TE OGH 2009/8/5 6Ob131/09x

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Veröffentlicht am 05.08.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Firmenbuchsache der T***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Wien, über den Revisionsrekurs des Otto S*****, vertreten durch den einstweiligen Sachwalter Dr. Manfred S*****, dieser vertreten durch Dr. Ulrich Klimscha, öffentlicher Notar in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 6. Mai 2009, GZ 28 R 89/09b-12, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 16. März 2009, GZ 75 Fr 1036/09a-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass im Firmenbuch unter FN ***** bei der T***** Gesellschaft mbH beim alleinigen Geschäftsführer Otto S***** sowie beim Gesellschafter Otto S***** jeweils folgender Zusatz einzutragen ist: „Dr. Manfred S*****, einstweiliger Sachwalter 10 P 91/08k Bezirksgericht Döbling".

Das Erstgericht hat die erforderlichen Veranlassungen vorzunehmen.

Text

Begründung:

In dem beim Erstgericht geführten Firmenbuch ist unter FN ***** die T***** Gesellschaft mbH seit 3. 8. 1994 eingetragen. Alleiniger Gesellschafter ist Otto S*****, geboren am 13. 3. 1918. Auch alleiniger Geschäftsführer ist Otto S*****; er vertritt seit 5. 6. 2003 selbständig.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 22. 10. 2008, GZ 10 P 91/08k-7, wurde Dr. Manfred S***** (im Folgenden: der Einschreiter) für die Dauer des Verfahrens, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters geprüft wird, zum einstweiligen Sachwalter für Otto S***** bestellt. Der einstweilige Sachwalter hat folgende dringende Angelegenheiten zu besorgen: Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern; Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten; Vertretung bei Rechtsgeschäften, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen.

Mit Antrag vom 27. 1. 2009 begehrte der Einschreiter als einstweiliger Sachwalter des Otto S*****, „dieser wiederum als alleiniger Geschäftsführer der T***** Gesellschaft mbH" gemäß § 16 FBG die Eintragung jeweils nach dem Namen und dem Geburtsdatum Otto S*****s sowohl als Geschäftsführer als auch als Gesellschafter des Beisatzes „Dr. Manfred S*****, einstweiliger Sachwalter 10 P 91/08k Bezirksgericht Döbling".

Das Erstgericht wies den Antrag ab. In den §§ 3 und 5 FBG seien die allgemeinen und die für Gesellschaften mit beschränkter Haftung geltenden besonderen Eintragungstatbestände aufgezählt. Der Katalog der einzutragenden Tatsachen gemäß § 3 FBG sei grundsätzlich taxativ. Lediglich in § 4 FBG, welcher die besonderen Eintragungstatbestände bei Einzelunternehmen und eingetragenen Personengesellschaften betreffe, sei unter Z 2 vorgesehen, die Bestellung eines Sachwalters einzutragen. Mit Beschluss vom 29. 1. 2009 sei zwar eine mit Rechtskraftstampiglie versehene Beschlussausfertigung abverlangt worden, dies ändere aber nichts daran, dass für die Eintragung eines Sachwalters bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung keine gesetzliche Grundlage bestehe.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach § 15 GmbHG könnten zu Geschäftsführern nur physische, handlungsfähige Personen bestellt werden. Dies habe zur Folge, dass im Falle des Verlusts der Eigenberechtigung des Geschäftsführers seine Organstellung ex lege ende, sodass seine Vertretungshandlungen unwirksam seien. Der Verlust der Handlungsfähigkeit des Geschäftsführers sei im Anwendungsfall ein Vertretungsmangel im Sinne des § 15a GmbHG. Habe aber die Organstellung Otto S*****s als Geschäftsführer ex lege mit dem Eintritt seiner Geschäftsunfähigkeit geendet, ergebe sich daraus zwingend, dass der für Otto S***** bestellte Sachwalter nicht gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft sei.

