Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Juli 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmid als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Vlastimir J***** wegen des Finanzvergehens der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 24. September 2008, GZ 38 Hv 141/07f-62, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung des konstatierten Verhaltens zu Punkt 1 des Schuldspruchs unter § 46 Abs 1 lit a FinStrG und zu Punkt 2 des Schuldspruchs unter § 44 Abs 1 lit a FinStrG sowie im Strafausspruch (inklusive der Aussprüche über den Verfall und den Wertersatz) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung (mit Ausnahme der Qualifikation nach § 44 Abs 1 lit a FinStrG zu Schuldspruch 2) zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen. Ihm fallen auch die Kosten des Verfahrens über seine Nichtigkeitsbeschwerde zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem - auch einen rechtskräftigen Freispruch (US 3 f) ua vom Vorwurf, er habe in Salzburg und an anderen Orten von Juni 2004 bis Juni 2005 durch Handel mit der laut Schuldspruch 2 geschmuggelten Konterbande vorsätzlich in die Monopolrechte eingegriffen (§ 5 TabMG), enthaltenden - angefochtenen Urteil wurde Vlastimir J***** (richtig: jeweils) des Finanzvergehens der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG und der Monopolhehlerei nach § 46 Abs 1 lit a FinStrG (1) sowie (jeweils) der Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels „als Bestimmender" nach §§ 11 zweiter Fall, 35 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG und (wie mündlich verkündet - vgl ON 61 S 22 - und erkennbar auch nach der schriftlichen Urteilsausfertigung/US 2 und 16, jedoch verfehlt idealkonkurrierend) „des vorsätzlichen Eingriffs" in die Rechte des Tabakmonopols nach § 44 Abs 1 lit a FinStrG (2) schuldig erkannt.
Danach hat er
(1) am 15. September 2003 gewerbsmäßig (§ 38 Abs 1 lit a FinStrG) in Mondsee vorsätzlich eine Sache, nämlich 107.440 Stück ausländische unverzollte eingangsabgabenpflichtige Zigaretten der Marke „Memphis", hinsichtlich welcher ein Schmuggel begangen und Eingangsabgaben von 17.581,48 Euro (Zoll: 4.331,98 Euro, Tabaksteuer: 9.065,79 Euro und Einfuhrumsatzsteuer: 4.183,71 Euro) sowie Monopolabgaben von 16.116 Euro verkürzt worden waren, gekauft;
(2) in Salzburg und anderen Orten von November 2004 bis Juni 2005 gewerbsmäßig (§ 38 Abs 1 lit a FinStrG) Jasmina F***** und andere abgesondert verfolgte Personen zum wiederholten Schmuggel von insgesamt mindestens 12.920 Stangen ausländischer unverzollter eingangsabgabenpflichtiger Zigaretten der Marke „Memphis" mit hinterzogenen Eingangsabgaben von insgesamt 453.464,34 Euro (Zoll: 104.186,88 Euro, Tabaksteuer: 243.553,40 Euro und Einfuhrumsatzsteuer: 105.724,06 Euro) „sowie an Monopolabgaben von 398.000 Euro" über den Grenzübergang Nickelsdorf bestimmt.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO erhobenen, ausdrücklich nur gegen den Schuldspruch 2 gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde:
Die im Rahmen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) mit dem Hinweis auf die unmittelbare Täterschaft der Zeugin Jasmina F***** geäußerte Kritik an der Begründungspassage, wonach die Angaben dieser Zeugin dem Erstgericht schon deshalb glaubwürdig erschienen, weil „nur ein Mittäter über einen derart detaillierten Wissensstand verfügen konnte" (US 10), ist vor dem Hintergrund der völlig einhelligen Verwendung des Begriffs Mittäter gerade für einen von mehreren unmittelbaren Tätern (RIS-Justiz RS0117628, RS0117320 uva; Fabrizy in WK2 § 12 Rz 24 ff) unverständlich.
