Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Wolfgang T*****, vertreten durch Mag. Bernhard Kispert, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Claudia H*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Dieter Eckhart, Rechtsanwalt in Klagenfurt, als Verfahrenshelfer, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 15. Jänner 2009, GZ 4 R 19/09z-22, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 17. November 2008, GZ 2 Fam 12/08h-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit 371,52 EUR (darin 61,92 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:
Das Rekursgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es könnten zu den von ihm eingenommenen Rechtsstandpunkten durchaus auch gegenteilige Meinungen vertreten werden.
1. Diese Zulassungsbegründung des Rekursgerichts ist angesichts der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten erheblichen Rechtsfrage eine völlig inhaltsleere Allgemeinfloskel; eine erhebliche Rechtsfrage wird damit gerade nicht aufgezeigt. Dass jedenfalls in einem Verfahren, welches in zweiter Instanz anhängig gewesen ist, unterschiedliche Rechtsstandpunkte eingenommen werden können, liegt schon allein deshalb auf der Hand, weil es sonst gar nicht zum Rekursverfahren gekommen wäre. Dann müsste der Oberste Gerichtshof jedoch praktisch in allen Verfahren die Sachentscheidung fällen, obgleich sie in Wahrheit keine erhebliche Rechtsfrage, sondern nur die Einzelfallgerechtigkeit berührende Wertungsfragen aufwirft (RIS-Justiz RS0122015, zuletzt 6 Ob 122/09y).
2. Aber auch der Antragsteller zeigt in seinem Revisionsrekurs keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung auf beziehungsweise sind die von ihm vorgetragenen Rechtsstandpunkte letztlich nicht entscheidungswesentlich:
2.1. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen sind sowohl der Antragsteller, der in früheren Zeiten offensichtlich über ein monatliches Einkommen von rund 7.000 EUR als Vorstandsmitglied eines Elektronikunternehmens verfügt haben dürfte, als auch die Antragsgegnerin, seine zwischenzeitig volljährig gewordene Tochter, derzeit beschäftigungslos und verfügen über keinerlei Einkünfte; sie haben auch kein Vermögen. Während die Tochter im Haushalt ihrer Mutter wohnt, lebt der Antragsteller „auf Kosten seiner Gattin in gut situierten Verhältnissen in P*****". Er könnte ein Arbeitslosengeld von monatlich 320 EUR beziehen, stellt diesbezüglich jedoch keinen Antrag, weil - wie er auch noch im Revisionsrekurs darlegt - dadurch „ein späterer Bezug des Pensionsgeldes verhindert beziehungsweise ein früherer Bezug des Pensionsgeldes gesichert werden" soll. Die Antragsgegnerin ist psychisch sehr labil und hat bereits mehrere Suizidversuche hinter sich; deshalb hat sie bislang noch keine Ausbildung abgeschlossen und ist auf dem Arbeitsmarkt auch nicht vermittelbar.
Der Antragsteller strebt mit seinem Antrag vom 22. 7. 2008 die „künftige Befreiung" von seiner seit 1. 7. 2003 bestehenden Unterhaltsverpflichtung von monatlich 250 EUR „rückwirkend per Juni 2008, d. für die Monate Juni und Juli" an.
Die Vorinstanzen wiesen diesen Antrag ab.
2.2. Nach Auffassung des Antragstellers befindet sich die Antragsgegnerin in „Drittpflege", weshalb beide Elternteile nach Maßgabe ihrer Lebensverhältnisse zur Zahlung einer Geldrente verpflichtet wären. Was er mit „Drittpflege" genau meint, bleibt jedoch offen:
2.2.1. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wohnt die Antragsgegnerin nach wie vor im Haushalt ihrer Mutter. Da sie einkommens- und vermögenslos, auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelbar und gesundheitlich beeinträchtigt ist, unterstellt ihr nicht einmal ihr Vater im Revisionsrekursverfahren tatsächliche oder fiktive Selbsterhaltungsfähigkeit; ist die Antragsgegnerin aber nicht selbsterhaltungsfähig, muss davon ausgegangen werden, dass ihre Mutter ihr Unterhalt im Sinne des § 140 Abs 2 Satz 1 ABGB erbringt. Jedenfalls stellt die Mutter ihr Naturalunterhalt durch Wohnen und Lebenshaltung zur Verfügung, der nach allgemeinem Erfahrungsschatz wohl nicht unter 250 EUR monatlich liegen dürfte. Dass die Mutter in erheblich besseren Lebensverhältnissen leben würde als der Antragsteller und daher mehr Unterhalt leisten müsste als dieser, lässt sich dem Akteninhalt nicht entnehmen.
