Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erich N*****, vertreten durch Dr. Eva Wagner, Rechtsanwältin in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei Eva Maria N*****, vertreten durch Dr. Helga Wagner, Rechtsanwältin in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 22. Jänner 2009, GZ 23 R 136/08z-10, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Mistelbach vom 8. Juli 2008, GZ 6 C 47/08k-6, aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das Urteil insgesamt zu lauten hat wie folgt:
„Der Anspruch, zu dessen Hereinbringung der beklagten Partei gegen die klagende Partei mit Beschluss des Bezirksgerichts Mistelbach vom 14. März 2008 zu AZ 3 E 909/08h die Exekution bewilligt wurde, ist erloschen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.243,78 EUR bestimmten Verfahrenskosten (darin enthalten 52 EUR Barauslagen, 198,63 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.195,61 EUR bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin enthalten 58 EUR Barauslagen, 356,27 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Oppositionskläger (in der Folge immer: Kläger) begehrte in dem zu AZ 6 C 136/04t des Erstgerichts geführten und mit Klage vom 7. Oktober 2004 eingeleiteten Verfahren die Scheidung seiner Ehe mit der Oppositionsbeklagten (in der Folge immer: Beklagte) aus deren Alleinverschulden.
Mit am 29. Juni 2005 eingelangter Widerklage begehrte die Beklagte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Klägers (AZ 6 C 74/05a des Erstgerichts).
Im Verfahren AZ 6 C 136/04t des Erstgerichts erging am 26. August 2005 (ON 18) ein Urteil, womit der Erstrichter die Ehe der Streitteile schied. Er sprach aus, dass das Verschulden beide Streitteile treffe und die Schuld der Beklagten überwiege.
Dieses am 14. September 2005 (Kläger) und am 12. September 2005 (Beklagte) zugestellte Urteil erwuchs in Ansehung des Ausspruchs über die Scheidung in Rechtskraft.
Beide Parteien bekämpften mit ihren Berufungen den Verschuldensausspruch im Scheidungsurteil: Der Kläger beantragte eine Abänderung des Verschuldensausspruchs dahin, dass die Beklagte das Alleinverschulden treffe; die Beklagte strebte eine Abänderung im Sinne eines Ausspruchs an, dass den Kläger das überwiegende Verschulden treffe.
Die Beklagte erwirkte im Verfahren AZ 6 C 170/04t des Erstgerichts aufgrund ihrer am 14. Dezember 2004 eingelangten Unterhaltsklage, verbunden mit einem Antrag auf Zuerkennung von einstweiligem Unterhalt, im zweiten Rechtsgang ein Urteil vom 3. Jänner 2007 (ON 35), womit der Kläger - nach einer Berichtigung des Urteils rechtskräftig - verpflichtet wurde, der Beklagten für den Zeitraum ab Jänner 2004 gestaffelt, näher bezeichnete monatliche Unterhaltsbeiträge zu bezahlen.
Mit Beschluss vom 31. März 2005 (ON 10) wurde der Kläger zur Zahlung eines einstweiligen Unterhaltsbetrags von 735 EUR monatlich ab 14. Dezember 2004 bis zur rechtskräftigen Erledigung des Unterhaltsverfahrens verpflichtet. Einem dagegen vom Kläger erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Schluss der Verhandlung erster Instanz im Unterhaltsverfahren war der 28. November 2006.
Das Gericht zweiter Instanz im Scheidungsverfahren gab mit Berufungsentscheidung vom 21. Februar 2006 beiden Berufungen Folge, hob das Urteil des Erstgerichts im Umfang der Anfechtung, also hinsichtlich des Verschuldensausspruchs, auf und trug dem Erstgericht insofern eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf (ON 29 in 6 C 136/04t).
