Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Andrea Eisler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Christine M*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Walter Eisl, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Invaliditätspension, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Jänner 2009, GZ 7 Rs 174/08x-52, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. April 2008, GZ 8 Cgs 291/05y-49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wie folgt zu lauten hat:
„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß über den 31. 7. 2005 hinaus weiter zu gewähren, besteht dem Grunde nach für den Zeitraum vom 1. 8. 2005 bis 31. 7. 2009 zu Recht.
Der beklagten Partei wird aufgetragen, der Klägerin vom 1. 8. 2005 bis 31. 7. 2009 bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheids eine vorläufige Zahlung von 500 EUR monatlich zu erbringen, und zwar die bis zur Zustellung dieses Urteils fälligen vorläufigen Zahlungen binnen 14 Tagen, die weiteren jeweils monatlich im Nachhinein am Ersten des Folgemonats.
Das Mehrbegehren, die Invaliditätspension über den 31. 7. 2009 hinaus unbefristet weiter zu gewähren, wird abgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 998,20 EUR (darin enthalten 166,36 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der Klägerin die mit 913,48 EUR (darin enthalten 152,24 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid der Beklagten vom 27. 6. 2005 wurde der Antrag der Klägerin vom 10. 3. 2005 auf Weitergewährung der mit 31. 7. 2005 befristeten Invaliditätspension abgelehnt.
Das Erstgericht wies auch im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß über den 31. 7. 2005 hinaus weiter zu gewähren und eine vorläufige Leistung in Höhe der bisherigen Leistung monatlich zu zahlen, ab. Es traf im Wesentlichen folgende Feststellungen:
Die am 24. 3. 1950 geborene Klägerin besuchte vom 21. 9. 1992 bis 8. 7. 1994 die Fachschule für Altendienste und Pflegehilfe für Berufstätige der Caritas der Diözese Linz. Im Rahmen der Ausbildung zur Altenfachbetreuerin absolvierte sie die Ausbildung zur Pflegehelferin mit Erfolg. Die Ausbildung der Klägerin umfasste sowohl theoretische als auch praktische Ausbildungsschritte. Im Rahmen der theoretischen Ausbildung zur Pflegehelferin waren folgende Gegenstände mit nachstehender Gesamtstundenanzahl zu absolvieren: Grundzüge des Sanitäts-, Arbeits-, Sozialversicherungsrechts und Sozialfürsorgewesens (25), Grundlagen zu den Methoden der Sozialarbeit (20), Betriebsführung, Organisation und Zusammenarbeit im Team (10), effiziente Gestaltung des Arbeitsablaufs, der Arbeitseinteilung und des Arbeitsplatzes (10), Einführung in die Psychologie (20), Berufskunde und Ethik (20), Berufe und Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen (50), Grundzüge der Somatologie und Krankheitslehre sowie medizinische Terminologie (60), Umgang mit Arzneimitteln (20), Erste Hilfe, Strahlenkunde, Katastrophen- und Zivilschutz (20), Gesundheitsbildung, Vorsorge und Sozialhygiene (15), Grundzüge der Hygiene und Infektionslehre, Entwesung, Sterilisation und Umwelthygiene (40), Grundzüge der Krankenbetreuung einschließlich der einfachen Gerätekunde und Verbandslehre (150), Maniküre und Pediküre (10), Grundzüge der Ernährungslehre und Diätkunde (25), Haushaltsführung, Sicherheit im Haushalt, Unfallverhütung (20), Grundzüge der Rehabilitation, Mobilisation und physikalische Therapie (35), Animation und Motivation zur Freizeitgestaltung (15), Kommunikationstraining und Konfliktbewältigung (150) sowie Praxisreflexion und Supervision (25). Die theoretische Ausbildung der Klägerin zur Pflegehelferin umfasste daher insgesamt 800 Stunden, wobei sie zur Erlangung der Berufsberechtigung als Pflegehelferin sieben Einzelprüfungen über insgesamt 170 Unterrichtsstunden und fünf kommissionelle Abschlussprüfungen über 350 Unterrichtsstunden abzulegen hatte. Weiters umfasste die Ausbildung der Klägerin zur Pflegehelferin eine praktische Ausbildung (mit Beurteilung) im Ausmaß von insgesamt 800 Stunden im stationären Akut- und Langzeitbereich sowie in der Hauskrankenpflege. Die von der Klägerin absolvierte Pflegehelferausbildung umfasste daher insgesamt 1600 Stunden an theoretischer und praktischer Ausbildung.
