TE OGH 2009/7/20 9Nc12/09b (9Nc13/09z)

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Veröffentlicht am 20.07.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil als weitere Richter in der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz zur AZ 27 Cg 200/09m anhängigen Rechtssache der klagenden Partei W***** mbH, *****, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagten Parteien 1) Univ.-Prof. Dr. Rudolf B*****, Facharzt, *****, vertreten durch Brunner Kohlbacher Stummvoll Advokatur GmbH, 2) Mag. Christian P*****, Rechtsanwalt, *****, vertreten durch Maga. Gabriela Müntzer, Rechtsanwältin in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 50.000 EUR), über die von der erstbeklagten Partei gestellten Anträge auf Ablehnung aller Richter des Oberlandesgerichts Graz sowie auf Delegierung der Rechtssache „in den Sprengel des OLG Wien" den Beschluss

gefasst:

Spruch

1.

Der Ablehnungsantrag wird zurückgewiesen.

2.

Der Delegierungsantrag wird abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Zum Ablehnungsantrag:

In seiner Klagebeantwortung erklärte der Erstbeklagte, sämtliche Richter des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz und des Oberlandesgerichts Graz „wegen Zweifel am Anschein ihrer Unbefangenheit" abzulehnen. In der Begründung dieser Ablehnung verwies er auf früher gestellte Ablehnungsanträge und auf verschiedene Vorfälle in früheren Verfahren, aus denen die Befangenheit verschiedener namentlich genannter Richter unterschiedlicher Gerichte abzuleiten sei. Richter des Oberlandesgerichts Graz sind von dieser Darstellung allerdings nicht betroffen. Deren pauschale Ablehnung wird mit den „angeführten Gründen" (Anm: die keinen Richter des Oberlandesgerichts betreffen) „und deren Konnexität" begründet.

Das Oberlandesgericht Graz zeigte nunmehr seine Behinderung zur Entscheidung über den gegen sämtliche Richter des Oberlandesgerichts gerichteten Ablehnungsantrag unter Hinweis auf § 30 JN an. Gemäß § 23 JN entscheidet über die Ablehnung, falls ein Gerichtshof beschlussunfähig werden sollte, der zunächst übergeordnete Gerichtshof. Das Oberlandesgericht Graz wurde durch die Ablehnung sämtlicher Richter dieses Gerichtshofs beschlussunfähig. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Ablehnung pauschal erfolgte. Zur Entscheidung ist daher der Oberste Gerichtshof berufen (vgl 1 Ob 299/97w; 1 Nc 17/08b, 1 Nc 18/08c).

Der Ablehnungsantrag ist jedoch unzulässig.

Nach gesicherter Lehre und Rechtsprechung ist die Ablehnung eines ganzen Gerichts nur durch die Ablehnung eines jeden einzelnen seiner Richter unter Angabe detaillierter (konkreter) Ablehnungsgründe gegen jeden dieser Richter möglich (1 Ob 299/97w uva; zuletzt etwa 1 Nc 17/08b, 1 Nc 18/08c). Hier begründet der Ablehnungswerber die von ihm erklärte Pauschalablehnung ausschließlich mit Vorwürfen gegen Richter anderer Gerichte und mit „deren Konnexität", worunter wohl - soweit man dieser Formulierung überhaupt einen nachvollziehbaren Sinn beimessen will - die Behauptung eines kollegialen Naheverhältnisses zwischen den pauschal abgelehnten Richtern des Oberlandesgerichts Graz und jenen Richtern anderer Gerichte zu verstehen ist, die von den im Ablehnungsantrag erhobenen Vorwürfen betroffen sind. Das Bestehen eines kollegialen Verhältnisses der Richter des zur Entscheidung berufenen Gerichtshofs zu einem abgelehnten Richterkollegen vermag aber für sich allein die Befangenheit der Richter des Gerichtshofs nicht zu begründen. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Gesetzgeber selbst in § 23 JN die Entscheidungspflicht des Gerichtshofs, welchem der abgelehnte Richter angehört, normiert und damit das Vorliegen eines kollegialen Verhältnisses nicht als entscheidungshindernd ansieht (8 N 15/99; RIS-Justiz RS0108696).

Zum Delegierungsantrag:

Der Antragsteller, der seinen Delegierungsantrag auf die Befangenheit aller Richter des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz stützt und ihn über das Vorbringen zum bereits erörterten Ablehnungsantrag hinaus nicht weiter begründet, strebt im Ergebnis eine notwendige Delegation gemäß § 30 JN an. Für eine solche Delegation liegen aber die notwendigen Voraussetzungen nicht vor. Über Befangenheiten von Richtern und ihre Ablehnung ist allein auf dem in § 23 JN vorgeschriebenen Weg zu entscheiden. Erst nach erfolgreicher Ablehnung aller Richter des Oberlandesgerichts Graz hätte der Oberste Gerichtshof über eine Delegierung an ein außerhalb des Oberlandesgerichtssprengels Graz gelegenes Gericht zu entscheiden. Zudem kann ein Antrag auf Delegierung mit Aussicht auf Erfolg nicht auf Ablehnungsgründe gestützt werden (7 Nc 16/05w; RIS-Justiz RS0073042; Ballon in Fasching² I § 31 JN Rz 8). Dies gilt gleichermaßen für die Delegation nach § 31 JN (6 Nd 2/01; 1 Nc 17/08b, 1 Nc 18/08c). Der Delegierungsantrag ist daher abzuweisen.

Anmerkung

E914169Nc12.09b

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0090NC00012.09B.0720.000

Zuletzt aktualisiert am

31.08.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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