelt oder ähnliche Äußerungen,
b) [Geschäftsführer der Klägerin] habe die Steuerbehörde durch Täuschung über gewerbliche Tätigkeiten zur Auszahlung einer nicht berechtigten Investitionsablöse [gemeint offenbar: Investitionsprämie] veranlasst oder ähnliche Äußerungen, sowie
c) [Geschäftsführer der Klägerin] habe die [Name eines Unternehmens] betrogen oder ähnliche Äußerungen,
in Hinkunft zu unterlassen sowie derartige Äußerungen oder ähnliche Äußerungen als Missstände im Unternehmen der Klägerin darzustellen in Hinkunft zu unterlassen; hilfsweise, die beklagten Parteien zu verpflichten, das zuvor beschriebene Verhalten zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.076,72 EUR (darin 179,45 EUR USt) bestimmten Äußerungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 3.087,42 EUR (darin 514,57 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin und die Erstbeklagte sind als Bedarfsflugunternehmen tätig und befassen sich ua mit der Anschaffung, Veräußerung und Vermietung von Luftfahrzeugen. Lukas L***** (in der Folge: Geschäftsführer der Klägerin) ist Pilot (Beil ./7), er ist an der Klägerin wirtschaftlich beteiligt und seit September 2007 ihr Geschäftsführer.
Der Zweitbeklagte war bis 6. 7. 2007 Vorstand der Klägerin und ist nunmehr Vorstandsmitglied der Erstbeklagten. Am 22. 11. 2007 war er einzelvertretungsbefugt für die Erstbeklagte und verfasste ein Schreiben an das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (in der Folge: Verkehrsministerium), Abteilung Luftfahrtrecht und Flugsicherung, mit auszugsweise folgendem Inhalt:
„Aufgrund des Schriftsatzes der Kanzlei [Klagevertreter], Auftrags der [Klägerin], dürfen wir auf folgende Missstände die im Unternehmen der [Klägerin] vorliegen, hinweisen:
1. [betrifft angeblich unwahre Angaben auf der Homepage der Klägerin über deren Anzahl an Luftfahrzeugen]
2. [betrifft angeblich fehlende lizensierte Mechaniker bei der Klägerin für bestimmte Flugzeugtypen, die von der Klägerin als verfügbar geführt werden]
3. Seitens der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt bzw. der Wirtschaftspolizei Niederösterreich wird derzeit gegen [Geschäftsführer der Klägerin] ermittelt. Es steht der Vorwurf des schweren Betrugs im Raum. Konkret hat [Geschäftsführer der Klägerin] als Geschäftsführer diverser ***** Gesellschaften eine gewerbliche Tätigkeit der ***** Gesellschaften den Steuerbehörden vorgetäuscht um Investitionsprämien zu erhalten. Weiters wurde den Herren [Geschäftsführer der Klägerin] und [...] vorgeworfen, das Unternehmen [...] betrogen zu haben.
4. und 5. [angebliche Missstände im Zusammenhang mit der Flugschule der Klägerin]
In diesem Zusammenhang ist es uns wichtig darauf hinzuweisen, dass es keineswegs Art der [Erstbeklagten] ist, Mitbewerber schlecht zu machen. Grund dieses Schreibens waren die unsubstantiellen Anschuldigungen seitens [Klägerin] gegenüber der [Beklagten] in ihrem Schreiben vom 19. November 2007 sowie die ständig üble Nachrede, die seitens der [Klägerin ...] betrieben wird. [...]"
In einer Anzeige eines ehemaligen Vorstandsmitglieds der Klägerin an die Staatsanwaltschaft Wien vom 30. 8. 2007 wurde dem Geschäftsführer der Klägerin ua Untreue durch Privatflüge auf Kosten der Klägerin vorgeworfen. Der Zweitbeklagte übermittelte der genannten Behörde eine mit 16. 10. 2007 datierte Sachverhaltsmitteilung, in der dem Geschäftsführer der Klägerin ua Betrug durch unberechtigten Bezug von Investitionszuwachsprämien vorgeworfen wurde. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt leitete Vorerhebungen gegen den Geschäftsführer der Klägerin ein; dieses Verfahren wurde gemäß § 190 Z 2 StPO mangels Grunds zur weiteren Strafverfolgung eingestellt (Benachrichtigung am 22. 1. 2008).