Der im Zusammenhang mit den vom Erstgericht zitierten Ergebnissen der Überwachung von Nachrichten (US 10) erhobene Vorwurf (Z 5 vierter Fall) „willkürlicher Aufzählung von im Akt befindlichen Beweismitteln" ohne Verknüpfung mit dem Angeklagten geht angesichts der ausdrücklichen Bezugnahme auf die - dadurch nach Ansicht des Schöffensenats bestätigte - Aussage der Zeugin Jasmina F***** ins Leere. Soweit der Beschwerdeführer auf die idente Funktion des Vorsitzenden in diesem und einem inhaltlich im Zusammenhang stehenden Strafverfahren verweist, mangelt es - abgesehen von der verfehlten Anfechtungskategorie - an einem Ausgeschlossenheit konkretisierenden und eine solche deutlich relevierenden (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) Vorbringen (vgl Lässig, WK-StPO § 43 Rz 12).
Bei der Bezugnahme auf die Depositionen des Zeugen Georg W***** über Angaben des Angeklagten in Betreff von Straftaten anderer im Urteil (US 12) handelt es sich um keine Feststellung entscheidender Tatsachen, sondern bloß um einen von mehreren bei deren Konstatierung herangezogenen Umständen, die einer Anfechtung aus Z 5 entzogen sind (RIS-Justiz RS0116737). Mit den Motiven für die der am 27. Juni 2005 erfolgten Sicherstellung zugrundeliegende Anzeige des Beschwerdeführers (vgl US 5 f) setzte sich das Erstgericht ohnehin auseinander (US 13).
Der mit Schriftsatz vom 28. März 2008 (ON 34) vorgelegte Bericht des Landespolizeikommandos Salzburg vom 29. August (richtig:) 2007 und somit insbesondere die darin enthaltenen - im Rechtsmittel auch unter dem Aspekt der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht näher dargestellten - Angaben des abgesondert verfolgten Miroslav T***** wurden in der Hauptverhandlung weder verlesen (vgl ON 61 S 20), noch kamen sie sonst in dieser vor, weshalb sie auch bei der Urteilsfällung nicht berücksichtigt werden durften (§ 258 Abs 1 StPO). Demgemäß liegt die behauptete Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) insoweit gerade nicht vor (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 421 f und 427).
Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) - die ansonsten bloß die im Rahmen der Mängelrüge vorgetragenen Argumente wiederholt - im Ergebnis fordert, das Erstgericht hätte der Aussage des Beschwerdeführers und nicht jener der wegen dieses Sachverhalts selbst (in einem anderen Verfahren) beschuldigten Zeugin Jasmina F***** folgen müssen, zeigt sie keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen auf, sondern bekämpft bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung (RIS-Justiz RS0099649).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Zur amtswegigen Maßnahme:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass den Schuldsprüchen nicht geltend gemachte Nichtigkeit im Sinn von § 281 Abs 1 Z 10 und 11 erster Fall StPO anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Im gegebenen Fall - in dem nach den Feststellungen zum Schuldspruch 1 davon auszugehen ist, dass der Angeklagte der erste Übernehmer der Zigaretten im Inland war (und nicht ein Folge-Übernehmer) - wurde nicht das Finanzvergehen der Monopolhehlerei nach § 46 Abs 1 lit a FinStrG, sondern allenfalls jenes des (versuchten) vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Tabakmonopols nach § 44 Abs 1 lit a FinStrG (aus Sicht des Beschwerdeführers in der Begehungsform des § 11 dritter Fall FinStrG) verwirklicht, weil die Tathandlungen des § 46 Abs 1 FinStrG eine abgeschlossene Vortat erfordern. Das erste gewerbsmäßige Inverkehrbringen im Monopolgebiet stellt aber gerade erst jenen Handel mit Monopolgegenständen nach § 44 Abs 1 lit a FinStrG iVm § 5 TabMG dar, an den die Strafbarkeit weiterer Übernehmer (in einer Absatzkette) nach § 46 Abs 1 lit a FinStrG anknüpft (RIS-Justiz RS0120331). Eine Beteiligung (§ 11 dritter Fall FinStrG) des Übernehmers an der vom Schmuggler durch Verkauf der Zigaretten an den ersteren allenfalls verwirklichten Monopolverletzung nach § 44 Abs 1 lit a FinStrG ist - ungeachtet der Gleichsetzung der Begriffe „Handel" als „gewerbsmäßiges Inverkehrbringen" (§ 5 Abs 3 und 4 TabMG) und „Inverkehrsetzen" nach § 28 SMG (bzw § 28 Abs 2 vierter Fall SMG [aF] - RIS-Justiz RS0120331) - möglich, weil es sich beim Abnehmer geschmuggelter Zigaretten im Gegensatz zu jenem von Suchtgift (vgl RIS-Justiz RS0118879) um keine vom Schutz der verletzten Strafnorm (§ 44 Abs 1 lit a FinStrG iVm § 5 Abs 3 und 4 TabMG) unmittelbar erfasste Person handelt.