Für die Ausbildung zur Altenfachbetreuerin absolvierte die Klägerin darüber hinaus in den bereits angegebenen Gegenständen sowie in den weiteren Gegenständen Religion und Deutsch insgesamt weitere 208 Stunden theoretische Ausbildung sowie eine weitere praktische Ausbildung im Ausmaß von 400 Stunden. Die Ausbildung der Klägerin zur Altenfachbetreuerin umfasste daher insgesamt 2.208 Stunden theoretische und praktische Ausbildung. Zusätzliche Prüfungen über die Ausbildung zur Altenfachbetreuerin musste die Klägerin nicht ablegen.
Die Klägerin beherrscht folgende Tätigkeiten, die sie auch laufend durchführen musste:
- Grundtechniken der Pflege insbesondere bei bettlägerigen Menschen, wie die Körperpflege im Bett, Duschbad, Vollbad mit Krankenbeobachtung
- Mithilfe beim Anlegen von Verbänden; kurzfristiges Verbinden von Dekubituswunden
- Versorgen von Hautirritationen
- Mobilisation, Transfer aus dem Bett in den Rollstuhl und umgekehrt, Begleitung zur Toilette
- Unterstützung bei der Essenseinnahme
- Anlegen von Inkontinenzprodukten, Hautpflege und Beobachten der Ausscheidungen, Intimpflege
- Unterstützung bei der Medikamenteneinnahme (ohne Dispensieren)
- Zuteilung zur Seniorenbetreuerin
- Mitwirkung bei den Tätigkeiten der Seniorenbetreuerin
- Transfers, Lagerungen
- Verabreichen von Insulin (nach Absolvierung eines entsprechenden Kurses).
Die Klägerin war in den letzten 15 Kalenderjahren vor dem Stichtag 133 Beitragsmonate als Altenfachbetreuerin und Pflegehelferin tätig. Weiters stellten die Vorinstanzen fest, dass die Klägerin die Qualifikation als Altenfachbetreuerin nicht habe, weil ihr hier die fachliche Kompetenz mangels entsprechender praktischer Ausbildung fehle, sie auch von ihren Dienstgebern fast ausschließlich im Tätigkeitsbereich Pflegehilfe eingesetzt worden sei und sie daher in der eigenverantwortlichen Tätigkeit als Seniorenbetreuerin (Altenfachbetreuerin) keine Praxis aufweise.
Die Klägerin kann aufgrund ihres näher festgestellten medizinischen Leistungskalküls eine Tätigkeit als Pflegehelferin (und Altenfachbetreuerin) wegen der eingeschränkten Hebeleistungen sowie des Ausschlusses von Arbeiten im Knien und Hocken nicht mehr verrichten. Am allgemeinen Arbeitsmarkt wäre die Klägerin beispielsweise noch auf die Tätigkeiten einer Kassenkraft in Selbstbedienungstankstellen oder Bürohilfskraft verweisbar. Derartige Tätigkeiten sind am allgemeinen Arbeitsmarkt in ausreichender Anzahl vorhanden und für die Klägerin im Rahmen des Tagespendelns erreichbar.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Klägerin komme kein Tätigkeitsschutz im Sinn des § 255 Abs 4 ASVG zu, weil sie in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag keine gleichartige Tätigkeit durch mindestens 120 Kalendermonate hindurch ausgeübt habe. Die Klägerin genieße auch keinen Berufsschutz im Sinn des § 255 Abs 1 und 2 ASVG. Sie sei nicht als Altenfachbetreuerin nach den maßgebenden Bestimmungen des OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes und der Altenbetreuungs-Anerkennungsverordnung anzusehen, weil ihre praktische Qualifikation nicht den Ausbildungsvorschriften entspreche. Ihre Ausbildung und ihre Fähigkeiten seien der Ausbildung und den Fähigkeiten eines Absolventen eines Lehrberufs nicht gleichwertig. Die Klägerin sei daher auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar und damit nicht invalide im Sinn des § 255 Abs 3 ASVG.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Für die Beurteilung eines Berufsschutzes der Klägerin nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG seien die Ausbildungsvorschriften des bis 30. 6. 