Eine Verbindung von Klage und Widerklage war bis zur Rechtskraft des Ausspruchs über die Scheidung nicht erfolgt. Erst in der Verhandlung am 1. Juni 2006 (ON 33 in 6 C 136/04t) wurden die Verfahren, die nur noch den Verschuldensausspruch zum Gegenstand hatten, verbunden. In diesen nun verbundenen Verfahren fällte das Gericht erster Instanz am 14. Februar 2007 (ON 46) eine neuerliche Entscheidung über den Verschuldensausspruch und sprach aus, dass beide Teile ein Verschulden treffe, wobei die Schuld der Beklagten überwiege. Beide Parteien bekämpften diesen Verschuldensausspruch erneut mit Berufung.
Das Gericht zweiter Instanz gab mit Urteil vom 11. September 2007 (ON 53) der Berufung des Klägers nicht Folge; hingegen gab es der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil im Umfang des Ausspruchs über das Verschulden dahin ab, dass es aussprach, dass das Verschulden beide Streitteile zu gleichen Teilen treffe.
Das den Parteien am 4. Jänner 2008 (Beklagte) und am 7. Jänner 2008 (Kläger) zugestellte Berufungsurteil erwuchs in Rechtskraft. Am 10. März 2008 beantragte die Beklagte aufgrund des im Verfahren AZ 6 C 170/04t ergangenen rechtskräftigen Urteils vom 3. Jänner 2007 (ON 35) die Bewilligung der Fahrnis- und Gehaltsexekution für die rückständigen Unterhaltsbeträge für Februar und März 2008 von 1.696 EUR sowie ab 1. April 2008 für den laufenden Ehegattenunterhalt von monatlich 848 EUR.
Das Exekutionsgericht bewilligte die Exekution antragsgemäß (AZ 3 E 909/08h des Erstgerichts).
Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Oppositionsklage den Ausspruch, dass der titulierte Unterhaltsanspruch der Beklagten, zu dessen Gunsten die Exekution bewilligt wurde, erloschen sei. Er stützt sich darauf, es sei nunmehr rechtskräftig entschieden worden, dass das Verschulden an der Scheidung beide Parteien zu gleichen Teilen treffe. Der Unterhaltsanspruch sei wegen der dadurch geänderten Sachlage erloschen.
Die Beklagte wendet ein, dass der Ausspruch über die Scheidung bereits im Oktober 2005 rechtskräftig erfolgt sei. Im zweiten Rechtsgang sei nur noch die Verschuldensfrage zu klären gewesen. Der Kläger hätte die der Oppositionsklage zugrunde liegenden Einwendungen bereits im Titelverfahren gelten machen können, weil bereits der Ausspruch über die Scheidung das Erlöschen eines bis dahin bewirkten Unterhaltstitels bewirke. Aus dem Verhalten des Klägers (Nichtanfechtung des Unterhaltsurteils) sei abzuleiten, dass der Kläger der Beklagten einen verschuldensunabhängigen Unterhalt zahlen wolle. Überdies stehe der Beklagten der auch bei gleichteiligem Verschulden gebührende Billigkeitsunterhaltsanspruch zu. Die Beklagte sei nicht in der Lage, einen ganztägigen Beruf zu ergreifen, weil sie zu 90 % behindert sei. Sie habe drei Kinder groß gezogen, sei mit Billigung des Klägers im Haushalt tätig gewesen und habe dadurch Pensionsjahre verloren.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es vertrat die Auffassung, dass Ehegattenunterhaltstitel mit dem Ausspruch über die Scheidung unwirksam würden, sofern die Ehegatten nichts anderes vereinbarten. Zu diesem Zeitpunkt könne nicht mehr nach den für die aufrechte Ehe geltenden gesetzlichen Bestimmungen Unterhalt begehrt werden. Dessen ungeachtet sei über das (Ehegatten-)Unterhaltsbegehren der Beklagten das Urteil vom 3. Jänner 2007 ergangen, welches der Kläger nicht bekämpft habe. Die nunmehr vom Oppositionskläger geltend gemachten Tatsachen hätten im Unterhaltsverfahren eingewendet werden müssen.
Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung Folge, hob das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf, wobei es den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig erklärte, weil es eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darstelle, ob bei einem zwischen Rechtskraft der Scheidung und rechtskräftiger Entscheidung über das Verschulden ergangenen Unterhaltstitel eine Oppositionsklage auf die rechtskräftige Entscheidung über den Verschuldensausspruch gestützt werden könne.
Das Berufungsgericht ging zusammengefasst davon aus, dass der Kläger im Unterhaltsverfahren zwar geltend hätte machen können, dass der Unterhalt nach § 94 ABGB mit Rechtskraft des Scheidungsurteils erlösche. Er habe aber davon ausgehen müssen, dass er bis zum rechtskräftigen Ausspruch über das Verschulden an der Zerrüttung zumindest einstweilig Unterhalt in der festgesetzten Höhe zu zahlen gehabt hätte. Zum damaligen Zeitpunkt sei aufgrund des noch nicht rechtskräftigen Ausspruchs über das Verschulden noch nicht festgestanden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Beklagten ein nachehelicher Unterhaltsanspruch gegenüber dem Kläger zustehe. Die Frage des Verschuldens an der Zerrüttung der Ehe habe daher bei Schaffung des Unterhaltstitels keine Berücksichtigung finden können. Das habe sich nunmehr durch die rechtskräftige Entscheidung über den Verschuldensausspruch geändert.
Eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Klagestattgebung sei aber aufgrund der derzeitigen Verfahrensergebnisse nicht möglich. Es könne nicht beurteilt werden, ob der Unterhaltsanspruch der Beklagten zur Gänze erloschen sei, zumal sich diese im Verfahren erster Instanz ausdrücklich auf einen „Billigkeitsunterhaltsanspruch" berufen habe.
Die Beklagte strebt mit ihrem gegen diesen Aufhebungsbeschluss erhobenen „Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs) eine Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils an.
Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und - wenngleich nur im Ergebnis - berechtigt.
I. Verfahrensentscheidend ist die Frage, ob der Kläger sich mit seinem Einwand, die Scheidung der Ehe sei nun rechtskräftig aus gleichteiligem Verschulden geschieden worden, auf eine nach Entstehung des Unterhaltstitels eingetretene aufhebende Tatsache beruft oder ob er den nunmehr erhobenen Einwand bereits im Unterhaltsverfahren hätte geltend machen müssen:
1. Nach § 35 EO können Einwendungen gegen einen Anspruch nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn sie sich auf eine den Anspruch aufhebende oder hemmende Tatsache stützen, die erst nach dem Entstehen des diesem Verfahren zugrunde liegenden Exekutionstitels eingetreten ist. Niemals kann daher das rechtsunwirksame Zustandekommen des Titels Gegenstand eines Oppositionsstreits sein (stRsp; RIS-Justiz RS0001280; RS0001889).
Dabei kommt es bei Prüfung der Frage, ob von den Einwendungen im vorausgegangenen Verfahren nicht wirksam Gebrauch gemacht werden konnte, nicht auf die subjektiven Gründe an, aus denen die Erlöschungsgründe des geltend gemachten Anspruchs nicht vorgebracht wurden, sondern darauf, ob ihre Verwendung objektiv aus verfahrensrechtlichen Gründen unmöglich war (RIS-Justiz RS0001416). Dabei ist als maßgeblicher Zeitpunkt jener anzusehen, bis zu dem der Verpflichtete im Titelverfahren einen neuen Sachverhalt mit Erfolg hätte vorbringen können. Im Zivilprozess ist das somit der Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (RIS-Justiz RS0001416 [T11]).