Das FBG regle die eintragungsfähigen Tatsachen abschließend. Gesetzlich nicht vorgesehene Eintragungen hätten grundsätzlich zu unterbleiben, weil sonst die Gefahr bestehe, dass das Firmenbuch unübersichtlich werde. Die Eintragung des Einschreiters als Sachwalter würde auch dem Zweck des Firmenbuchs, dem Schutz des Rechtsverkehrs zu dienen, zuwiderlaufen, weil die Eintragung die tatsächlichen Vertretungsverhältnisse verschleiern würde.

§ 3 Z 8 FBG beziehe sich nur auf die für die Gesellschaft vertretungsbefugten Personen, nicht aber auf die Vertreter von Gesellschaftern. § 3 Z 16 FBG schaffe keinen eigenen Eintragungsbestand, sondern setze einen solchen voraus. Eine Gesetzeslücke liege nicht vor, weil die Rechtslage eindeutig sei.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Eintragung des Sachwalters beim Geschäftsführer und beim Gesellschafter einer GmbH fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

1.1. Nach § 120 AußStrG ist, wenn es das Wohl der betroffenen Person erfordert, zur Besorgung dringender Angelegenheiten längstens für die Dauer des Verfahrens ein einstweiliger Sachwalter mit sofortiger Wirksamkeit zu bestellen. § 120 letzter Satz AußStrG verweist auf § 123 Z 1 bis 4 und § 126 AußStrG. Nach § 126 Abs 1 AußStrG sind von der Bestellung des Sachwalters unter anderem auf geeignete Weise diejenigen Personen und Stellen zu verständigen, die nach den Ergebnissen des Verfahrens ein begründetes Interesse daran haben. Weiters hat nach § 126 Abs 2 AußStrG das Gericht zu veranlassen, dass die Bestellung des Sachwalters in die öffentlichen Bücher und Register eingetragen wird, wenn der Wirkungskreis des Sachwalters die in dem betreffenden Buch oder Register eingetragenen Rechte umfasst.

1.2. Die Verständigungen nach § 126 AußStrG dürfen im unmittelbaren Anwendungsbereich der Bestimmung erst nach Rechtskraft des Bestellungsbeschlusses vorgenommen werden (Zankl/Mondl in Rechberger, AußStrG § 126 Rz 2). Dies gilt bei der bloß „sinngemäßen" (§ 120 letzter Satz AußStrG) Anwendung dieser Bestimmungen auf die einstweilige Sachwalterschaft jedoch nicht, sieht das Gesetz doch ausdrücklich vor, dass die Bestellung des einstweiligen Sachwalters sofort wirksam wird.

2.1. Nach § 3 Z 8 FBG ist bei allen Rechtsträgern Name und Geburtsdatum des Einzelkaufmanns bzw bei anderen Rechtsträgern Name und Geburtsdatum ihrer vertretungsbefugten Personen sowie der Beginn und die Art ihrer Vertretungsbefugnis einzutragen. § 4 Z 2 FBG sieht weiters bei Einzelkaufleuten und Personengesellschaften die Eintragung der Bestellung eines Sachwalters und des Verlassenschaftsprovisoriums (§ 32 UGB) vor. Nach § 5 Z 6 FBG sind bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung Name und Geburtsdatum der Gesellschafter, gegebenenfalls ihre Firmenbuchnummer sowie ihre Stammeinlagen und die darauf geleisteten Einzahlungen einzutragen.

2.2. Den Vorinstanzen ist zuzugeben, dass die Bestimmungen über die Eintragungen im Firmenbuch grundsätzlich taxativ sind. Das FBG regelt die eintragungsfähigen Tatsachen grundsätzlich abschließend. Von gesetzlich nicht vorgesehenen Eintragungen hat das Firmenbuch frei zu bleiben, weil sonst die Gefahr besteht, dass es unübersichtlich wird (G. Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 1 Rz 6; RIS-Justiz RS0061788; Schenk in Straube, HGB3 § 8 Rz 10; 6 Ob 307/05y; 6 Ob 314/04a; 6 Ob 313/99v).

