Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rainer G*****, Rumänien, vertreten durch Ing. Dr. Stefan Krall und Dr. Oliver Kühnl, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei *****bank ***** reg. Gen.m.b.H., *****, vertreten durch Czernich Hofstädter Guggenberger & Partner Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 30.789 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 10. Februar 2009, GZ 3 R 188/08h-25, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 21. Oktober 2008, GZ 41 Cg 19/08z-21, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger, ein deutscher Staatsangehöriger mit damals deutschem Wohnsitz, eröffnete am 9. 1. 2003 bei der beklagten österreichischen Bank ein Nummernkonto und ein Nummernwertpapierdepot. Er bestätigte dabei, die Allgemeinen Vertragsbestimmungen und Sonderbedingungen für die Nutzung des Online Broking der Direktanlage in Österreich ebenso erhalten, gelesen und zustimmend zur Kenntnis genommen zu haben wie die Allgemeinen Vertragsbestimmungen und Sonderbedingungen für die Nutzung des Phone Broking Systems der Direktanlage in Österreich. Weiters beschrieb der Kläger sich damals als der Risikoklasse 4 zugehörig, ersuchte um jährliche Übermittlung der Kontoauszüge und nahm zur Kenntnis, dass er als ausländischer Kapitalanleger durch eine Wohnsitzerklärung die Möglichkeit habe, sich von der Kapitalertragsteuer in Österreich befreien zu lassen, dass er jedoch die steuerrechtlichen Bestimmungen seines Heimatlandes zu beachten habe, dass er sich bewusst sei, im Interesse besserer Konditionen auf jede Form der Beratung freiwillig zu verzichten und aufgrund dieses freiwilligen Verzichts auf jede Art von Beratung und Belehrung allenfalls auftretende Schäden selbst zu tragen habe, sowie dass die Beklagte in Österreich im Zusammenhang damit jegliche Haftung für eventuell entstandene (Anlage-)Schäden ablehne. Und schließlich bestätigte der Kläger noch, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, die Sonderbedingungen für grenzüberschreitende Überweisungen innerhalb der EU- und EWR-Staaten, wichtige Informationen zu der in Österreich gesetzgültigen Einlagensicherung, die besonderen Bedingungen für die Postzustellung und Geschäftsabwicklung und die Risikohinweise/Allgemeine Risiken bei Wertpapiergeschäften sowie Informationen über die besonderen Risiken bei Day-Trading erhalten, gelesen und zustimmend zur Kenntnis genommen zu haben, wobei diesbezüglich auf die „Broschüre Basics" hingewiesen wurde.
Die erwähnte Broschüre „Basics, Geschäftsbedingungen und Hinweise" enthielt auf 51 Seiten Allgemeine Geschäftsbedingungen, allgemeine Informationen zum Anlagegeschäft inklusive der Grundsätze der bestmöglichen Ausführung, Sonderbedingungen für den Überweisungsverkehr, besondere Bedingungen für Postzustellung und Geschäftsabwicklung, Risikohinweise sowie Teilnahmebedingungen für Elba-Online-Banking der Beklagten. Unter Punkt 11. der besonderen Bedingungen für die Postzustellung und Geschäftsabwicklung ist festgehalten:
Steuerliche Aspekte
Steuerrechtliche Vorschriften können sich im Laufe der Zeit ändern. Die D***** weist ausdrücklich darauf hin, dass insbesondere die steuerrechtlichen Bestimmungen des Wohnsitzstaats des jeweiligen Kontoinhabers zu beachten sind! Bezüglich der steuerlichen Behandlung von Finanzprodukten sowie die Beurteilung der Auswirkung eines Investments auf die individuelle Steuersituation sollte die Abstimmung jedenfalls gemeinsam mit einem Steuerberater erfolgen. Die D***** kann keine verbindlichen steuerlichen Aussagen treffen und schließt daher jedwede Haftung in diesem Zusammenhang aus.
Aus Punkt 2.1.1. der Allgemeinen Informationen zum Anlagengeschäft geht insbesondere hervor, dass die Beklagte im Rahmen des beratungsfreien Wertpapiergeschäfts von den Kunden Aufträge ohne vorangehende Beratung entgegennimmt, der Kunde auf eigene Verantwortung handelt und die Beklagte nur die Angemessenheit der Kenntnisse und Erfahrung zu den Produkten, die in Betracht gezogen werden, prüft.
Aus Punkt 8. der Teilnahmebedingungen für Elba-Online-Banking ergibt sich schließlich unter dem Titel „Warnhinweise", dass der Online-Nutzer im Rahmen des beratungsfreien Geschäfts per Erteilung einer Einzelorder bewusst auf eine detaillierte persönliche Beratung verzichte und die D***** daher bezüglich einer konkreten Kauf- oder Verkaufsentscheidung keine Haftung übernehme.
Bei Aufnahme ihrer Geschäftsbeziehung wurde zwischen den Parteien für alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag ausschließlich die Anwendung österreichischen Rechts vereinbart.