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragte die Klägerin, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils die Äußerung
a) seitens der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt bzw der Wirtschaftspolizei Niederösterreich werde derzeit gegen [Geschäftsführer der Klägerin] ermittelt oder ähnliche Äußerungen,
b) [Geschäftsführer der Klägerin] habe die Steuerbehörde durch Täuschung über gewerbliche Tätigkeiten zur Auszahlung einer nicht berechtigten Investitionsablöse [gemeint offenbar: Investitionsprämie] veranlasst oder ähnliche Äußerungen, sowie
c) [Geschäftsführer der Klägerin] habe die [Name eines Unternehmens] betrogen oder ähnliche Äußerungen,
in Hinkunft zu unterlassen sowie derartige Äußerungen oder ähnliche Äußerungen als Missstände im Unternehmen der Klägerin darzustellen in Hinkunft zu unterlassen; hilfsweise begehrte die Klägerin, die Beklagten zu verpflichten, das zuvor beschriebene Verhalten zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen.
Das Schreiben vom 22. 11. 2007 enthalte unwahre ehrenrührige und kreditschädigende Äußerungen iSd § 1330 ABGB sowie des § 7 UWG über die Klägerin und deren Geschäftsführer, die geeignet seien, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Inhabers zu schädigen und die Klägerin in ihrem wirtschaftlichen Ruf zu beeinträchtigen. Der Hinweis auf eine Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft bzw der Wirtschaftspolizei sei unvollständig, weil er den falschen Eindruck erwecke, dass die Behörden von sich aus ermittelten, obwohl Ermittlungstätigkeiten ausschließlich aufgrund einer Strafanzeige des Zweitbeklagten und einer dritten Person erfolgt seien; die Vorwürfe in der Anzeige seien aus der Luft gegriffen, was der Zweitbeklagte auch wisse. Die unrichtigen Tatsachenbehauptungen seien geeignet, den Wettbewerb der Erstbeklagten zu fördern; die Wettbewerbsabsicht sei offensichtlich. Der Zweitbeklagte habe sein Anzeigerecht mit der Anzeigeerstattung an die Staatsanwaltschaft verbraucht und dürfe den unrichtigen Sachverhalt nicht auch Behörden kundtun, die nicht zur Strafverfolgung berufen seien.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Sicherungsantrags. Die beanstandeten Äußerungen seien in ihrem Gesamtzusammenhang zu sehen: Die Klägerin habe den Zweitbeklagten vorzeitig aus seinem Vorstandsmandat abberufen und das Dienstverhältnis durch unbegründete Entlassung beendet, weshalb der Zweitbeklagte Schadenersatzansprüche geltend gemacht habe. In der Folge habe die Klägerin zahlreiche Gerichtsverfahren gegen den Zweitbeklagten und weitere ausgeschiedene Mitarbeiter angestrengt und Sachverhaltsmitteilungen an die Staatsanwaltschaft erstattet. Mit Schreiben vom 20. 7. 2007 habe die Klägerin gegenüber dem Verkehrsministerium massive Vorwürfe gegen die Beklagten erhoben, offenbar zu dem Zweck, die Ausstellung einer Genehmigung für die Erstbeklagte zur Ausübung des gewerblichen Flugbetriebs zu verhindern. Dieses Schreiben der Klägerin, das ebenfalls mit einem Hinweis auf ein nur über Anzeige der Klägerin gegen den Zweitbeklagten eingeleitetes Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt schließe, sei der Erstbeklagten vom Verkehrsministerium zur Stellungnahme übermittelt worden. Das von der Klägerin beanstandete gegenständliche Schreiben sei unmittelbare Folge dieser Aufforderung zur Stellungnahme. Das Verkehrsministerium sei für den Vollzug des Luftfahrtgesetzes zuständig und damit jene Behörde, die Ansprechpartner betreffend die Vermutung von Missständen bei Luftfahrtunternehmen sei. Voraussetzung für die Erteilung und Aufrechterhaltung der Betriebsgenehmigung von Luftfahrtunternehmen sei auch die finanzielle Leistungsfähigkeit der betreffenden Unternehmen. Der unberechtigte Erhalt von Prämien in erheblicher Höhe sei infolge