2002 in Geltung gestandenen OÖ Altenbetreuungs- Ausbildungsgesetzes (LGBl 1992/59) und der OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsverordnung (LBGl 1993/34) maßgebend. Auch wenn man die grundsätzliche Ausbildungsdauer für den Beruf Pflegehelferin (1.600 Stunden theoretische und praktische Ausbildung) berücksichtige, gelange man zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Beruf der Pflegehelferin um keinen erlernten oder angelernten Beruf im Sinn des § 255 Abs 1 und 2 ASVG handle. Auch eine Zusatzausbildung einer Pflegehelferin zur Altenfachbetreuerin im Ausmaß von 208 Stunden an theoretischer und 400 Stunden an praktischer Ausbildung rechtfertige keine andere Beurteilung. Mit einer insgesamt nur knapp 22 Monate dauernden theoretischen und praktischen Ausbildung im Gesamtausmaß von 2.208 Stunden könne ein einem Lehrberuf vergleichbares Ausbildungsniveau nicht erreicht werden. Selbst wenn man daher davon ausgehe, dass die Klägerin aufgrund ihrer Ausbildung befähigt gewesen sei, die Tätigkeit einer Altenfachbetreuerin im Sinn der Bestimmungen des OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes auszuüben, sei durch diese Tätigkeit kein Berufsschutz nach § 255 Abs 1 ASVG begründet worden.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung nicht zulässig sei.
Gegen die Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in vergleichbaren Fällen abgewichen ist, und im Ergebnis auch teilweise berechtigt.
Die Klägerin macht zusammengefasst geltend, sie habe eine zweijährige Fachausbildung zur Altenfachbetreuerin nach den damals geltenden Ausbildungsvorschriften erfolgreich abgeschlossen und genieße daher Berufsschutz nach § 255 Abs 1 ASVG. In diesem Sinn habe auch der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 66/07i ausgesprochen, dass durch die erfolgreiche Absolvierung einer zweijährigen Ausbildung zur Altenpflegerin und Pflegehelferin mit 1.200 Stunden theoretischer und 1.200 Stunden praktischer Ausbildung Berufsschutz im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG erworben worden sei.
Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.
1. Ein erlernter Beruf im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG liegt nach herrschender Ansicht dann vor, wenn der Versicherte eine Berufsausbildung genossen und in einer den jeweils geltenden Ausbildungsvorschriften entsprechenden Form erfolgreich abgeschlossen hat. Nach Beendigung der Ausbildung ist der Versicherte in einem erlernten Beruf tätig (vgl 10 ObS 357/00y = SSV-NF 15/15 mwN). Ein erlernter Beruf im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG ist somit ein Beruf, für den ein bestimmter Ausbildungsgang vorgeschrieben ist, dessen erfolgreicher Abschluss Voraussetzung für die Ausübung dieses Berufs ist (10 ObS 39/05s = SSV-NF 19/35 = DRdA 2006/22, 279 [Kalb] mwN). Ein solcher bestimmter Ausbildungsgang ist beispielsweise die Absolvierung einer Lehre. Welche Fähigkeiten und Kenntnisse notwendig sind, um den Anforderungen eines Lehrberufs gewachsen zu sein, ergibt sich grundsätzlich aus den für den Lehrberuf in Betracht kommenden Ausbildungsvorschriften (vgl Schrammel, Zur Problematik der Verweisung in der PV und UV, ZAS 1984, 83 ff [87] mwN). Bei Berufstätigkeiten, denen ein standardisiertes Ausbildungsprogramm zugrundeliegt, die aber keine Lehrberufe sind, stellt der Oberste Gerichtshof in seiner Rechtsprechung auf eine vergleichbare Dauer und auf eine quantitativ vergleichbare Zahl von Unterrichtseinheiten ab (vgl 10 ObS 357/00y = SSV-NF 15/15; 10 ObS 39/05s = SSV-NF 19/35 = DRdA 2006/22, 279 [Kalb] ua):
2.1 Für die Beurteilung eines Berufsschutzes der Klägerin sind vor allem die Ausbildungsvorschriften des OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes (LBGl 1992/59) und der OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsverordnung (LGBl 1993/34) sowie die Bestimmungen der OÖ Altenbetreuungs-Anerkennungsverordnung (LGBl 1994/24) maßgebend. Nach § 3 Abs 1 des OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes besteht die berufliche Ausübung der Altenbetreuung in der fachlich eigenverantwortlichen Ausführung der im Abs 2 näher umschriebenen Tätigkeiten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses.