Am 18. 11. 2003 eröffnete der Kläger ein weiteres Nummernkonto samt Nummernwertpapierdepot. Dabei gab er die selbe Adresse in Deutschland wie im Jänner 2003 an, teilte der Beklagten jedoch mit, dass sich seine E-Mail-Adresse von m*****@t-online.de auf *****@yahoo.de geändert habe. Eine Wohnsitzverlegung nach Rumänien gab er gegenüber der Beklagten zu diesem Zeitpunkt nicht an, obwohl er bereits im Juli 2003 einen Mietvertrag für eine Wohnung in Rumänien abgeschlossen hatte.
Die Beklagte vermerkte die neue E-Mail-Adresse auf beiden Kontoeröffnungsverträgen.
Im Jahr 2004 verlegte der Kläger seinen Wohnsitz tatsächlich von Deutschland nach Rumänien, wobei er zunächst noch im ersten Halbjahr 2004 bei seinem Vater in Deutschland gelebt hatte. Seine rumänische Adresse teilte der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 10. 4. 2005 mit und führte dabei unter anderem aus:
Als Anlage erhalten Sie meine Adresse- und Wohnanschriftsänderungen.
Bitte senden Sie meine Unterlagen an die Adresse meiner Eltern in Deutschland. Diese werden die Unterlagen regelmäßig an mich weiterleiten. Hiefür habe ich Ihnen die neue Postanschrift mitgeteilt.
Ich bin im Jahr 2003 aus steuerlichen Gründen aus Deutschland nach Rumänien verzogen. Hiefür habe ich Ihnen meine neue Wohnanschrift mitgeteilt. Hier ist nun ein wichtiger Punkt zu berücksichtigen. Laut Doppelbesteuerungsabkommen Rumänien-Österreich ist kein Quellensteuerabzug bei Anlagen in Österreich von natürlichen Personen mit Wohnsitz Rumänien vorgesehen. Bitte berücksichtigen Sie diesen Punkt bei der Umstellung, da ich ansonsten große Problem habe, die abgeführte Quellensteuer zurückerstattet zu bekommen, da ich hier in Rumänien auch nicht steuerpflichtig bin (keine inländischen Einkommen).
Aufgrund dieses Schreiben änderte die Beklagte auf den Kontoeröffnungsverträgen zwar die geänderte Adresse, traf weitere Maßnahmen jedoch nicht, obwohl bereits im Jahr 2004 das Quellensteuergesetz erlassen worden war.
Die Richtlinien des (österreichischen) Bundesministeriums für Finanzen erschienen erst knapp vor dessen Inkrafttreten am 1. 7. 2005. Unmittelbar nach ihrer Bekanntgabe wurden von der Beklagten Informationen darüber ins Internet gestellt; ab 4. 7. 2007 (richtig: 2005; siehe Beilage ./5) wies die Beklagte auf ihrer Homepage darauf hin, dass in Drittstaaten ansässige EU-Bürger Ansässigkeitsbescheinigungen vorliegen müssen, um von der Quellensteuer befreit zu werden.
Die Beklagte hatte den Kläger dennoch als quellensteuerbefreit eingestuft, obwohl dieser eine rumänische Ansässigkeitsbescheinigung nicht vorgelegt hatte. Erst als der Kläger mit Schreiben vom 16. 11. 2005 der Beklagten eine neue Adresse in Rumänien mitteilte (sein nunmehriger Wohnsitz) und dieser Umzug auf den Kontoeröffnungsverträgen vermerkt wurde, bemerkte die Beklagte das Fehlen einer Ansässigkeitsbescheinigung.
Daraufhin wurde der Kläger im Dezember 2006 telefonisch ersucht, zum Nachweis seiner Meldung in Rumänien eine steuerliche Ansässigkeitsbescheinigung rückwirkend nachzureichen. Der Kläger lud zwar das entsprechende Formular aus dem Internet herunter, erfuhr jedoch vom zuständigen Finanzamt, dass er eine Bescheinigung nicht erhalten könne, sei er doch in Rumänien nicht steuerpflichtig. Er hatte in Rumänien keine Einkünfte und war auch steuerlich nicht gemeldet.
In weiterer Folge urgierte eine Mitarbeiterin der Beklagten am 7. 5. und am 18. 5. 2007 per E-Mail die Vorlage der Bescheinigung und drohte dem Kläger die Abführung der Quellensteuer nach Deutschland an, sollte er die Bescheinigung nicht bis 31. 5. 2007 vorlegen. Da es dem Kläger allerdings nach wie vor nicht möglich war, eine derartige Bescheinigung vorzulegen, behielt die Beklagte die Quellensteuer rückwirkend ab 1. 7. 2005 ein, wodurch dem Kläger auch Zinsennachteile entstanden. Die Beklagte führte die Quellensteuer des Klägers schließlich für die Jahre 2005 und 2006 an das für den letzten bekannten Wohnsitz des Klägers in Deutschland zuständige Finanzamt ab.