des damit verbundenen Rückforderungsanspruchs eine finanzielle Belastung, die einen Einfluss auf die Überprüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit haben könne. Gleiches gelte für die von der Luftfahrtbehörde vorzunehmende Überprüfung der Verlässlichkeit des Inhabers des Zivilluftscheins. Die beanstandeten Äußerungen seien nicht bewusst wahrheitswidrig erfolgt, sondern zumindest im Zeitpunkt der Äußerung richtig gewesen. Im November 2007 sei tatsächlich ein Strafverfahren gegen den Geschäftsführer der Klägerin wegen Vortäuschung einer gewerblichen Tätigkeit bestimmter Gesellschaften gegenüber den Steuerbehörden und wegen Betrugs an einem dritten Unternehmen anhängig gewesen; gleiches gelte für ein Finanzverfahren im Zusammenhang mit der Gewährung von Investitionszuwachsprämien. Die Äußerungen seien daher vom Anzeigerecht gedeckt, zumal sie gegenüber einer Behörde erfolgt seien, die zur Verschwiegenheit und zur gewissenhaften Überprüfung der Angaben verpflichtet sei. Von einer „Konsumation" des Anzeigerechts könne keine Rede sein; eine Sachverhaltsdarstellung verfolge andere Ziele als eine Mitteilung an die oberste Zivilluftfahrtbehörde. Das Schreiben an das Verkehrsministerium sei im Hinblick auf die Amtsverschwiegenheit (§ 20 Abs 2 B-VG) vertraulich gewesen, der Empfänger habe daran ein berechtigtes Interesse gehabt. Die Äußerungen seien daher nach § 7 Abs 2 UWG gerechtfertigt, zumal die Klägerin den Beweis der Unrichtigkeit nicht erbracht habe. Behauptungen in einem behördlichen Verfahren dienten der Interessenswahrung und dürften nicht durch die Befürchtung beeinträchtigt werden, mit Unterlassungs- oder Widerrufsklagen belangt zu werden. Die beanstandeten Behauptungen seien belegt gewesen; es handle sich um nicht öffentliche Aussagen (§ 1330 Abs 2 ABGB).
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag im Umfang der zu a) näher beschriebenen Äußerung statt und wies das Mehrbegehren ab. Die Behauptungen seien zur abstrakten Betriebs- oder Kreditgefährdung geeignet. Den Wahrheitsbeweis für die Behauptungen habe die Beklagte zu erbringen, was ihr hinsichtlich des Umstands, dass im Zeitpunkt des Schreibens Vorerhebungen gegen den Geschäftsführer der Klägerin geführt wurden, auch gelungen sei. Hinsichtlich aller Äußerungen sei der Rechtfertigungsgrund des § 7 Abs 2 UWG erfüllt; das Verkehrsministerium als Empfänger des Schreibens sei zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet. Den sie treffenden Nachweis, dass die Aussagen der Beklagten bewusst wahrheitswidrig erfolgt seien, habe die Klägerin nicht erbracht. Die Äußerung der Beklagten über die Vortäuschung gewerblicher Tätigkeiten, um Investitionsprämien zu erhalten, sei auch kreditschädigend und ehrenbeleidigend iSd § 1330 ABGB. Die Beklagten hätte daher die Richtigkeit dieser Aussage beweisen müssen, was ihnen nicht gelungen sei.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es folgende einstweilige Verfügung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens über die geltend gemachten Unterlassungsansprüche erließ:
„Zur Sicherung der mit Klage geltend gemachten Unterlassungsansprüche wird den Beklagten aufgetragen, ab sofort folgende oder ähnliche Äußerungen, insbesondere im Zusammenhang mit einer Darstellung von Missständen im Unternehmen der Klägerin, zu unterlassen, wonach
a) seitens der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt bzw der Wirtschaftspolizei Niederösterreich gegen [Geschäftsführer der Klägerin] ermittelt wird, sofern nicht gleichzeitig darauf hingewiesen wird, dass diese Ermittlungen nur auf einer vom Zweitbeklagten im Namen der Erstbeklagten verfassten Sachverhaltsdarstellung beruhen;
b) [Geschäftsführer der Klägerin] den Steuerbehörden gewerbliche Tätigkeiten von *****-Gesellschaften vorgetäuscht hat, um Investitionsprämien zu erhalten;