2. Zum demnach maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Titelverfahren war die Ehe der Streitteile bereits rechtskräftig geschieden: Im Eheverfahren kann der Scheidungsausspruch in Rechtskraft erwachsen, ohne dass bereits rechtskräftig über das Verschulden entschieden ist. Bei einer Ehescheidung aus Verschulden ist allerdings die Annahme irgendeines Verschuldens des Beklagten präjudiziell für den Scheidungsausspruch (RIS-Justiz RS0056846 [T1]; siehe auch RIS-Justiz RS0040735; RS0040616; RS0057493).
Da die Beklagte im vorliegenden Fall zwar den Verschuldensausspruch im Scheidungsurteil bekämpfte, allerdings ein - geringfügiges - eigenes Verschulden zugestand, sind die Vorinstanzen zutreffend und vom Kläger auch gar nicht bezweifelt davon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Unterhaltsverfahren die Ehe der Streitteile bereits rechtskräftig geschieden war.
3. Nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung (Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB³ I § 94 Rz 67; Stabentheiner in Rummel, ABGB³ § 94 Rz 23; Hinteregger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 94 Rz 6; RIS-Justiz RS0047233; 1 Ob 35/00d ua) erlischt mit der Auflösung der Ehe ein Titel für Unterhaltsansprüche aus aufrechter Ehe. Während sich der Unterhaltsanspruch bei aufrechter Ehe grundsätzlich nach der verbindlichen autonomen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft richtet, sodass der einvernehmlich gestaltete Lebenszuschnitt und der Stil der Lebensführung für die Angemessenheit des zu gewährenden Unterhalts maßgeblich sind, erweist sich der gesetzliche Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nicht als Modifikation des ehelichen Unterhalts, sondern als bloße Nachwirkung früherer ehelicher Beistandspflicht (1 Ob 35/00d; 3 Ob 2307/96b je mwN). Vom - hier nicht vorliegenden - Sonderfall des § 69 Abs 2 EheG abgesehen (2 Ob 318/99z) wirkt somit ein Urteil, mit dem während aufrechter Ehe ein Ehegatte zu Unterhaltsleistungen an einen anderen verpflichtet worden ist, nicht über die Rechtskraft der Scheidung hinaus.
4. Daraus folgt zunächst, dass im Titelverfahren - entgegen der dort gefällten unrichtigen, aber in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung - ab dem auf den Eintritt der formellen Rechtskraft der Scheidung folgenden Monatsersten (3 Ob 99/07s) zu berücksichtigen gewesen wäre, dass mangels aufrechten Bestands der Ehe ein Zuspruch von Ehegattenunterhalt nicht mehr in Betracht kam. Diesen Umstand hat aber weder das Gericht erster Instanz im Unterhaltsverfahren bedacht - der Erstrichter dieses Verfahrens ging vielmehr, wie sich aus der Begründung des Unterhaltsurteils ergibt, erkennbar davon aus, dass ein Zuspruch von Ehegattenunterhalt erfolgen könne - noch der Kläger, der die bereits erfolgte Scheidung nicht zum Anlass nahm, im Titelverfahren einen entsprechenden Einwand zu erheben, noch die Beklagte, die ihr Unterhaltsbegehren nicht umstellte.
5. Wurde eine Ehe rechtskräftig geschieden, ist aber die Frage des Ausmaßes des beiderseitigen Verschuldens noch im fortgesetzten Verfahren zu prüfen, so kann zunächst nur ein vorläufiger Unterhalt, ausgehend von der rechtskräftig erfolgten Scheidung der Ehe, festgesetzt werden (RIS-Justiz RS0009467; 7 Ob 709/88 = SZ 61/242; 6 Ob 815/81; 7 Ob 549/92; Zankl in Schwimann, ABGB³ I § 66 EheG Rz 9). Über eine dennoch eingebrachte Unterhaltsklage, die sich auf Unterhaltsansprüche für einen Zeitraum ab Rechtskraft der Scheidung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Verschuldensausspruch bezieht, hätte eine Unterbrechung dieses Unterhaltsprozesses bis zur Rechtskraft des Verschuldensausspruchs zu erfolgen, weil ausschließlich im Scheidungsverfahren zu prüfen ist, ob einen der Ehegatten das alleinige oder das überwiegende Verschulden an der Scheidung trifft (7 Ob 709/88).
