Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juli 2009 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schneider als Schriftführer, in der Strafsache gegen Petra S***** und einen anderen wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 StGB, AZ 31 HR 122/09z des Landesgerichts Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde des Walter S***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 5. Juni 2009, AZ 7 Bs 315/09w (ON 96 der HR-Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Walter S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck führt zur Zahl 19 St 17/09k ein umfangreiches Ermittlungsverfahren gegen das Ehepaar Petra und Walter S***** wegen Betrugshandlungen zum Nachteil von Banken und einer Leasinggesellschaft mit einem möglichen Schaden von mehr als 6.700.000 Euro.
Die über Walter S***** am 17. Februar 2009 verhängte und bereits mehrfach im Instanzenzug verlängerte Untersuchungshaft wurde mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 15. Mai 2009 gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO fortgesetzt (ON 79).
Dagegen erhob Walter S***** Beschwerde, der das Oberlandesgericht Innsbruck mit dem angefochtenen Beschluss nicht Folge gab und die Fortdauer der freiheitsbeschränkenden Provisorialmaßnahme aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und lit b StPO bis längstens 5. August 2009 anordnete.
Die Grundrechtsbeschwerde bekämpft sowohl die Annahme des dringenden Tatverdachts wie auch das Vorliegen des Haftgrunds, behauptet Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft und strebt die Anwendung gelinderer Mittel an.
Nach der vom Oberlandesgericht Innsbruck durch Verweis auf den Beschluss des Ermittlungsrichters zum Gegenstand seiner eigenen Überzeugung gemachten Sachverhaltsgrundlage des dringenden Tatverdachts (ON 96 S 22 bis 27 iVm S 2 bis 15; zum Erfordernis eigener Sachverhaltsannahmen des Beschwerdegerichts in einem Haftfortsetzungsbeschluss Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 182 [aF] Rz 10, zum Verweisen 15 Os 137/08y mwN, 13 Os 119/08m, 15 Os 79/08v) und dessen rechtlicher Beurteilung ist Walter S***** dringend verdächtig, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Petra S***** mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet zu haben, die diese am Vermögen schädigten, wobei falsche oder verfälschte Urkunden verwendet und ein Schaden über 50.000 Euro herbeigeführt wurden. Insbesondere sei der kreditgewährenden V***** AG bei Ankauf einer Liegenschaft im November 2005 samt darauf befindlichem Gebäude ein weit höherer Wert derselben vorgetäuscht und so Darlehen in Höhe von 3.500.000 Euro sowie ein weiterer Kredit über 225.000 Euro von der H***** AG erschlichen worden.
Rechtliche Beurteilung
Grundrechtsbeschwerden haben sich bezüglich der Anfechtung der Begründung des dringenden Tatverdachts, was die Sachverhaltsannahmen betrifft, vom argumentativen Aufbau her an den Nichtigkeitsgründen des § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO zu orientieren (Fabrizy, StPO10, GRBG § 10 Rz 1; RIS-Justiz RS0110146, RS0112012, RS0120817, RS0114488). Der Oberste Gerichtshof ist nicht dazu aufgerufen, als weitere Haftbeschwerdeinstanz eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der angefochtenen Entscheidung zu setzen.
Die vorliegende Grundrechtsbeschwerde vermag weder Begründungsmängel aufzuzeigen, die der angefochtenen Entscheidung anhaften sollen (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO), noch Aktenbestandteile zu benennen, die erhebliche Bedenken an jenen Tatsachen, die dem dringenden Verdacht zugrundeliegen (§ 281 Abs 1 Z 5a StPO), beim Obersten Gerichtshof erwecken sollen.
Vielmehr ergeht sie sich in umfangreichen, überwiegend auf eigene Ansichten gestützten - weitgehend bereits im Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht angestellten - Erwägungen zur Beweislage. Entgegen etwa der neuerlich vorgebrachten Beteuerung des höheren Werts der Liegenschaften in W***** und K***** hat sich das Oberlandesgericht gerade mit den diese betreffenden Schätzungen ebenso ausführlich auseinandergesetzt wie mit den eklatanten Divergenzen hinsichtlich der Bonität und Einnahmensituation des Beschuldigten sowie mit dem unbestrittenen Verdacht der Verwendung eines gefälschten Verkehrswertgutachtens (ON 96 S 24 bis 27). Zufolge umfangmäßig zureichender Hafttauglichkeit des bisher dargelegten dringenden Tatverdachts erübrigt sich eine Stellungnahme zu den Verdachtsmomenten bezüglich An- und Verkauf von Jachten und Kraftfahrzeugen.
Im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens überprüft der Oberste Gerichtshof die rechtliche Annahme der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren darauf, ob sich diese angesichts der zu Grunde gelegten bestimmten Tatsachen als willkürlich, mit anderen Worten nicht oder nur offenbar unzureichend begründet darstellt. Dabei kann die in der Begründung des Haftbeschlusses zum Ausdruck kommende sachverhaltsmäßige Bejahung oder Verneinung bloß einzelner von mehreren erheblichen Umständen, die erst in der Gesamtschau mit anderen die Prognoseentscheidung tragen, nicht in Frage gestellt werden, es sei denn, eine als willkürlich kritisierte bestimmte Tatsache bildete erkennbar eine notwendige Bedingung für die Prognose (RIS-Justiz RS0117806).
Die vom Oberlandesgericht zur Begründung ins Treffen geführten bestimmten Tatsachen (ON 96 S 27) des dringenden Verdachts der lang andauernden, erheblichen Vermögensdelinquenz in Verbindung mit der prekären finanziellen Situation des Beschuldigten sowie die sogar nach Konkurseröffnung trotz Verfügungsverbots durch den Masseverwalter von Walter S***** durchgeführten finanziellen Transaktionen lassen einen logisch und empirisch einwandfreien Schluss auf das Vorliegen der Tatbegehungsgefahr zu. Die Grundrechtsbeschwerde vermag mit dem Hinweis auf die Unbescholtenheit des Beschuldigten und seine durch das Konkursverfahren bewirkte „Handlungsunfähigkeit" keine Willkür der bekämpften Prognoseentscheidung aufzuzeigen (vgl 14 Os 168/99). Von einer Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft zum Zeitpunkt der bislang letzten Entscheidung des Oberlandesgerichts kann angesichts des zur Verfügung stehenden Sanktionsrahmens von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe trotz des dazu ins Treffen geführten Alters des Beschwerdeführers und mit Blick auf die Bedeutung der Sache keine Rede sein. Die qualifizierte Verdachtslage in Richtung langandauernder, mehrfaktiger Vermögensdelinquenz mit in die Millionen Euro reichendem möglichen Schaden veranlasste das Oberlandesgericht auch zu Recht, von mangelnder Substituierbarkeit der Haft durch gelindere Mittel auszugehen (ON 96 S 28). Die keine Verletzung des verfassungsmäßig geschützten Rechts auf persönliche Freiheit aufzeigende Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
Anmerkung
E9143411Os113.09sEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0110OS00113.09S.0717.000Zuletzt aktualisiert am
09.09.2009