In Ansehung des Schuldspruchs 1 fehlen allerdings Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten im Hinblick auf einen gerade zur Monopolverletzung geleisteten Tatbeitrag (§ 11 dritter Fall FinStrG iVm § 44 Abs 1 lit a FinStrG - vgl US 5).
Der zu 2 ergangene Schuldspruch - auch - wegen Finanzvergehen des vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Tabakmonopols nach § 44 Abs 1 lit a FinStrG steht im offenen Widerspruch zum gleichzeitig gerade insoweit ergangenen Freispruch. Was das Schöffengericht mit Schuld- und Freispruch zum Ausdruck bringen wollte, ist unklar. Hätte der Freispruch bloß die Nichtannahme der rechtlichen Kategorie des § 44 Abs 1 lit a FinStrG durch Einfuhr der Zigaretten bedeuten sollen, wäre er als unzulässiger Freispruch bloß von einer Subsumtion, nicht vom Vorwurf einer Tat, unwirksam (die Nichtannahme der Subsumtion aber aufgrund der Aufhebung des Einfuhrverbots von Tabakerzeugnissen [vgl RIS-Justiz RS0119558] zutreffend). Andererseits entbehrt die Annahme einer mit der Einfuhr real konkurrierenden rechtlichen Kategorie (etwa durch eine der Einfuhr folgende Veräußerung) jeder Feststellungsgrundlage, sodass der Freispruch gerade als auf Taten bezogen und somit wirksam begriffen werden kann. In diesem Fall wäre nach Maßgabe geordneter Gedankenführung der Schuldspruch wegen der rechtlichen Kategorie des § 44 Abs 1 lit a FinStrG auf die Einfuhr gemünzt gewesen und damit nach dem Gesagten rechtsirrig. In jedem Fall liegt Nichtigkeit aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO vor und kommt ein Schuldspruch in diesem Umfang im zweiten Rechtsgang nicht mehr in Betracht.