6. Macht nun der Beklagte im Unterhaltsverfahren - wie im Anlassfall der nunmehrige Oppositionskläger - von der Möglichkeit, die bereits eingetretene Rechtskraft des Ausspruchs über die Scheidung einzuwenden, keinen Gebrauch, kann er jedenfalls bis zum Eintritt der Rechtskraft des Verschuldensausspruchs nicht mit Erfolg in einem Oppositionsverfahren geltend machen, dass der Anspruch auf Ehegattenunterhalt erloschen sei. Diesen Einwand hätte der Kläger jedenfalls im Titelverfahren erheben können.
7. Hier hat der Kläger aber seine Oppositionsklage ohnedies nicht auf Unterhaltsperioden ab Eintritt der formellen Rechtskraft des Ausspruchs über die Scheidung bis Eintritt der Rechtskraft des Verschuldensausspruchs gestützt, er hat vielmehr ein Erlöschen des Anspruchs erst ab dem auf den Eintritt der Rechtskraft des Verschuldensausspruchs folgenden Monat, also ab Februar 2008, behauptet.
8. Es ist daher die Frage zu beantworten, ob es dem Oppositionskläger auch verwehrt ist, als neue Tatsache iSd § 35 EO geltend zu machen, dass ein auf Ehegattenunterhalt lautender Unterhaltstitel infolge der nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Titelverfahren eingetretenen Rechtskraft des Verschuldensausspruchs erloschen ist.
Für eine Bejahung dieser Frage spricht, dass bereits der Ausspruch über die Scheidung von der hier nicht vorliegenden Ausnahme des § 69 Abs 2 EheG abgesehen dazu führt, dass kein Ehegattenunterhalt mehr gebührt und dass der rechtskräftige Verschuldensausspruch auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils zurückwirkt, sodass ab diesem Zeitpunkt ein Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG (hier: § 68 EheG) bei Zutreffen der jeweils näher bezeichneten Voraussetzungen zusteht (7 Ob 709/88).
Allerdings darf nicht übersehen werden, dass aus den dargelegten Gründen eine endgültige Entscheidung darüber, ob und welcher Unterhalt der Beklagten nach der Scheidung gebührte, denknotwendig nur nach dem Ergebnis des im Scheidungsverfahren ergehenden Ausspruchs über das Verschulden gefällt werden kann, der hier erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Titelverfahren in Rechtskraft erwuchs. Berücksichtigt man diesen Umstand, erschiene es überspannt, vom Kläger zu fordern, er hätte im Titelverfahren die Tatsache der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs einwenden müssen, um sich dieser Möglichkeit nicht auch für Zeiträume, die in der Zukunft liegen (Eintritt der Rechtskraft des Verschuldensausspruchs) zu begeben. Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt darin, dass der Kläger während der Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens und des Unterhaltsverfahrens sowie nach Schaffung des Unterhaltstitels von seiner bisherigen Unterhaltsverpflichtung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Verschuldensfrage ausging, der Erstrichter den Ehegattenunterhalt gemäß § 94 ABGB nach und trotz Rechtskraft des Scheidungsausspruchs zusprach und weiters die Beklagte ihr Unterhaltsbegehren für die Zeit danach nicht umstellte. Es hatten also alle Verfahrensbeteiligten offenkundig eine bloß befristete Unterhaltsverpflichtung (iSd § 94 ABGB) des Klägers bis zur Klärung der Verschuldensfrage im Auge, zumal die Unterhaltsbemessung bei zumindest überwiegendem Verschulden des Mannes nach den Grundsätzen des § 94 ABGB erfolgte, der Unterhalt nach § 66 EheG also gleich hoch wie der Ehegattenunterhalt wäre (Stabentheiner in Rummel, ABGB³ § 66 EheG Rz 4 mwN; RIS-Justiz RS0009547).