c) [Geschäftsführer der Klägerin] vorgeworfen wurde, das Unternehmen [...] betrogen zu haben, sofern nicht gleichzeitig darauf hingewiesen wird, dass dieser Vorwurf nur vom Zweitbeklagten im Namen der Erstbeklagten erhoben wurde." Das Rekursgericht wies das Mehrbegehren ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Die Äußerung, gegen eine bestimmte Person seien Ermittlungen wegen Betrugs anhängig, sei geeignet, den Eindruck zu erwecken, die Strafverfolgungsbehörden seien entweder von sich aus oder über Betreiben eines möglichen Betrugsopfers tätig geworden. Insbesondere könne der unrichtige Eindruck entstehen, die Steuerbehörden oder der in der Äußerung genannte Geschäftspartner der Klägerin hätten einen Betrugsverdacht geäußert und fühlten sich durch ein strafrechtlich überprüfenswertes Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin geschädigt. Eine Information darüber, dass die Staatsanwaltschaft damit nur einer Sachverhaltsdarstellung des die Äußerung abgebenden, von ehemaligen Managern der Klägerin geführten Konkurrenzunternehmens nachgehe, lasse den Betrugsverdacht für den Empfänger hingegen in einem ganz anderen Licht, nämlich als Produkt ausufernder Auseinandersetzungen zwischen Konkurrenten bzw zwischen der Klägerin und ihren ehemaligen Managern, erscheinen. Die Tatsachenbehauptung sei daher ohne die Klarstellung, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nur auf einer eigenen Sachverhaltsdarstellung der Beklagten beruhten, irreführend unvollständig und als unrichtige bzw unwahre Tatsachenbehauptung iSd § 7 Abs 1 UWG und § 1330 Abs 2 ABGB zu beurteilen. Gleiches gelte für die im Zusammenhang mit der Äußerung über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft aufgestellte Behauptung, dem Geschäftsführer der Klägerin sei vorgeworfen worden, ein drittes Unternehmen betrogen zu haben. Auch dies erwecke beim Adressaten der Äußerung den unrichtigen Eindruck, die Staatsanwaltschaft oder das behauptete Betrugsopfer hätten einen solchen Vorwurf erhoben. Dass dieser Eindruck zutreffe, werde von den Beklagten nicht behauptet. Auch in diesem Punkt bewirke die fehlende Klarstellung, dass nur die Beklagten selbst einen derartigen Vorwurf erhoben hätten, einen unrichtigen Eindruck. Die Behauptung betreffend die Täuschung der Steuerbehörden über eine gewerbliche Tätigkeit von bestimmten Gesellschaften zum Erhalt von Investitionsprämien erwecke den Eindruck, als handle es sich dabei nicht bloß um einen Verdacht, sondern um einen schon feststehenden oder im Rahmen der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft schon objektivierten Sachverhalt. Da die Beklagte den Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung schuldig geblieben sei, sei auch damit der Tatbestand nach den genannten Bestimmungen erfüllt.
Auf die Rechtfertigungsgründe des § 7 Abs 2 UWG bzw § 1330 Abs 2 Satz 3 ABGB könnten sich die Beklagten nicht erfolgreich berufen, weil sie kein berechtigtes Interesse entweder des Mitteilenden oder des Empfängers an der Mitteilung schlüssig dargelegt hätten. Der Ausnahmetatbestand liege nicht vor, wenn ein rufschädigendes Schreiben an eine dafür nicht zuständige Behörde gerichtet werde. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Verkehrsministerium die zur Überprüfung der erhobenen Vorwürfe zuständige Behörde sein solle, gehe es doch darin um die Verfolgung von gerichtlich strafbaren Vermögensdelikten oder Verstößen gegen abgaben- und förderungsrechtliche Bestimmungen, nicht jedoch um den Vollzug des Luftfahrtgesetzes durch die oberste Luftfahrtbehörde. Eine allfällige Kompetenz zur „Abstellung von Missständen in Luftfahrtunternehmen" könne sich nur auf Missstände in luftfahrtrechtlicher Hinsicht beziehen, nicht aber auf die Abstellung von