Der Kläger hat nie versucht, diese Quellensteuer in Deutschland zurückzuerhalten, hat er doch in Deutschland keinen Wohnsitz. Er verfügt allerdings nach wie vor über ein Girokonto bei einer deutschen Bank, wo er mit der Adresse seiner Eltern in Deutschland aufscheint. Von diesem Girokonto werden die Krankenversicherungsbeiträge des Klägers, seine Unterhaltszahlungen, Mitgliedsbeiträge von Vereinen sowie Handyrechnungen abgebucht. Sonstige Überweisungen führt er mittels Internets von diesem Girokonto durch. In Rumänien fährt der Kläger einen PKW mit deutschem Kennzeichen und bezahlt seine Mieten in bar.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gutbuchung von 30.789 EUR auf seinen Konten (in eventu deren Bezahlung) als Ersatz der von ihr an die deutschen Finanzbehörden überwiesenen Quellensteuer für das Jahr 2005 in Höhe von 3.712,60 EUR bzw für das Jahr 2006 in Höhe von 16.485,23 EUR sowie eines daraus resultierenden Überziehungszinsverlusts in Höhe von 1.313,47 EUR und eines „Schaden[s] durch Nichtvornahme von Kontenabschlüssen zum 31. 12. 2006" in Höhe von 9.277,70 EUR. Die Beklagte habe die Quellensteuer zu Unrecht abgeführt, weil der Kläger seinen Wohnsitz bereits im Mai 2003 nach Rumänien verlegt habe und dies der Beklagten auch mitgeteilt habe; es wäre daher eine Ansässigkeitsbescheinigung für ihn gar nicht notwendig gewesen, um von der Quellensteuer befreit zu sein. Außerdem wäre bei vertraglichen Beziehungen, die vor dem 1. 1. 2004 begründet worden waren, keine EU-Quellensteuer abzuziehen gewesen, weil sich der Kläger als wirtschaftlicher Eigentümer bereits vor dem 1. 1. 2004 als in einem Drittstaat ansässig erklärt gehabt habe. Im Übrigen habe die Beklagte erst im Dezember 2006 den Kläger von der ihrer Meinung nach notwendigen Bescheinigung informiert; deren rückwirkende Beischaffung in Rumänien sei ihm jedoch nicht möglich gewesen. Die Beklagte habe daher auch für die von ihr zu vertretende Verletzung ihrer Sorgfalts- und Aufklärungspflichten einzustehen. Die Beklagte habe weiters gesetzwidrig die Quellensteuer für die Jahre 2005 und 2006 erst im Juni 2007 von den Konten des Klägers eingehoben. Eine Rückforderung der abgeführten Quellensteuer in Deutschland sei für den Kläger unmöglich, weil er in den Jahren 2005 und 2006 keinen deutschen Wohnsitz gehabt habe und die deutschen Abgabenbehörden außerdem für diesen Zeitraum eine rumänische Ansässigkeitsbescheinigung verlangen würden, die er eben rückwirkend nicht beibringen könne.
Die Beklagte wendet dem gegenüber ein, sie sei nach den Bestimmungen des EU-Quellensteuergesetzes und den Richtlinien des österreichischen Bundesministeriums für Finanzen vorgegangen; danach wäre der Kläger zur Vorlage einer Ansässigkeitsbescheinigung verpflichtet gewesen. Da Rumänien eine derartige Bescheinigung nicht ausgestellt hat, habe die Beklagte die Quellensteuer zu Recht abgeführt. Im Übrigen bestehe ohnehin der Verdacht, dass der Kläger seinen Wohnsitz lediglich zum Schein nach Rumänien verlegt habe. Die Beklagte sei auch nicht zur Aufklärung verpflichtet gewesen, habe der Kläger doch ausdrücklich auf Beratung im Allgemeinen und auf jegliche steuerliche Beratung im Besonderen verzichtet; der Kläger sei daher selbst für die Wahrnehmung seiner steuerlichen Belange verantwortlich gewesen. Und schließlich brauche der Kläger nur einen Rückerstattungsantrag in Deutschland stellen, sei er doch wirtschaftlicher Eigentümer der geleisteten Zahlungen; jedenfalls könne er Schadenersatz nicht begehren, solange ein derartiger Antrag nicht abgewiesen worden ist.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aus den Richtlinien des österreichischen Bundesministeriums für Finanzen wäre nur dann keine Quellensteuer abzuführen gewesen, wenn sich der wirtschaftliche Eigentümer, also hier der Kläger, vor dem 1. 1. 2004 als in einem Drittstaat für ansässig erklärt hätte. Da der Kläger seinen Wohnsitz erst nach dem 1. 1. 2004 nach Rumänien verlegt habe, seien die ihm zustehenden Zinsen gemäß Rz 22. Punkt 2. der Richtlinien so lange unter die EU-Quellensteuer gefallen, bis er eine Ansässigkeitsbescheinigung vorlegt; für eine derartige Bescheinigung hätte der Kläger selbst zu sorgen gehabt. Die Beklagte habe die Quellensteuer für die Jahre 2005 und 2006 zu Recht abgeführt. Dass die Beklagte den Kläger nicht schon vor Dezember 2006 auf die Notwendigkeit der Ansässigkeitsbescheinigung hingewiesen habe, könne ihr nicht zur Last fallen, habe der Kläger doch ausdrücklich auf jede Form von Beratung und Belehrung verzichtet.