Nach § 7 Abs 1 des OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes ist eine Person berechtigt, bei der beruflichen Ausübung der Altenbetreuung die Berufsbezeichnung „Altenfachbetreuerin" zu führen, wenn sie
1. eine Ausbildung zur Pflegehelferin im Sinn des Bundesgesetzes betreffend die Regelung des Krankenpflegefachdienstes, der medizinisch-technischen Dienste und der Sanitätshilfsdienste, BGBl Nr. 102/1991 ..., und
2. eine Zusatzausbildung (§ 10) oder eine von der Landesregierung als gleichwertig anerkannte Ausbildung (§ 11) erfolgreich abgeschlossen hat.
Die Zusatzausbildung der Pflegehelferin zur Altenfachbetreuerin hat gemäß § 10 Abs 1 des OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes durch eine Schule für Altenbetreuung zu erfolgen. Sie soll insbesondere den Ausbildungsstand der Pflegehelferin in den altenspezifischen Fächern (Abs 2) durch einen theoretischen Unterricht in der Dauer von insgesamt 250 Unterrichtseinheiten ergänzen und vertiefen. Die Zusatzausbildung wird mit einer Prüfung, die höchstens zweimal wiederholt werden darf, abgeschlossen.
Gemäß § 3 der OÖ Altenbetreuungs-Anerkennungsverordnung wird unter anderem der erfolgreiche Abschluss einer zweijährigen Ausbildung an einer Fachschule für Altendienste und Pflegehilfe, mit welcher die Pflegehelferqualifikation nach dem Krankenpflegegesetz, BGBl 1961/102 idgF verbunden ist, einer Zusatzausbildung im Sinn des § 10 des OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes gleichgehalten und als Befähigungsnachweis für den Beruf Altenfachbetreuerin anerkannt.
2.2 Die Klägerin hat eine Ausbildung zur Pflegehelferin gemäß den Bestimmungen der Pflegehelferverordnung (BGBl 1991/175) im Umfang von insgesamt 1.600 Stunden Ausbildung in Theorie und Praxis erfolgreich absolviert. Sie hat im Rahmen der zweijährigen Ausbildung an einer Fachschule für Altendienste und Pflegehilfe der Caritas weiters eine zusätzliche Ausbildung von 208 Stunden Theorie und 400 Stunden Praxis im Hinblick auf den Beruf einer Altenfachbetreuerin nach dem OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetz absolviert und die zweijährige Fachschule erfolgreich abgeschlossen. Sie war daher gemäß § 3 der OÖ Altenbetreuungs-Anerkennungsverordnung iVm § 10 des OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes berechtigt, die Berufsbezeichnung „Altenfachbetreuerin" zu führen und die diesem Berufsbild zugeordneten Tätigkeiten auszuüben. Dabei handelt es sich gemäß § 8 des OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes um die Betreuung pflegebedürftiger Menschen gemäß § 43a des Bundesgesetzes betreffend die Regelung des Krankenpflegefachdienstes, der medizinisch-technischen Dienste und der Sanitätshilfsdienste (BGBl 1961/102) sowie um die insgesamt fachlich eigenverantwortliche Ausübung der Tätigkeiten einer Altenbetreuerin. Die Klägerin war daher aufgrund ihrer geschilderten Ausbildung befähigt, die Tätigkeit einer Altenfachbetreuerin im Sinn der Bestimmungen des OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes auszuüben.