Bei diesem Schuldspruchpunkt ist dem Erstgericht im Hinblick auf die Tabaksteuer ein weiterer Subsumtionsfehler unterlaufen: Das Urteil lässt in den Entscheidungsgründen den durchaus naheliegenden (vgl US 2) Umstand offen, dass die gegenständlichen Zigaretten über den Grenzübergang Nickelsdorf, also von Ungarn - im Tatzeitraum bereits Mitglied der Europäischen Union - nach Österreich eingeführt wurden, in welchem Fall die Tabaksteuer nicht gemäß §§ 9 Abs 5 und 25 TabStG als Einfuhrabgabe, sondern gemäß § 27 Abs 1 iVm Abs 5 TabStG als Selbstberechnungsabgabe anzumelden und zu entrichten war. Deren Hinterziehung aber fällt nicht unter den Tatbestand des § 35 Abs 1 lit a FinStrG, sondern denjenigen des § 33 Abs 1 FinStrG (13 Os 9/08k, EvBl 2009/64, 420). Während nach Art 7 der Richtlinie 92/12/EWG vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (Systemrichtlinie), auf der das TabaksteuerG aufbaut (RV 1702 BlgNR XVIII. GP 19), als Steuerschuldner (gleichrangig, je nach Fallgestaltung) der Transporteur, der Versender oder der Empfänger der von einem in einen anderen EU-Mitgliedstaat verbrachten verbrauchsteuerpflichtigen Waren in Frage kommt, ist der Steueranknüpfungstatbestand des § 27 Abs 2 TabStG nach der gesetzlichen Systematik gegenüber jenem des Abs 1 subsidiär, das heißt, dass im Fall eines von vornherein feststehenden (vgl VwGH vom 10. Juli 2008, 2005/16/0077) Beziehers zu gewerblichen Zwecken dieser als Schuldner der erst im Zeitpunkt der Empfangnahme durch ihn entstehenden Steuer zu deren Anmeldung und Entrichtung verpflichtet ist. Was unter Bezug zu gewerblichen (im Gegensatz zu privaten) Zwecken zu verstehen ist, wird in § 29 Abs 2 TabStG - aufbauend auf Art 9 der Systemrichtlinie - näher umschrieben. Der geplante, gewinnbringende Weiterverkauf der geschmuggelten Zigaretten auf dem Schwarzmarkt (vgl US 6 ff) in der hier in Rede stehenden Menge ist ohne Zweifel „gewerblicher" Natur (vgl BGH, 5 StR 372/06, zur ebenfalls auf der Systemrichtlinie aufbauenden deutschen Rechtslage). Für den dem Schuldspruch 2 zugrunde liegenden Sachverhalt bedeutet dies, dass der Beschwerdeführer als Steuerschuldner im Sinne § 27 Abs 1 TabStG nach Entstehen der Steuerschuld durch Empfangnahme der Zigaretten von den durch ihn beauftragten Schmugglern unverzüglich eine Steueranmeldung beim für seinen Geschäfts- oder Wohnsitz zuständigen Hauptzollamt (mangels eines solchen - vgl US 1 und 4 - beim ersten befassten Zollamt) abzugeben und die Steuer - da das Verfahren nach § 27 Abs 3 TabStG (offenbar) nicht eingehalten wurde - unverzüglich zu entrichten gehabt hätte (§ 27 Abs 5 TabStG). Das Schöffengericht hat hingegen verfehlt die Tabaksteuer als Eingangsabgabe behandelt und deren Hinterziehung in den Abgabenbetrag nach § 35 Abs 4 FinStrG des (richtig in Betreff jeder einzelnen Schmuggelfahrt) angenommenen Finanzvergehens nach § 35 Abs 1 lit a FinStrG eingerechnet. Infolgedessen hat es keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die eine Annahme der - hier im Gegensatz zur 13 Os 9/08k zugrunde liegenden Konstellation (die sich insbesondere hinsichtlich des Schuldners und des Zeitpunkts des Entstehens der Steuer unterscheidet) jeweils nur als real konkurrierende strafbare Handlungen in Frage kommenden - Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 FinStrG in objektiver wie subjektiver Hinsicht erlauben würden.
Zu beiden Schuldspruchpunkten wurde überdies auch die Einfuhrumsatzsteuer auf Basis der erstgerichtlichen Feststellungen zu Unrecht in den gemäß § 35 Abs 4 (iVm § 38 Abs 1 lit a) FinStrG gebildeten Abgabenbetrag eingerechnet, weshalb dem Urteil auch eine Nichtigkeit im Sinn der Z 11 erster Fall des § 281 Abs 1 StPO anhaftet. Werden Waren nicht unmittelbar aus einem (nicht zur Europäischen Union gehörenden) Drittstaat nach Österreich eingeführt, fällt Einfuhrumsatzsteuer nach den - auch auf diese gemäß § 26 UStG iVm § 2 Abs 1 ZollR-DG anzuwendenden - zollrechtlichen Vorschriften nur in den in (seit den Tatzeiträumen unverändert in Geltung stehenden) Art 215 Abs 1 zweiter Anstrich oder Abs 4 ZK genannten Konstellationen im Inland an (erneut: 13 Os 9/08k, EvBl 2009/64, 420). Vorliegend hätte die Hinzurechnung der Einfuhrumsatzsteuer zu beiden Punkten des Schuldspruchs entweder der Feststellung bedurft, dass die gegenständlichen Zigaretten unmittelbar aus einem Drittland (zum Zeitpunkt des von Schuldspruch 1 erfassten Geschehens etwa nah Slowenien und nicht beispielsweise aus Italien) nach Österreich eingeführt wurden (vgl Art 202 Abs 1 lit a iVm Art 215 Abs 1 erster Anstrich ZK) oder, dass der Ort der Entstehung der Zollschuld (iSd Art 215 Abs 1 zweiter Anstrich ZK), also der (erstmaligen) Einfuhr in die Europäische Union, nicht bestimmt werden kann. Aus der Einfuhr der Zigaretten über den Grenzübergang Nickelsdorf nach Österreich würde übrigens nicht zwingend folgen, dass die Konterbande erstmals in Ungarn auf das Gebiet der Europäischen Union gelangte.
