Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei DI Jürgen H*****, vertreten durch Jelenik & Partner AG, Rechtsanwälte in Vaduz, wider die verpflichtete Partei Dr. Daniel W*****, vertreten durch Achammer Mennel Welte Achammer Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, wegen 29.182,50 CHF sA, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 9. Dezember 2008, GZ 1 R 339/08y-12, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Feldkirch vom 21. Oktober 2008, GZ 6 E 1624/08w-4, bestätigt wurden, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen über die Vollstreckbarerklärung werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung aufgetragen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind wie weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz zu behandeln.
Text
Begründung:
Die betreibende Partei verband mit ihrem Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Beschlusses des Fürstlich Liechtensteinischen Obergerichts vom 3. Juli 2008, GZ 8 Cg 2007.253, den Antrag auf Bewilligung der Fahrnis- und Forderungsexekution nach § 294a EO zur Hereinbringung von 29.182,50 CHF (18.239 EUR) samt Nebengebühren.
Mit den Beschlüssen vom 21. Oktober 2008 erklärte das Erstgericht den ausländischen Exekutionstitel für Österreich für vollstreckbar und bewilligte die Fahrnis- und Forderungsexekution nach § 294a EO. In seinem Rekurs brachte der Verpflichtete vor, die Titelentscheidung sei nicht rechtskräftig, da er am 10. September 2008 Individualbeschwerde an den Staatsgerichtshof des Fürstentums Liechtenstein gemäß Art 15 des Gesetzes vom 27. November 2003 über den Staatsgerichtshof (StGHG- Liechtensteinisches Landesgesetzblatt 32/2004) erhoben habe. Eine Sachentscheidung sei noch nicht erfolgt. Seinem gleichzeitig mit der Individualbeschwerde erhobenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung habe der Präsident des Staatsgerichtshofs mit Beschluss vom 5. November 2008 stattgegeben (Art 52 Abs 2 StGHG), weshalb die Vollstreckbarkeit der Titelentscheidung bis auf weiteres gehemmt sei. Der Vollstreckbarerklärung fehle es demnach an den zwingende Voraussetzungen des § 80 Z 3 EO.
Es läge überdies der Versagungsgrund nach § 81 Z 3 EO vor. Bei der Titelschuld handle es sich um Kosten für eine absolut unzulässige Rekursbeantwortung, die nach dem Verfahrensrecht von Liechtenstein nicht zuzusprechen gewesen wäre. Der Kostenzuspruch sei Ergebnis einer willkürlichen und „qualifiziert unrichtigen Anwendung der Gesetze".
In seiner Rekursbeantwortung brachte der antragstellende Betreibende vor, der Beschluss über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei nicht rechtskräftig, da er dagegen Rekurs an den Senat des Staatsgerichtshofs erhoben habe.
Das Rekursgericht bestätigte die Beschlüsse des Erstgerichts und sprach in Ansehung der Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung letztlich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei. Gemäß der vom Betreibenden vorgelegten Amtsbestätigung des Fürstlichen Landgerichts Vaduz vom 11. September 2008 sei die Titelentscheidung rechtskräftig. Damit lägen auch die Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung dieses Exekutionstitels nach dem Annerkennungs- und Vollstreckungsvertrag zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein sowie gemäß § 79 Abs 2 EO vor. Der Beschluss des Präsidenten des Staatsgerichtshofs vom 5. November 2008 über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei für die Vollstreckbarerklärung unmaßgeblich. Da der Zweck der Aufhebung des Neuerungsverbots im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung ausländischer Exekutionstitel in Österreich darin bestehe, dem Verpflichteten die Möglichkeit zu bieten, im Rekurs ein Vorbringen zur Richtigkeit der sich aus den Akten ergebenden Umständen zu erstatten, könnten nur jene Umstände erfolgreich geltend gemacht werden, die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts erster Instanz bereits vorlagen, ohne dem Gericht bekannt zu sein. Später entstandene Tatsachen seien unbeachtlich. Einem Rekurswerber sei es daher verwehrt, nach Beschlussfassung erster Instanz entstandene Umstände geltend zu machen. Da die Entscheidung des Präsidenten des Staatsgerichtshofs des Fürstentums Liechtensteins, mit der der Individualbeschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, erst nach der Entscheidung des Erstgerichts ergangen sei, sei das Rekursvorbringen zur mangelnden Vollstreckbarkeit unbeachtlich.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein der Antrag auf Vollstreckbarerklärung. Zum Revisionsrekurs gegen die Entscheidung über den Exekutionsantrag ist auf die Vorentscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 25. März 2009, GZ 3 Ob 40/09t zu verweisen, womit der Revisionsrekurs des Verpflichteten gegen die vom Rekursgericht bestätigte Exekutionsbewilligung zurückgewiesen wurde. Das Fürstentum Liechtenstein ist nicht Mitgliedstaat der EU und damit nicht von der Geltung der EuGVVO erfasst (Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht8, Einl. Rz 22). Für vermögensrechtliche Angelegenheiten gilt das Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden BGBl 1975/114 (im Folgenden: „Abkommen"). Dieses überlagert in vermögensrechtlichen Angelegenheiten als zwischenstaatliche Vereinbarung die §§ 80, 81 EO, weshalb allein die im Abkommen festgelegten Anerkennungs- und Vollstreckungsvoraussetzungen maßgebend sind (Jakusch in Angst, EO2 § 80 Rz 1).