3. Der erkennende Senat hat sich bereits in mehreren Entscheidungen mit der Frage eines allfälligen Berufsschutzes einer Altenfachbetreuerin bzw Pflegehelferin befasst. So wurde in der Entscheidung 10 ObS 357/00y (= SSV-NF 15/15) der Berufsschutz der damaligen Klägerin, die ebenfalls in einer Fachschule für Altendienste und Pflege der Caritas (in der Steiermark) eine insgesamt zweijährige Ausbildung (1.920 Stunden theoretische Ausbildung und 1.296 Arbeitsstunden Pflichtpraktikum) als Alten- und Pflegehelferin absolviert hatte, im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG bejaht, wobei allgemein darauf hingewiesen wurde, dass es auch eine Reihe von Lehrberufen mit einer nur zweijährigen Ausbildungszeit gebe. Die von der Klägerin im Verfahren SSV-NF 15/15 absolvierte Ausbildungszeit erreiche bereits jenes Maß, welches allgemein nach den Ausbildungsvorschriften für einen Lehrberuf gefordert werde. Es sei aber nicht nur die Dauer, sondern auch der näher festgestellte Inhalt der von der damaligen Klägerin absolvierten Ausbildung mit der Ausbildung in einem Lehrberuf durchaus vergleichbar.
Demgegenüber verneint der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung bei einer Pflegehelferin im Hinblick auf eine vergleichsweise wesentlich kürzere Ausbildungsdauer von 1.600 Stunden Ausbildung in Theorie und Praxis den Berufsschutz nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG (vgl 10 ObS 117/00d = SSV-NF 14/61 ua). In der Entscheidung 10 ObS 39/05s (= SSV-NF 19/35 = DRdA 2006/22, 279 [zust Kalb]) gelangte der Oberste Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass auch eine Zusatzausbildung einer Pflegehelferin zur Altenfachbetreuerin nach dem OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetz im Ausmaß von 250 Unterrichtseinheiten keine andere Beurteilung rechtfertige. Es liege vielmehr auf der Hand, dass mit einer insgesamt nur knapp 14 Monate dauernden theoretischen und praktischen Ausbildung (im Gesamtausmaß von 1.850 Stunden) ein einem Lehrberuf vergleichbares Ausbildungsniveau nicht erreicht werde (in diesem Sinn auch jüngst 10 ObS 39/09x).
In den beiden zitierten Entscheidungen SSV-NF 15/15 und 19/35 wurde auch darauf hingewiesen, dass die Regelung des Berufsbildes, der Tätigkeitsbereiche und der Ausbildung von Altenbetreuern, Familienhelfern und Heimhilfen gemäß Art 15 Abs 1 B-VG in die Zuständigkeit der Länder fällt und daher derzeit keine österreichweit einheitlichen Berufsbilder oder Ausbildungsvorschriften für die genannten Sozialbetreuungsberufe bestehen. In der mit 26. 7. 2005 in Kraft getretenen Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG über Sozialbetreuungsberufe, BGBl I 2005/55, kamen Bund und Bundesländer überein, das Berufsbild, die Tätigkeit und die Ausbildung der Angehörigen der Sozialbetreuungsberufe (Diplom-Sozialbetreuer für Alten-, Familien- oder Behindertenarbeit oder Behindertenbegleitung; Fach-Sozialbetreuer und Heimhelfer) im Rahmen ihrer Zuständigkeit nach gleichen Zielsetzungen und Grundsätzen zu regeln. Nach Anlage 1 dieser Vereinbarung sind die Sozialbetreuungsberufe in drei Qualifikationsniveaus gegliedert, und zwar in das Helfer/Innen-Niveau (Heimhelfer/Innen mit 200 Unterrichtseinheiten Theorie und 200 Stunden Praxis), das Fachniveau (Fach-Sozialbetreuer/Innen mit 1.200 Unterrichtseinheiten Theorie und 1.200 Stunden Praxis) sowie das Diplomniveau (Diplom-Sozialbetreuer/Innen mit 1.800 Unterrichtseinheiten Theorie und 1.800 Stunden Praxis). Die Ausbildung von Fach-Sozialbetreuer/Innen umfasst danach neben der praktischen Ausbildung im Ausmaß von 1.200 Stunden auch 1.200 Stunden Theorie Heimhilfe-Ausbildung miteingerechnet), die auf mindestens zwei Ausbildungsjahre aufzuteilen sind (10 ObS 66/07i).