Delikten wie Betrug und Steuerhinterziehung. Weshalb die zur Aufrechterhaltung der Betriebsgenehmigung erforderliche finanzielle Leistungsfähigkeit der Klägerin durch den allenfalls unberechtigten Erhalt von Investitionsprämien beeinträchtigt sein solle, sei nicht nachvollziehbar. Auch eine Unverlässlichkeit der Klägerin iSd § 30 Abs 1 lit b Luftfahrtgesetz (LFG) sei aus den beanstandeten Vorwürfen der Beklagten nicht abzuleiten, zumal sich die „Verlässlichkeit" im Sinne dieser Bestimmung nach der Legaldefinition des § 32 LFG nur auf die Erwartung der Einhaltung der luftfahrtrechtlichen Vorschriften beziehe. Es bestehe kein berechtigtes Interesse der Beklagten oder ein öffentliches Interesse daran, eine Verdachtslage, die ohnehin schon den dafür zuständigen Strafverfolgungsbehörden mitgeteilt worden sei, vor einer dafür nicht zuständigen Behörde zu wiederholen. Das Unterlassungsbegehren sei in eine besser verständliche Fassung zu bringen und gegenüber dem zu weit gefassten Wortlaut des Sicherungsbegehrens einzuschränken gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die Frage, ob sich die Beklagten auf einen Rechtfertigungsgrund berufen können, unrichtig gelöst hat; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
1. Die Beklagten machen geltend, die beanstandeten Äußerungen seien vertraulich (§ 1330 Abs 2 ABGB, § 7 Abs 2 UWG) gegenüber einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Behörde erfolgt; die Adressatin habe als Luftfahrtbehörde an der Mitteilung ein öffentliches Interesse, weil sie die Einhaltung luftrechtlicher Vorschriften auch im Lichte strafrechtlicher Sachverhalte zu prüfen und die Zuverlässigkeit des Gewerbeinhabers iSd GewO auch am Maßstab des Verlässlichkeitsbegriffs der §§ 30, 32, 101 ff LFG zu beurteilen habe.
2.1. Der Anspruch nach § 1330 ABGB, § 7 UWG setzt voraus, dass die Tatsachenmitteilungen öffentlich verbreitet wurden. Die Vertraulichkeit einer Mitteilung kann ein Rechtfertigungsgrund iSd § 1330 Abs 2 dritter Satz ABGB, § 7 Abs 2 UWG sein. Eine vertrauliche Mitteilung nach den genannten Bestimmungen liegt dann vor, wenn sie sich an einen ganz bestimmten Personenkreis richtet, die vertrauliche Behandlung entweder ausdrücklich zur Pflicht gemacht wurde, sich aus den Umständen eindeutig ergibt oder nach den Regeln des Verkehrs besteht (RIS-Justiz RS0112016; RS0079767).
2.2. Als „nicht öffentliche Mitteilungen" sind nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs etwa Anzeigen (Eingaben) an die zuständige Standesbehörde, wenn für deren Mitglieder eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht besteht (3 Ob 18/50 = SZ 23/4), eine Mitteilung an eine Berufsvertretung über ein Mitglied dieser Vertretung (3 Ob 18/50 = SZ 23/4; 6 Ob 2235/96m), Mitteilungen an die Vollversammlung der Arbeiterkammer im Hinblick auf deren Kontrollfunktion (6 Ob 260/07i), ein Schreiben an den Vereinsvorstand, der nach den Statuten für die Beantragung eines Ausschließungsantrags zuständig war (4 Ob 259/05z) oder ganz allgemein Mitteilungen gegenüber einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Behörde (4 Ob 187/99z; 6 Ob 96/02i mwN) anzusehen. In letzterem Fall muss die Behörde allerdings sachlich zuständig sein, weil nur bei Bejahung der Zuständigkeit des Empfängers (der Verwaltungsbehörde) zur Nachprüfung der Angaben das im § 1330 Abs 2 letzter Satz ABGB angeführte berechtigte Empfangsinteresse vorliegen kann (6 Ob 2235/96m = RIS-Justiz RS0107664; 4 Ob 187/99z; 6 Ob 239/02v; 6 Ob 96/02i).
3.1. Folgt man diesen Grundsätzen, hat das Rekursgericht zu Unrecht ein berechtigtes Interesse des der Amtsverschwiegenheit (Art 20 Abs 3 B-VG) unterliegenden Verkehrsministeriums an der von den Beklagten dieser Behörde übermittelten Mitteilung und damit das Vorliegen des Rechtfertigungsgrunds verneint.