Die Vollstreckungsvoraussetzungen sind in Art 1 iVm Art 4 Abs 1 des Abkommens festgelegt. Nach letzterer Bestimmung kann eine von den Gerichten des einen der beiden Staaten gefällte Entscheidung für vollstreckbar erklärt werden, wenn sie im Staat, in dem sie gefällt wurde, vollstreckbar ist. Gemäß Art 5 Z 1 und 2 hat die Partei, die die Vollstreckung einer Entscheidung beantragt, neben der Ausfertigung der Entscheidung eine gerichtliche Bestätigung über die Rechtskraft und gegebenenfalls über die Vollstreckbarkeit der Entscheidung beizubringen.
Für das Verfahren zur Erteilung der Vollstreckbarkeitserklärung ausländischer Exekutionstitel gelten die §§ 83 ff EO, subsidiär sind die Bestimmungen des allgemeinen Teils der EO heranzuziehen (Jakusch in Angst, EO2 § 83 Rz 3). Die §§ 83 f EO gelten auch für - wie hier - nicht aus dem Bereich der EU stammende Exekutionstitel (Jakusch aaO § 84 Rz 2). Es handelt sich in erster Instanz um ein einseitiges Urkundenverfahren (Jakusch aaO § 83 Rz 1). Zum Ausgleich dieser Einseitigkeit wurde im Rekursverfahren für den Verpflichteten mit § 84 Abs 2 Z 2 EO das Neuerungsverbot weitgehend aufgehoben, indem im Rekurs gegen die Vollstreckbarerklärung Gründe für deren Versagung auch dann geltend gemacht werden können, wenn sie in erster Instanz nicht aktenkundig waren. Inhaltlich sind aber nur solche Neuerungen zulässig, die Versagungsgründe betreffen. Als Versagungsgründe sind auch die in internationalen Vereinbarungen enthaltenen vergleichbaren Tatbestände vorgesehen, weil eine Beschränkung auf die in § 81 EO aufgezählten Versagungsgründe im Hinblick auf den Zweck der Regelung nicht vertretbar wäre (Jakusch aaO § 84 Rz 14).
Das Rekursvorbringen, das Titelurteil sei infolge der Entscheidung des Staatsgerichtshofs im Fürstentum Liechtenstein nicht vollstreckbar, erfüllt den Versagungsgrund nach Art 4 Abs 1 des Abkommens, führt doch die mangelnde Vollstreckbarkeit der Entscheidung in jenem Staat, in dem sie gefällt wurde, zur Abweisung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung. Dass die Vollstreckbarkeit der Entscheidung erst nach dem Zeitpunkt der erstinstanzlichen Vollstreckbarerklärung wegfiel (hier mit der Entscheidung des Präsidenten des Staatsgerichtshofs über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Individualbeschwerde nach Art 52 Abs 2 StGHG) hindert nicht die Geltendmachung als Versagungsgrund. Der Antragsgegner hatte iSd Eventualmaxime bei sonstigem Ausschluss bereits im Rekurs die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als Versagungsgrund nach Art 4 Abs 1 des Abkommens vorzubringen. Eine abschließende Erledigung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung ist jedoch im Hinblick darauf nicht möglich, dass nach der Aktenlage die Entscheidung des Präsidenten des Staatsgerichtshofs über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach Art 52 Abs 2 StGHG nicht rechtskräftig ist und die Entscheidung über den Individualantrag aussteht. Ob beim gegebenen Sachverhalt die Vollstreckbarkeit des Titels in Liechtenstein bejaht werden kann, hat das dortige Gericht zu beurteilen und bejahendenfalls die Vollstreckbarkeit zu bestätigen (Art 5 Z 2 des Abkommens).
Dem Revisionsrekurs des Antragsgegners ist daher iSd Aufhebungsantrags Folge zu geben, die Entscheidung der Vorinstanzen aufzuheben und die Exekutionssache an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen. Das Erstgericht wird vor seiner neuerlichen Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung dem Antragsteller mittels Verbesserungsauftrags (dazu Burgstaller/Höllwerth aaO § 83 Rz 16 und § 84 Rz 31) die Möglichkeit zu geben haben, die bisher nicht beigebrachte und im Hinblick auf die Sachlage nunmehr jedenfalls erforderliche Vollstreckbarkeitsbestätigung nach Art 5 Z 2 des Abkommens vorzulegen.
Anmerkung
E915803Ob40.09t-2Schlagworte
Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inZak 2009/612 S 379 - Zak 2009,379 = EvBl-LS 2009/174XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0030OB00040.09T.0722.000Zuletzt aktualisiert am
27.01.2010