In der zur Frage eines Berufsschutzes einer Altenfachbetreuerin zuletzt ergangenen Entscheidung 10 ObS 66/07i vom 26. 7. 2007 bejahte der erkennende Senat den Berufsschutz einer Klägerin nach § 255 Abs 1 ASVG, die - ebenso wie die Klägerin in der Entscheidung SSV-NF 15/15 und die Klägerin im gegenständlichen Verfahren - eine insgesamt zweijährige Ausbildung an einer Fachschule für Altendienste und Pflegehilfe der Caritas (in Niederösterreich) absolviert hatte. Auch wenn die zweijährige Ausbildung der Klägerin (im Verfahren 10 ObS 66/07i) an der von ihr besuchten Fachschule zeitlich nicht ganz so intensiv gewesen sei und daher auch in den (Kern-)Fächern eine etwas geringere Stundenanzahl als bei der Klägerin im Verfahren SSV-NF 15/15 aufgewiesen habe, so müsse doch davon ausgegangen werden, dass die Klägerin (im Verfahren 10 ObS 66/07i) - anders als die Klägerin im Verfahren SSV-NF 19/35 mit einer insgesamt nur knapp 14 Monate dauernden theoretischen und praktischen Ausbildung - Kenntnisse und Fähigkeiten erworben habe, die qualitativ und quantitativ den Anforderungen eines Lehrberufs entsprächen. Dies zeige sich auch darin, dass nach der bereits zitierten Anlage 1 zur Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG über Sozialbetreuungsberufe, BGBl I 2005/55, für die Ausübung der zweifellos qualifizierten Tätigkeiten einer Fach-Sozialbetreuerin eine ebenfalls zweijährige Ausbildungszeit mit 1.200 Stunden Theorie und 1.200 Stunden Praxis verlangt werde. Daraus ergebe sich weiters, dass auch eine theoretische und praktische Ausbildung im Ausmaß von jeweils 1.200 Stunden in diesem Bereich eine insgesamt zweijährige Ausbildungszeit verlange.
4. Diese in der Entscheidung 10 ObS 66/07i dargelegten Erwägungen treffen auch auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt zu. Auch wenn die zweijährige Ausbildung der Klägerin an der von ihr besuchten Fachschule zeitlich nicht ganz so intensiv war und daher im Bereich der theoretischen Ausbildung eine um 192 Unterrichtseinheiten geringere Stundenanzahl aufwies, so kann nach Ansicht des erkennenden Senats doch auch im vorliegenden Fall noch davon ausgegangen werden, dass die Klägerin - anders als die Klägerin im Verfahren SSV-NF 19/35 - Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat, die qualitativ und quantitativ den Anforderungen eines Lehrberufs entsprechen. Dafür spricht auch, dass nach § 16 des mittlerweile in Kraft getretenen OÖ Sozialberufegesetzes (LGBl 2008/63) die zumindest zweijährige Ausbildung für die Ausübung der zweifellos qualifizierten Tätigkeit einer Fach-Sozialbetreuerin die Ausbildung in der Pflegehilfe (im Ausmaß von 1.600 Stunden Theorie und Praxis) um zumindest 365 Unterrichtseinheiten Theorie sowie 400 Stunden Praxis ergänzt. Diese Regelung zeigt, dass die von der Klägerin aufgrund der damals geltenden Bestimmungen absolvierte zweijährige Ausbildung an der Fachschule für Altendienste und Pflegehilfe der Caritas auch unter Berücksichtigung der etwas geringeren Stundenanzahl im Bereich der theoretischen Ausbildung doch noch weitgehend dem Qualifikationsniveau für Fach-Sozialbetreuerinnen entspricht und die Klägerin daher durch ihre Ausbildung einen Berufsschutz im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG erworben hat. Der Umstand, dass die Klägerin, die ihre berufliche Qualifikation als Altenfachbetreuerin nach den zur Zeit ihrer Ausbildung in Geltung gestandenen Ausbildungsvorschriften erworben hat, nicht über alle jene Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, wie sie aktuell von Absolventen dieser Berufsausbildung verlangt werden, führt nicht dazu, dass die Klägerin den von ihr erworbenen Berufsschutz wieder verloren hätte. Soweit das Erstgericht