2.2.2. Dem Akteninhalt entnehmen lässt sich hingegen, dass sich die Antragsgegnerin mitunter stationär - auch in geschlossenen Abteilungen - in Krankenanstalten aufhält; diese Aufenthalte scheinen jedoch jeweils nur kurzfristig zu sein, jedenfalls lässt sich dem Vorbringen des Antragstellers diesbezüglich nichts Gegenteiliges entnehmen. Die Gefahr einer Doppelversorgung der Antragsgegnerin durch öffentlich-rechtliche Leistungen einerseits und Unterhaltsleistungen andererseits ist somit entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung nicht gegeben; die Unterhaltsbedürfnisse sind durch kurzzeitige Aufenthalte in Krankenanstalten jedenfalls dann nicht zur Gänze gedeckt, wenn dem Kind ohnehin - wie im vorliegenden Fall - nur Unterhalt in einem weit unter dem Durchschnittsbedarfssatz liegendem Ausmaß zusteht (siehe die bei Gitschthaler, Unterhaltsrecht² [2008] Rz 341 zur insoweit vergleichbaren Situation eines Untersuchungshäftlings erwähnte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs).
2.3. Der Antragsteller erwähnt in seinem Revisionsrekurs eine Abdeckung der Unterhaltsansprüche der Antragsgegnerin „durch öffentliche Verpflichtungen wie zum Beispiel der Sozialpflege und der Invaliditätspension". Ein Bezug derartiger Leistungen durch die Antragsgegnerin lässt sich jedoch weder aus den Feststellungen der Vorinstanzen noch aus dem Akteninhalt ersehen; dem Versicherungsdatenauszug der Antragsgegnerin ON 2 lässt sich eher das Gegenteil entnehmen.
2.4. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht kein zwingender Grund, Unterhaltsempfänge eines Ehegatten aus seinem Einkommen auszuscheiden, wenn es um die gegen ihn gerichteten Unterhaltsansprüche seiner Kinder geht (vgl die Nachweise bei Gitschthaler, Unterhaltsrecht² [2008] Rz 133); dies gilt auch für Sachleistungen (1 Ob 337/99m EvBl 2000/114; 4 Ob 42/01g JBl 2001, 645; 9 Ob 100/06f). Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen zu Lasten des Antragstellers berücksichtigt haben, dass er „auf Kosten" seiner Ehegattin lebt. Weshalb es sich bei diesen Leistungen um bloß freiwillig geleistete, jederzeit widerrufliche und daher nach nunmehriger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht zu berücksichtigende (6 Ob 5/04k EFSlg 107.114; 10 Ob 96/05y EFSlg
110.225 ua) Zuwendungen handeln sollte, ist nicht nachvollziehbar. Der Antragsteller übersieht mit dieser Argumentation, dass seine Ehegattin ihm gegenüber eine Unterhaltspflicht nach § 94 ABGB trifft (zur allfälligen Berücksichtigung weitergehender Ansprüche des Antragstellers bei Ermittlung seiner Unterhaltsbemessungsgrundlage vgl im Übrigen 7 Ob 164/06b EF-Z 2006/76; 9 Ob 100/06f). Da der Antragsteller und seine Ehegattin „in gut situierten Verhältnissen in P*****" leben, ist die Annahme eines „Sachwertbezugs" zu Lasten des Antragstellers (gemeint: der Wert der Wohnmöglichkeit, die seine Ehegattin dem Antragsteller zur Verfügung stellt) durch die Vorinstanzen nicht zu beanstanden; jedenfalls übersteigt diese Frage an Bedeutung das vorliegende Verfahren nicht (§ 62 Abs 1 AußStrG).
2.5. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs muss sich der Unterhaltspflichtige im Sinne der Anspannungstheorie mögliche öffentlich-rechtliche Leistungen anrechnen lassen, wenn er es aus in seiner Sphäre liegenden Gründen unterlässt, einen Antrag auf Gewährung öffentlich-rechtlicher Leistungen zu stellen (RIS-Justiz RS0047385, zuletzt 8 Ob 76/08x). Es ist daher ebenfalls nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen davon ausgegangen sind, dass der Antragsteller, der Anspruch auf Arbeitslosengeld von 320 EUR monatlich hätte, angesichts seiner eigenen Versorgung durch die Ehegattin davon den festgesetzten Unterhalt von 250 EUR monatlich leisten könnte. Sein Einwand, aus eigenen ökonomischen beziehungsweise wirtschaftlichen Interessen sei er dazu nicht verpflichtet, weil durch einen Antrag auf Arbeitslosengeld „ein späterer Bezug des Pensionsgeldes verhindert beziehungsweise ein früherer Bezug des Pensionsgeldes gesichert werden" solle, ist unbeachtlich; es kann nicht angehen, dass der Unterhaltspflichtige seinem Kind Unterhalt unter Hinweis auf eine Vorgehensweise verwehrt, durch die er für sich selbst, wenn auch später, einen Vorteil lukrieren will.
3. Da die Auffassung der Vorinstanzen, den Antragsteller trotz seiner derzeitigen Einkommenslosigkeit nicht von seiner Unterhaltsverpflichtung zu entheben, durchaus im Einklang mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung steht, war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet auf § 78 Abs 2 AußStrG. Die Antragsgegnerin hat in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.
Anmerkung
E917486Ob148.09xSchlagworte
Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inZak 2009/595 S 374 - Zak 2009,374XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00148.09X.0805.000Zuletzt aktualisiert am
12.11.2009