Das aufgezeigte Konstatierungsdefizit die Schmuggelroute betreffend hat allerdings - entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur - keine Konsequenzen für die (mögliche) Einrechnung der jeweiligen Zollschuld in den strafbestimmenden Wertbetrag. Anders als bei der - zwar harmonisierten, aber national geregelten - Einfuhrumsatzsteuer handelt es sich beim Zoll nämlich um eine „durch unmittelbar wirksame Rechtsvorschriften der Europäischen Union" (den Zollkodex und diesen näher ausgestaltende Rechtsakte) geregelte öffentliche Abgabe im Sinn von § 2 Abs 1 lit a zweiter Fall FinStrG, deren Hinterziehung solcherart vom Geltungsbereich des Finanzstrafgesetzes erfasst ist. Zudem gilt gemäß § 5 Abs 2 zweiter Satz FinStrG ein nicht im Inland, aber im Zollgebiet der Europäischen Union begangenes und im Inland entdecktes Finanzvergehen als im Inland begangen (vgl den Tatbestand des § 35 Abs 1 FinStrG, der auf „das Zollgebiet" abstellt, das gemeinschaftsrechtlich in Art 3 ZK definiert ist). Diese Vorschrift regelt nicht die - dem Strafrecht vorgelagerte - Frage nach dem Entstehen der Zollschuld, vielmehr Konsequenzen der Missachtung einer aufgrund anderer Bestimmungen (hier: Art 202 iVm 215 ZK) entstandenen Abgabenschuld im Sinn eines erweiterten Geltungsbereichs österreichischer Strafgesetze (13 Os 9/08k, EvBl 2009/64, 420; Reger/Hacker/Kneidinger, FinStrG3 § 5 Rz 6 f; vgl auch Fuchs, AT I7 5/11 ff). Welchem Mitgliedstaat die Erhebung der Zollschuld zusteht, ist von der Frage der strafrechtlichen Verfolgung des Schmuggels zu trennen.
Schließlich begründet die gänzliche Unterlassung einer - als solcher erkennbaren - Verhältnismäßigkeitsprüfung bei den Aussprüchen über den Verfall (§ 17 Abs 6 FinStrG) und den Wertersatz (§ 19 Abs 5 FinStrG) Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO (RIS-Justiz RS0088035). Hinsichtlich des (richtig nach § 17 Abs 2 lit b FinStrG) für verfallen erklärten Werterlags (vgl § 89 Abs 7 FinStrG) von 4.800 Euro darf eine derartige Prüfung nur dann unterbleiben, wenn die für den Zigarettenschmuggel eingerichteten Verstecke im sichergestellten Reisebus (vgl US 6) im Sinn des § 17 Abs 6 FinStrG nicht beseitigt werden können (vgl Reger/Hacker/Kneidinger, FinStrG3 § 17 Rz 86 f), wofür das Urteil jedoch keine Anhaltspunkte enthält.