Das Berufungsgericht trug dem Erstgericht unter Aufhebung dieser Entscheidung eine Verfahrensergänzung auf und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig; es fehle an Rechtsprechung zu den im unmittelbaren Zusammenhang mit dem EU-Quellensteuergesetz behandelten Rechtsfragen.
In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, Rz 22 der Richtlinien des österreichischen Bundesministeriums für Finanzen weiche insoweit von den Bestimmungen des EU-Quellensteuergesetzes ab, als für vor dem 1. 1. 2004 begründete vertragliche Beziehungen differenziert wird, ob der wirtschaftliche Eigentümer vor oder nach diesem Zeitpunkt eine Erklärung über seine Ansässigkeit in einem Drittstaat erstattet bzw seinen Wohnsitz in einen Drittstaat verlegt habe. Vielmehr wäre bei vor dem 1. 1. 2004 begründeten Vertragsbeziehungen gemäß den Bestimmungen des Bankwesengesetzes die Vorlage einer Ansässigkeitsbescheinigung nicht zu fordern gewesen. „Bei dieser klaren Gesetzeslage" sei der Beklagten die Befolgung der Richtlinien des Bundesministeriums für Finanzen und die Einbehaltung der Quellensteuer vorzuwerfen; sie hafte für den eingetretenen Schaden gemäß § 1299 ABGB. Im Übrigen hätte die Beklagte gemäß § 9 EU-QuStG iVm § 96 Abs 2 EStG die Quellensteuer auch nicht an das (frühere) Wohnsitzfinanzamt des Klägers, sondern an das eigene Finanzamt abführen müssen; durch diese Vorgangsweise der Beklagten wäre der Kläger auch nicht von einer (allfälligen) Steuerschuld gegenüber der Republik Österreich befreit worden.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Beklagten ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtslage verkannt hat; er ist jedoch nicht berechtigt.
1. Die Vorinstanzen haben aufgrund der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen österreichisches Recht angewendet (vgl Z 20 auf Seite 6 bzw Z 9 auf Seite 28 der zwischen den Parteien vereinbarten „Basics Geschäftsbedingungen & Hinweise", Beilage ./3); dagegen wehren sich die Parteien im Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof auch nicht.
2. Die Beklagte beruft sich in ihrem Rekurs darauf, dass sie die Richtlinien des österreichischen Bundesministeriums für Finanzen beachtet habe. Diese sähen jedoch die Notwendigkeit einer Ansässigkeitsbescheinigung auch für vor dem 1. 1. 2004 begründete vertragliche Beziehungen vor, wenn sich der wirtschaftliche Eigentümer durch einen von einem anderen Mitgliedstaat der EU ausgestellten Pass oder Personalausweis identifiziert und nach dem 1. 1. 2004 seinen Wohnsitz in einen Drittstaat verlegt hat; da der Kläger eine solche Bescheinigung nicht vorgelegt habe, sei die EU-Quellensteuer abzuführen gewesen.
2.1. Gemäß Rz 22 der Richtlinien des österreichischen Bundesministeriums für Finanzen zur Durchführung der EU-Quellensteuer gilt für vertragliche Beziehungen, die vor dem 1. 1. 2004 begründet wurden, Folgendes:
- Hat sich der wirtschaftliche Eigentümer vor dem 1. 1. 2004 als in einem Drittstaat ansässig erklärt, ist weiterhin keine EU-Quellensteuer abzuziehen.
- Wenn sich der wirtschaftliche Eigentümer durch einen von einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellten Pass oder Personalausweis identifiziert und nach dem 1. 1. 2004 seinen Wohnsitz in einen Drittstaat verlegt, so fallen die ihm zugehenden Zinsen solange unter die EU-Quellensteuer, bis er eine Ansässigkeitsbescheinigung des betreffenden Drittstaats vorlegt.
2.2. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen begründeten die Parteien ihre Vertragsbeziehung bereits im Jahr 2003, der Kläger verlegte seinen Wohnsitz von Deutschland nach Rumänien jedoch erst Mitte 2004, teilte dies der Beklagten im April 2005 mit und hat nie eine rumänische Ansässigkeitsbescheinigung vorgelegt. Da zwischen den Parteien nicht strittig ist, dass sich der Kläger durch einen Pass bzw Personalausweis eines Mitgliedstaats der EU, nämlich Deutschlands, identifiziert hat, waren die Voraussetzungen für einen EU-Quellensteuerabzug durch die Beklagte im Hinblick auf die genannte Richtlinienbestimmung grundsätzlich gegeben.
Soweit der Kläger in der Rekursbeantwortung unter Hinweis auf die Nummerierung der Richtlinien darzulegen versucht, dass sich die wiedergegebene Regelung nur auf vertragliche Beziehungen ab dem 1. 1. 2004 beziehen könne, übersieht er den ausdrücklichen Wortlaut der Rz 22.