3.2. Mit der Vollziehung des LFG ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, für den Bereich der Zivilluftfahrt der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betraut (§ 175 Abs 1 LFG). § 30 Abs 1 lit b LFG bestimmt, dass ein Zivilluftfahrerschein zu erteilen ist, wenn der Bewerber verlässlich ist. Solches ist dann der Fall, wenn aufgrund seines bisherigen Verhaltens anzunehmen ist, dass er den aus dem LFG sich ergebenden Verpflichtungen nachkommen wird (§ 32 LFG). Aufgrund dieser Gesetzeslage ist es nicht zweifelhaft, dass das Verkehrsministerium als für die Zivilluftfahrt zuständige Behörde ein berechtigtes Interesse daran hat, von Sachverhalten Kenntnis zu erlangen, die die Zuverlässigkeit von im Flugbetrieb eingesetzten Personen in Frage stellen.
3.3. Die im Anlassfall beanstandeten Äußerungen der Beklagten im Schreiben an die sachlich zuständige Behörde betreffen inhaltlich den Vorwurf betrügerischen Handelns eines für die Klägerin auch als Pilot tätigen Mitarbeiters und berühren damit naturgemäß Fragen der Verlässlichkeit der betreffenden Person. Sie sind damit als nicht öffentliche Mitteilung zu beurteilen, an denen die Verwaltungsbehörde ein berechtigtes Empfangsinteresse besitzt. Dabei kann es - entgegen der Auffassung der Klägerin - keine Rolle spielen, dass der Aufsichtsbehörde nur eine Verdachtslage mitgeteilt wurde, weil die Einleitung eines verwaltungsrechtlichen Überprüfungsverfahrens im öffentlichen Interesse auch ohne rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung geboten sein kann. Unerheblich für das Vorliegen des Rechtfertigungsgrunds nach § 1330 Abs 2 letzter Satz ABGB, § 7 Abs 2 UWG ist auch, ob vom Mitteilenden inhaltsgleiche Vorwürfe schon zuvor gegenüber der Strafverfolgungsbehörde erhoben worden sind: Eine - der Klägerin vor Augen stehende - „Konsumation" des Anzeigerechts der Beklagten ist schon aufgrund der unterschiedlichen Aufgaben der jeweils befassten Behörden (Strafverfolgung straffällig gewordener Personen bzw staatliche Aufsicht über die Zivilluftfahrt) ausgeschlossen.
3.4. Die Bescheinigung von Umständen, aus denen auf wider besseres Wissen - also bewusst wahrheitswidrig - erhobene Anschuldigungen der Beklagten geschlossen werden könnte, ist der Klägerin nicht gelungen. Dies gilt auch im Zusammenhang mit dem Vorwurf eines Finanzstrafdelikts; wie sich aus der Sachverhaltsmitteilung Beil ./6 ergibt, lassen die nach den Behauptungen verletzten steuerrechtlichen Bestimmungen durchaus unterschiedliche Auslegungen zu, weshalb der erhobene Vorwurf nicht von vornherein als bewusst unrichtig beurteilt werden kann. Von einer - nach Auffassung der Klägerin - „konstruierten Verdachtslage" kann schon deshalb keine Rede sein, weil die Mitteilungen immerhin Anlass geboten haben, Vorerhebungen gegen den Geschäftsführer der Klägerin einzuleiten.
4. Die von den Klägern als herabsetzend qualifizierten Behauptungen der Beklagten erweisen sich somit - ohne dass sie einer näheren inhaltlichen Prüfung auf ihre Tatbildlichkeit iSd § 1330 ABGB, § 7 UWG zu unterziehen wären - als gerechtfertigt. Dem auf Erlassung eines einstweiligen Unterlassungsgebots gerichteten Sicherungsbegehren ist damit ein Erfolg zu versagen.
5. Die von den Revisionsrekurswerbern dem Rekursgericht vorgeworfene Nichtigkeit liegt nicht vor. Gleiches gilt für die behauptete Aktenwidrigkeit (§§ 510 Abs 3, 528a ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm § 41 Abs 1 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO. Im Sicherungsverfahren beträgt die Bemessungsgrundlage 25.000 EUR; für Schriftsätze steht der einfache Einheitssatz zu. Die Bemessungsgrundlage im Rekursverfahren war mangels anderer Bewertung durch die Klägerin den drei streitverfangenen Äußerungen zu gleichen Teilen zuzuordnen.
Schlagworte
Bedarfsflugunternehmen,Textnummer
E91521European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0040OB00050.09W.0714.000Im RIS seit
13.08.2009Zuletzt aktualisiert am
28.10.2010