festgestellt hat, dass die Klägerin von ihren Dienstgebern fast ausschließlich im Tätigkeitsbereich „Pflegehilfe" eingesetzt worden sei und in der eigenverantwortlichen Tätigkeit als Seniorenbetreuerin (Altenfachbetreuerin) keine Praxis aufweise, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Berufsschutz durch die Ausübung bloßer Teiltätigkeiten nicht verloren geht, sofern diese quantitativ und qualitativ nicht ganz unbedeutend waren und die Tätigkeit in ihrer Gesamtheit - wie im vorliegenden Fall - noch als Ausübung des erlernten Berufs anzusehen ist (vgl RIS-Justiz RS0084497 ua). Bei der vom Erstgericht weiters getroffenen „Feststellung", die Klägerin habe einen Lehrberuf im Hinblick auf die Dauer ihrer Ausbildung sowie den Inhalt der Tätigkeiten weder erlernt noch angelernt und es bestehe daher bei der Klägerin kein Berufsschutz, handelt es sich um die Vornahme einer rechtlichen Beurteilung, die vom erkennenden Senat aufgrund der dargelegten Erwägungen nicht geteilt wird.
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen kann die Klägerin gesundheitsbedingt ihren erlernten und auch überwiegend ausgeübten Beruf als Altenfachbetreuerin nicht mehr ausüben. Dass die Klägerin ausgehend von diesem Berufsschutz die Voraussetzung für die von ihr über den 31. 7. 2005 hinaus begehrte Weitergewährung der Invaliditätspension erfüllt, wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.
5. Die Invaliditätspension gebührt nach § 256 Abs 1 ASVG längstens für die Dauer von 24 Monaten ab dem Stichtag. Besteht nach Ablauf der Befristung Invalidität weiter, so ist die Pension jeweils für die Dauer von längstens 24 Monaten weiter zuzuerkennen, sofern die Weitergewährung der Pension spätestens innerhalb von drei Monaten nach deren Wegfall beantragt wurde. Ohne zeitliche Befristung wäre die Pension nur dann zuzuerkennen, wenn aufgrund des körperlichen oder geistigen Zustands dauernde Invalidität anzunehmen ist (§ 256 Abs 2 ASVG). Da diese Voraussetzung bei der Klägerin nicht festgestellt ist, muss der Zuspruch der Pension im Sinn des § 256 Abs 1 ASVG befristet erfolgen.
Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen. Zum Zeitpunkt der gegenständlichen - klagsstattgebenden - Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ist die Zweijahresfrist des § 256 Abs 1 ASVG - gerechnet ab dem Ablauf der Befristung mit 31. 7. 2005 - bereits abgelaufen. Da die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz am 21. 4. 2008 unverändert bestanden, sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung der begehrten Leistung für eine weitere Zweijahresfrist gegeben (vgl 10 ObS 160/01d = SSV-NF 15/84 ua).
In teilweiser Stattgebung der Revision der Klägerin war daher das angefochtene Urteil im Sinn des Zuspruchs einer befristeten Invaliditätspension für insgesamt 48 Monate abzuändern, weshalb der beklagten Partei unter sinngemäßer Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO auch die Erbringung einer vorläufigen Zahlung für diesen Zeitraum aufzutragen ist. Deren Höhe orientiert sich an der Höhe der von der Klägerin bis 31. 7. 2005 bezogenen Pensionsleistung. Das darüber hinausgehende - auf die unbefristete Weitergewährung der Invaliditätspension gerichtete - Mehrbegehren der Klägerin war hingegen abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG. Die Vollmachtsbekanntgabe vom 6. 3. 2007 sowie die Urkundenvorlage vom 12. 9. 2007 waren nur nach TP 1 zu honorieren. Für die Berufung gebührt lediglich der dreifache Einheitssatz, weil eine mündliche Berufungsverhandlung nicht stattgefunden hat.
Textnummer
E91621European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:010OBS00074.09V.0721.000Im RIS seit
20.08.2009Zuletzt aktualisiert am
21.03.2011