3. Das Berufungsgericht und der Kläger in seinem Rekurs argumentieren damit, dass die erwähnten Richtlinien einerseits unverbindlich seien und andererseits gegen die „klare Rechtslage" aufgrund der Zinsen-Richtlinie der EU und des EU-Quellensteuergesetzes verstießen; danach werde bei vor dem 1. 1. 2004 begründeten vertraglichen Beziehungen eine Ansässigkeitsbescheinigung eines Drittstaats zur Vermeidung der EU-Quellensteuer nicht verlangt. Die Beklagte hätte sich daher nicht auf die Richtlinien des Bundesministeriums für Finanzen verlassen dürfen.
3.1. Der Rat der EU erließ am 3. 6. 2003 die Richtlinie 2003/48/EG (Zinsen-RL) im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen mit dem Ziel, durch die Schaffung von Melde- bzw Abgabenpflichten Zinszahlungen an wirtschaftliche Eigentümer, die natürliche Personen und in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, einer einheitlichen und effektiven Besteuerung zuzuführen. Angesichts des bestehenden Bankgeheimnisses wurde unter anderem Österreich die Möglichkeit eingeräumt, eine Quellensteuer auf die von dieser Richtlinie erfassten Zinserträge zu schaffen (NN, EU-Quellensteuergesetz, BBi 2005, 2).
Der Umsetzung der Zinsen-RL dient das am 28. 4. 2004 in Österreich in Kraft getretene EU-Quellensteuergesetz (EU-QuStG), das seit 1. 7. 2005 anzuwenden ist. Danach unterliegen Zinsen, die eine inländische Zahlstelle an einen wirtschaftlichen Eigentümer, der eine natürliche Person ist, auszahlt, der EU-Quellensteuer, sofern er seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU hat. Die Zahlstelle hat demnach die Identität und den Wohnsitz des wirtschaftlichen Eigentümers festzustellen.
Das österreichische Bundesministerium für Finanzen erließ am 16. 6. 2005 „Richtlinien zur Durchführung der EU-Quellensteuer", wobei dadurch keine über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehenden Rechte und Pflichten begründet werden sollten. Diese Richtlinien stellen einen Auslegungsbehelf zum EU-Quellensteuergesetz und zur EU-Zinsrichtlinie dar. Weitere Erlässe zur EU-Quellensteuer bestehen nicht (NN, Richtlinien zur Durchführung der EU-Quellensteuer, ÖStZ 2005, 301; NN, Richtlinien zur Durchführung der EU-Quellensteuer - Einführungserlass, ARD 5600/20/2005).
3.2. Wesentlicher Anknüpfungspunkt für die EU-Quellensteuer sind die Identität und der Wohnsitz des wirtschaftlichen Eigentümers. Eine Regelung dazu findet sich in § 3 EU-QuStG, welche weitgehend identisch ist mit der Regelung in Art 3 Abs 3 der Zinsen-RL:
§ 3 (1) Bei vertraglichen Beziehungen, die vor dem 1. Jänner 2004 eingegangen worden sind, stellt die Zahlstelle die Identität und den Wohnsitz des wirtschaftlichen Eigentümers anhand der Informationen fest, die ihr insbesondere auf Grund der Richtlinie 91/308/EWG des Rates vom 10. Juni 1991 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche zur Verfügung stehen.
(2) Bei vertraglichen Beziehungen, die nach dem 31. Dezember 2003 eingegangen werden ... gilt Folgendes:
1. ...
2. ...
3. Ist der wirtschaftliche Eigentümer, der einen von einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union ausgestellten Pass oder Personalausweis besitzt, seinen eigenen Angaben zufolge in einem Drittstaat ansässig, muss er die Ansässigkeit durch eine von der zuständigen Behörde dieses Staates ausgestellte Ansässigkeitsbescheinigung nachweisen. Wird eine solche Ansässigkeitsbescheinigung nicht vorgelegt, gilt der wirtschaftliche Eigentümer als in dem Mitgliedsstaat der Europäischen Union ansässig, der den Pass oder Personalausweis ausgestellt hat.
(3) ...
Der Verweis in § 3 Abs 2 EU-QuStG bezieht sich vor allem auf § 40 BWG, der in Umsetzung der RL 91/308/EWG erlassen worden war. Nach § 40 Abs 1 Z 1 BWG hat das Kreditinstitut bei Anknüpfung einer dauernden Geschäftsbeziehung die Identität festzustellen. Diese Prüfung ist bei natürlichen Personen an Hand einer von einer staatlichen Behörde ausgestellten, mit Lichtbild der betreffenden Person versehenen Urkunde, die deren Namen, Geburtsdatum und Unterschrift sowie die Bezeichnung der ausstellenden Behörde enthält, vorzunehmen (Iro in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht, Band II2 [2008] Rz 1/5).
Dem Berufungsgericht ist somit zuzugeben, dass die zu 3.1. wiedergegebene Rz 22 der Richtlinien des Bundesministeriums für Finanzen auf den ersten Blick § 3 EU-QuStG widersprechen könnte.
3.3. Wie die Wohnsitzfeststellung bei Personen zu erfolgen hat, die zwar einen von einem Mitgliedstaat der EU ausgestellten Pass oder Personalausweis besitzen, aber ihren Angaben zufolge in einem Drittstaat ansässig sind, wird in § 3 EU-QuStG ausdrücklich bloß für jene Fälle geregelt, bei denen die vertraglichen Beziehungen erst nach dem 31. 12. 2003 eingegangen wurden. Der Wohnsitz im Drittstaat wird in diesem Fall erst dann anerkannt, wenn von der Behörde im Drittstaat eine Ansässigkeitsbescheinigung vorgelegt werden kann.