In Teilrechtskraft (§ 289 StPO) erwachsen daher der Schuldspruch 1 in der Unterstellung unter §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG mit einem Verkürzungsbetrag von 13.397,77 Euro (aus Zoll und Tabaksteuer) und der Schuldspruch 2 in der Unterstellung unter §§ 11 zweiter Fall, 35 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG mit einem Abgabenbetrag von 104.186,88 Euro (aus Zoll).
Geht nämlich der Oberste Gerichtshof als Folge der Verneinung einer zugunsten des Angeklagten geltend gemachten Nichtigkeit aus Z 11 erster Fall des § 281 Abs 1 StPO oder anlässlich einer aus diesem Grund nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO getroffenen Maßnahme - abgesehen von dieser - von der Einhaltung der Strafbefugnisgrenze durch das Erstgericht aus, kann er hinsichtlich des Schuldspruchs und abgabenrechtlich relevanter Einzelpositionen (vorliegend des Zolls und - zu Schuldspruch 1 - der Tabaksteuer), die als selbständige Teile des (den Strafrahmen bildenden) strafbestimmenden Wertbetrags trennbare Verfügungen nach § 289 StPO darstellen, Teilrechtskraft anordnen (eingehend: 13 Os 105/08b, EvBl 2009/78, 515; RIS-Justiz RS0124714). Die durch die StGNov 1989 geschaffene Möglichkeit, die in Z 11 des § 281 Abs 1 StPO zusammengefassten Nichtigkeitsgründe auch mit Berufung geltend zu machen (vgl 12 Os 119/06a [verst Senat], EvBl 2007/130, 700; Ratz, WK-StPO § 283 Rz 1), steht dem nicht entgegen, weil eine Korrektur des diesbezüglichen Ausspruchs des Obersten Gerichtshofs als Oberster Instanz in Strafrechtssachen (Art 92 Abs 1 B-VG) durch ein allenfalls nachträglich mit der Entscheidung über die Berufung befasstes Oberlandesgericht (§ 285i StPO) systemwidrig wäre. Wenn jedoch in Betreff derselben Sanktion zum Nachteil des Angeklagten Berufung ergriffen oder ein nach § 290 Abs 1 dritter Satz StPO zu beurteilendes (demgemäß im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren unbeantwortetes - vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 28) Vorbringen erstattet oder der Strafrahmen in einem solchen Rechtsmittel zwar nicht vom Angeklagten selbst, aber in derselben Richtung wie von diesem - etwa von einem weiteren Beteiligten (für den - auf dieselben Taten bezogen - derselbe strafbestimmende Wertbetrag gilt) oder in den Fällen des § 282 Abs 1 StPO - angesprochen wurde, hat eine derartige Anordnung von Teilrechtskraft zu unterbleiben, weil dann für den Obersten Gerichtshof ein im Rahmen der Berufung zu erledigendes Rechtsschutzbedürfnis erkennbar ist (vgl auch Ratz, WK-StPO § 281 Rz 742 f und § 294 Rz 4).
Im zweiten Rechtsgang wird zu prüfen sein, ob die als Basis für die Subsumtion des vorgeworfenen Verhaltens zu Schuldspruch 1 (auch) als vorsätzlicher Eingriff in die Rechte des Tabakmonopols nach §§ 11 dritter Fall, 44 Abs 1 lit a FinStrG und im Zusammenhang mit Schuldspruch 2 für die Annahme von Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG in Ansehung der Tabaksteuer erforderlichen Feststellungen (auch zum [fehlenden] Geschäfts- und Wohnsitz des Steuerschuldners im Zuständigkeitsbereich eines inländischen Hauptzollamts) getroffen werden können. Zu beiden Schuldsprüchen werden in tatsächlicher Hinsicht die Grundlagen für eine Einrechnung der Einfuhrumsatzsteuer in den Abgabenbetrag (§ 35 Abs 4 FinStrG) zu klären sein.
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten, die das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde, nicht jedoch das amtswegige Vorgehen betrifft, beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E91466European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0130OS00027.09H.0723.000Im RIS seit
22.08.2009Zuletzt aktualisiert am
11.08.2011