2.3. Dies schließt jedoch in engen Grenzen eine analoge Anwendung nicht aus. Schon bisher wurde auch ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage der Firmenzusatz „in Liquidation" als zulässig angesehen (OLG Wien HS 759). Gleiches gilt für die Eintragung der Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis eines Gesellschafters durch einstweilige Verfügung (3 Ob 380/58 HS 1246 [151]). In neuerer Zeit hat das Oberlandesgericht Wien etwa eine vom Ausgleichsgericht angeordnete Beschränkung der Verfügungsfähigkeit des Ausgleichsschuldners gemäß § 3 Abs 2 Satz 3 AO für eintragungsfähig angesehen (28 R 280/08i).

3.1. Dabei ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, ob der Verlust der Geschäftsfähigkeit des Geschäftsführers zum Verlust seines Amtes geführt hat. Eine derartige Überprüfung könnte im Zuge eines Amtslöschungsverfahrens nach § 10 Abs 2 FBG erfolgen, zu dessen Einleitung die Vorinstanzen bisher jedoch offenbar keine Veranlassung gesehen haben. Solange Otto S***** aber als Gesellschafter und Geschäftsführer eingetragen ist, besteht jedenfalls schon zu seinem Schutz ein Interesse daran, die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters auch im Firmenbuch ersichtlich zu machen, liefe doch andernfalls die Bestimmung des § 126 Abs 2 AußStrG leer.

3.2. Hier ist insbesondere hervorzuheben, dass vorerst bloß ein einstweiliger Sachwalter bestellt wurde, das Pflegschaftsgericht also die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters noch nicht abschließend beurteilt hat. Während eines derartigen Schwebezustands wäre aber weder eine Löschung nach § 10 Abs 2 FBG sinnvoll, noch stünde es mit dem mit § 120 AußStrG verfolgten Schutzanliegen des Gesetzes im Einklang, wenn die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters für die beteiligten Verkehrskreise nicht aus dem Firmenbuch zu entnehmen wäre.

4. Die vom Rekursgericht befürchtete Verschleierung der tatsächlichen Vertretungsverhältnisse (vgl 6 Ob 224/07b) ist mit einer derartigen Eintragung keineswegs verbunden, steht es doch jedem, der in das Firmenbuch Einsicht nimmt, frei, aus der Eintragung eines einstweiligen Sachwalters selbst die erforderlichen rechtlichen Schlüsse zu ziehen. Auch die Gefahr einer Unübersichtlichkeit des Firmenbuchs besteht im vorliegenden Fall nicht. Im Übrigen kann der Grundsatz der Übersichtlichkeit des Firmenbuchs vor der Richtigkeit und Vollständigkeit der Eintragungen keinen Vorrang beanspruchen.

5. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass keineswegs jede Bestellung eines einstweiligen Sachwalters im Firmenbuch einzutragen ist. Voraussetzung ist vielmehr, dass der Kreis der vom (einstweiligen) Sachwalter zu besorgenden Agenden einen möglichen Bezug zu gesellschafts- bzw firmenbuchrechtlichen Angelegenheiten aufweist (vgl § 126 Abs 2 AußStrG). Dass diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt ist, soweit es um die Eintragung des Otto S***** als Gesellschafter geht, kann in Anbetracht der auch alle über die Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehenden Rechtsgeschäfte umfassenden Wirkungskreises des einstweiligen Sachwalters keinem Zweifel unterliegen. Hinsichtlich der Eigenschaft Otto S*****s als Geschäftsführer kommt dem einstweiligen Sachwalter zwar keine Vertretungsbefugnis zu. Insoweit kann die Eintragung aber für die beteiligten Verkehrskreise eine sinnvolle Warnfunktion erfüllen.

6. Dem Revisionsrekurs war daher spruchgemäß Folge zu geben; die Entscheidungen der Vorinstanzen waren spruchgemäß abzuändern. Die erforderlichen Veranlassungen hat das Erstgericht vorzunehmen (§ 20 Abs 2 FBG).

Textnummer

E91746

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00131.09X.0805.000

Im RIS seit

04.09.2009

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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