Sowohl in der Zinsen-RL als auch im EU-Quellensteuergesetz fehlt hingegen für vertragliche Beziehungen, die bereits vor dem 1. 1. 2004 eingegangen wurden, eine Regelung, wie nun im Fall eines Wohnsitzwechsels vorzugehen ist. Es wird lediglich geregelt, dass bei vertraglichen Beziehungen, die vor dem 1. 1. 2004 eingegangen wurden, die Zahlstelle die Identität und den Wohnsitz des wirtschaftlichen Eigentümers anhand der Informationen, die ihr aufgrund der Geldwäscherei-RL zur Verfügung stehen, festzustellen hat. Ausdrücklich verlangen weder die Zinsen-RL noch das EU-Quellensteuergesetz in einem solchen Fall eine Ansässigkeitsbescheinigung.
Damit ist jedoch noch nicht ausgeschlossen, dass aufgrund historischer oder teleologischer Interpretation der gesetzlichen Grundlagen auch jene Personen, die über einen Pass eines EU-Mitgliedstaats verfügen, bereits vor dem 1. 1. 2004 mit der Zahlstelle in vertraglicher Beziehung standen und nunmehr zu einem Zeitpunkt nach dem 1. 1. 2004 einen Wohnsitzwechsel in einen Drittstaat behaupten, ebenfalls eine Ansässigkeitsbescheinigung des Drittstaats vorweisen müssen, um von der Quellensteuer befreit zu werden.
3.4. Weder die Materialien zum österreichischen EU-Quellensteuergesetz, welches die Zins-RL im Wesentlichen gleichlautend umgesetzt hat, noch die österreichische Literatur zum EU-Quellensteuergesetz behandeln die Frage näher.
3.5. In Deutschland wurde die Zinsen-RL aufgrund einer Ermächtigung in § 45e EStG am 26. 1. 2004 mittels der „Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2003/48/EG des Rates vom 3. Juni 2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen (Zinsinformationsverordnung - ZIV)" weitgehend mit der Richtlinie gleichlautend umgesetzt. Auch die deutschen Materialien dazu und die deutsche Literatur gehen nicht näher auf die hier zu behandelnde Frage ein.
Allerdings hat das deutsche Bundesministerium für Finanzen zur Anwendung der Zinsinformationsverordnung ein „Einführungsschreiben zur Zinsinformationsverordnung (ZIV)" herausgegeben (Einführungsschreiben zur Zinsinformationsverordnung (ZIV) vom 6. 1. 2005 (BStBl. I S. 29). Dieses Schreiben dient ebenso wie die Richtlinien des österreichischen Bundesministeriums für Finanzen der Auslegung der erwähnten Verordnung. Dabei kommt im Zusammenhang mit der hier zu beurteilenden Rechtsfrage das deutsche Bundesministerium für Finanzen zum selben Auslegungsergebnis wie das österreichische. Unter Punkt 3.2.c) wird dort nämlich unter der Überschrift „Besonderheiten bei Wohnsitz in einem Drittstaat" generell, also ohne nach dem Vertragsabschlusszeitpunkt zu differenzieren, angeordnet:
Wenn eine Person mit einem in der EU ausgestellten Pass angibt, in einem Drittstaat ansässig zu sein, muss dies durch einen Nachweis über den steuerlichen Wohnsitz belegt werden, der von der zuständigen Behörde des Drittstaates ausgestellt wurde. Wird dieser Nachweis nicht vorgelegt, gilt der Wohnsitz als in dem EU-Mitgliedstaat belegen, in dem der Pass oder ein anderer amtlicher Identitätsausweis ausgestellt wurde (§ 3 Abs 2 Satz 6 ZIV).
Somit macht das deutsche Bundesministerium für Finanzen ebenso wie das österreichische die Anerkennung eines Wohnsitzes in einem Drittstaat von solchen Personen, die über einen in der EU ausgestellten Pass verfügen, von der Vorlage einer Ansässigkeitsbescheinigung abhängig, ohne jedoch zu differenzieren, ob das Vertragsverhältnis zur Zahlstelle vor oder nach dem 1. 1. 2004 begründet wurde. Nach dieser Ansicht wird folglich eine Ansässigkeitsbescheinigung auch von solchen Personen verlangt, die bereits vor dem 1. 1. 2004 in Vertragsbeziehung mit der Zahlstelle standen.