Es ist daher zusammenfassend davon auszugehen, dass zwar grundsätzlich bereits der Eintritt der formellen Rechtskraft der Scheidung die Schaffung eines Ehegattenunterhaltstitels ab diesem Zeitpunkt hindert, dass hier aber infolge der dargelegten Umstände des Einzelfalls die nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Unterhaltsverfahren ergehende Entscheidung über das Verschulden als neue „Tatsache" iSd § 35 EO anzusehen ist und damit eine Oppositionsklage für die Zeiträume ab Eintritt der Rechtskraft des Verschuldensausspruchs auch darauf gestützt werden kann, dass nach dem Titelverfahren erster Instanz der Verschuldensausspruch in Rechtskraft erwuchs.
II. Die zu I. dargelegten Grundsätze führen zu dem Ergebnis, dass der Oppositionsklage stattzugeben ist:
Der Ergänzungsauftrag des Berufungsgerichts dahin, dass das Erstgericht die Höhe eines der Beklagten allenfalls zustehenden „Billigkeitsunterhalts" nach § 68 EheG zu ermitteln hat, ist verfehlt: Berührt die aufgrund der Umstandsklausel zu beachtende Änderung des Sachverhalts den Grund des Anspruchs, so ist es dem betreibenden Gläubiger verwehrt, dem Oppositionsbegehren des Verpflichteten die Behauptung entgegenzusetzen, ein Unterhaltstitel gleichen Inhalts könnte von ihm aus einem anderen Rechtsgrund erwirkt werden (Jakusch in Angst, EO² § 35 Rz 16; RIS-Justiz RS0032964; RS0000876; so schon 3 Ob 281/54 = SZ 27/116). Ist somit der Ehegattenunterhaltsanspruch erloschen, ist den Einwendungen nach § 35 EO stattzugeben, ohne dass im Oppositionsprozess, der nur die Frage zum Gegenstand hat, ob der Anspruch aus dem Exekutionstitel erloschen ist, geprüft werden darf, welcher Unterhaltsanspruch nach Auflösung der Ehe gebührt. In einem solchen Fall muss vielmehr der auch nach der Scheidung unterhaltsberechtigte Ehegatte für den Scheidungsunterhalt einen neuen Titel erwirken (3 Ob 142/84; 3 Ob 184/94 = SZ 67/221; 3 Ob 2307/96b).
III. Da im Rekursverfahren gegen Aufhebungsbeschlüsse das Verbot der reformatio in peius nicht gilt, kann der Oberste Gerichtshof auch aufgrund eines Rekurses des Beklagten ein Urteil im Sinne der Klagestattgebung fällen (RIS-Justiz RS0043853).
Es war daher in Stattgebung des Rekurses der Beklagten der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und in der Sache selbst im Sinne einer Stattgebung des Oppositionsbegehrens zu entscheiden.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der in der Klage gestellte Exekutionsaufschiebungsantrag betraf das Exekutionsverfahren und ist daher nicht zu honorieren. Der Ansatz für die Gerichtsgebühren war zu korrigieren: Gemäß § 16 Abs 1 Z 1 lit d GGG beträgt die Bemessungsgrundlage im Oppositionsverfahren unabhängig vom Streitwert 694 EUR.
Anmerkung
E915833Ob89.09ySchlagworte
Kennung XPUBL - XBEITRDiese Entscheidung wurde veröffentlicht iniFamZ 2009/248 S 359 (Deixler-Hübner) - iFamZ 2009,359(Deixler-Hübner) = Jus-Extra OGH-Z 4764XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0030OB00089.09Y.0722.000Zuletzt aktualisiert am
24.03.2010