3.6. Aus den Materialien zur Zinsen-RL lässt sich der ihr zugrunde liegende Vorschlag der Kommission (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie zur Gewährung einer effektiven Besteuerung von Zinserträgen innerhalb der Gemeinschaft, S. 4 f) und damit der Zweck der zeitlichen Strukturierung des Art 3 Zinsen-RL ersehen:
Zur Identitätsfeststellung gemäß Absatz 2 sollen die Zahlstellen bei vertraglichen Beziehungen, die vor dem 1. 1. 2004 bestanden, nur den Namen und die Anschrift des wirtschaftlichen Eigentümers feststellen, wobei die Zahlstellen auf die ihnen bereits vorliegenden Informationen zurückgreifen können sollen. Die Finanzinstitute müssen die Identität ihrer Kunden bereits nach den einschlägigen Bestimmungen der Geldwäsche-RL 91/308/EWG feststellen. Was ihren vorhandenen Kundenstamm anbelangt, so sollen sich die Zahlstellen daher weitgehend auf Informationen stützen können, die sie bereits für andere Zwecke erhoben haben. Auch bei der Wohnsitzfeststellung nach Abs 3 a) soll es der Zahlstelle bei jenen vertraglichen Beziehungen, die schon vor dem 1. 1. 2004 bestanden haben, ermöglicht werden, den Wohnsitz anhand jener Informationen festzustellen, die ihnen aufgrund der Anwendung der Geldwäsche-RL bereits vorliegen. Durch die Regelung in Abs 3 b), wonach bei einer natürlichen Person, die im Besitz eines Passes oder vergleichbaren Dokuments eines Mitgliedstaats ist und erklärt, sie sei in einem Drittland ansässig, der Wohnsitz anhand einer Ansässigkeitsbescheinigung festzustellen sei, soll laut Kommission verhindert werden, dass Personen, die in einer bekannten Verbindung mit einem Mitgliedstaat stehen, die Anwendung der Zinsen-RL dadurch umgehen, dass sie unzutreffenderweise einen Wohnsitz in einem Drittland geltend machen.
Die Kommission wollte es also offenbar den Finanzinstituten ermöglichen, bei jenen Kunden, mit welchen bereits vor dem 1. 1. 2004 Geschäftsbeziehungen bestanden (bestehender Kundenstock), auf die bereits für andere Zwecke erhobenen Daten zur Wohnsitzfeststellung zurückzugreifen. Mit dieser Bestimmung sollte lediglich eine Arbeitserleichterung für die Finanzinstitute hinsichtlich jener Kunden geschaffen werden, die bis zum 1. 1. 2004 bereits registriert waren. Ab diesem Stichtag (1. 1. 2004) wollte die Kommission hingegen eine Wohnsitzänderung in einen Drittstaat nur mehr anerkennen, sofern eine Ansässigkeitsbescheinigung der jeweiligen Drittstaatbehörde beigebracht wird. Mit dieser Regelung sollen ab dem Beginn des Jahres 2004 missbräuchliche, bloß zum Schein vorgegebene Wohnsitzverlegungen in Drittstaaten zu Zwecken der Steuerhinterziehung unterbunden werden.
3.7. Das Erfordernis einer Ansässigkeitsbescheinigung ist nun zwar in der Zinsen-RL und im EU-Quellensteuergesetz ausdrücklich nur für solche Geschäftsbeziehungen normiert, die nach dem 31. 12. 2003 eingegangen worden sind oder werden, während für vertragliche Beziehungen, die bereits vor dem 1. 1. 2004 eingegangen wurden, wo jedoch eine spätere Wohnsitzverlegung nach dem 1. 1. 2004 in einen Drittstaat erfolgte, eine ausdrückliche Regelung fehlt. Zweck des Art 3 Abs 3 lit b Zinsen-RL (ebenso § 3 Abs 2 Punkt 3 EU-QuStG) ist es jedoch, ab dem Jahr 2004 Steuerhinterziehung durch bloß zum Schein erfolgte Verlegung des Wohnsitzes in Drittstaaten zu vermeiden. Dieser Zweck kann nur dann verwirklicht werden, wenn ab 1. 1. 2004 für Wohnsitzverlegungen in Drittstaaten der Zahlstelle generell eine Ansässigkeitsbescheinigung vorzulegen ist.
Damit können aber weder Rz 22 der Richtlinien des österreichischen Bundesministeriums für Finanzen noch Punkt 3.2.c) des erwähnten Schreibens des deutschen Bundesministeriums für Finanzen als derart klar der durch die Zinsen-RL und die jeweiligen nationalen Bestimmungen in Österreich und Deutschland vorgegebenen Rechtslage widersprechend angesehen werden, dass die Beklagte - auch wenn sie dem Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB unterworfen sein mag - die österreichischen Richtlinien jedenfalls unbeachtet hätte lassen müssen.
Für die Beklagte ist daraus jedoch aufgrund nachstehender Überlegungen nichts gewonnen:
4. Der Kläger macht in seiner Rekursbeantwortung nämlich zu Recht geltend, die Beklagte habe es verabsäumt, die Quellensteuer jeweils bei Zufluss der Zinszahlungen auf seinen Konten einzuheben; eine rückwirkende Einhebung sei ihr verwehrt gewesen. Da die Beklagte durch den ihr möglichen Zugriff auf die Konten des Klägers die „kurzfristige Bemessungsverjährung des Erhebungsrechts gegenüber dem Kläger" umgangen habe, sei sie zur Rückbuchung der unter dem Titel EU-Quellensteuer abgebuchten Beträge verpflichtet.
4.1. Nach § 7 Abs 1 EU-QuStG ist, wenn der wirtschaftliche Eigentümer der Zinsen in einem anderen Mitgliedstaat der EU ansässig ist, von der Zahlstelle im Inland ein Steuerabzug zu dem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem die Zinsen im Sinne von § 6 zufließen oder eingezogen werden (EU-Quellensteuer). Nach § 6 Abs 1 Z 1 EU-QuStG gelten als Zinszahlung unter anderem gezahlte oder einem Konto gutgeschriebene Zinsen. Nach § 7 Abs 2 Z 1 EU-QuStG wiederum ist die EU-Quellensteuer im Zeitpunkt des Zuflusses gemäß § 19 EStG abzuziehen; danach sind Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahrs, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen. Auch § 8 EU-QuStG ordnet an, die EU-Quellensteuer sei im Zeitpunkt des Zufließens der Zinserträgnisse nach Maßgabe von § 19 EStG abzuziehen.
4.2. Diese Regelungen, insbesondere § 8 EU-QuStG, entsprechen jenen über die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer (§ 95 Abs 2 und 4 EStG; vgl ErläutRV 350 Blg XXII. GP zu § 7 EU-QuStG). Zu diesen wird in der Literatur die Auffassung vertreten, § 95 Abs 4 Satz 1 EStG enthalte zwar (lediglich) eine programmatische Feststellung, diese sei jedoch deshalb von Bedeutung, weil es der Gesetzeswortlaut ausschließt, den Zeitpunkt des Abzugs etwa nach Gutdünken des Abzugspflichtigen hinauszuschieben (Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer [Stand Oktober 2008] § 95 Rz 4; in diesem Sinn auch Doralt/Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts7 [2007] Rz 835; vgl auch 1 Ob 73/09f).
Für eine derartige Sichtweise spricht im Zusammenhang mit der EU-Quellensteuer auch Rz 26 der Richtlinien des österreichischen Bundesministeriums für Finanzen. Danach hat die Zahlstelle in jenen Fällen, in denen sie nachträglich Kenntnis erlangt, dass eine vorgelegte Ansässigkeitsbescheinigung nicht dem § 3 Abs 2 Z 3 EU-QuStG entspricht (also unrichtig ist), „diesen Umstand im Zeitpunkt der Kenntnisnahme" zu berücksichtigen. Dies kann nur dahin verstanden werden, dass auch im Falle einer unrichtigen Ansässigkeitsbescheinigung die EU-Quellensteuer nicht rückwirkend einbehalten werden kann.
§ 7 Abs 2 Z 1, § 8 EU-QuStG stehen somit grundsätzlich einer rückwirkenden Einhebung der EU-Quellensteuer durch die Zahlstelle gegenüber dem steuerpflichtigen Anleger entgegen.
4.3. Geht man davon aus - wozu das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren allerdings noch konkrete Feststellungen zu treffen haben wird -, dass die Zinsen dem Kläger für die Jahre 2005 und 2006 jeweils spätestens bis zum Ende dieser Jahre durch Gutschriften auf seinen Konten zugeflossen sind (vgl auch Z 38 auf Seite 7 der zwischen den Parteien vereinbarten „Basics Geschäftsbedingungen & Hinweise, Beilage ./3), hätte die Beklagte von diesen Zinsenzuflüssen jeweils zu den Zuflusszeitpunkten die EU-Quellensteuer abziehen müssen; tatsächlich behielt die Beklagte nach den Feststellungen der Vorinstanzen die EU-Quellensteuer jedoch erst nach dem 31. 5. 2007, also rückwirkend, durch Abbuchung von den Konten des Klägers ein. Dazu wäre sie im Hinblick auf § 7 Abs 2 Z 1, § 8 EU-QuStG nicht (mehr) berechtigt gewesen (4.2.).
5. Der Kläger hat im Verfahren erster Instanz seine Ansprüche „insbesondere auf Schadenersatz ex contractu, ungerechtfertigte Bereicherung sowie hilfsweise auf jeden erdenklichen Rechtsgrund" gestützt; in seiner Rekursbeantwortung beruft er sich insbesondere (auch) auf eine Verletzung der zwischen den Parteien bestehenden vertraglichen Grundlagen durch die „eigenmächtige" Abbuchung der EU-Quellensteuer für die Jahre 2005 und 2006.
5.1. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen eröffnete der Kläger bei der Beklagten Nummernkonten und Nummernwertpapierdepots. Diese Nummernkonten dienten der Abwicklung und Verrechnung der Anlagegeschäfte des Klägers, konkret der Durchführung von Wertpapiertransaktionen. Da sie somit der Geschäftsbesorgung dienten, sind sie als Girokonten zu qualifizieren (Iro in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht II² [2008] Rz 1/2). Das Girogeschäft ist die Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und des Abrechnungsverkehrs in laufender Rechnung für andere (§ 1 Abs 1 Z 2 BWG). Der Girovertrag dient der vertraglichen Regelung dieses bargeldlosen Zahlungsverkehrs: Die Kreditunternehmung wird verpflichtet, Überweisungen an Dritte durchzuführen und Überweisungen von dritter Seite für den Kunden entgegen zu nehmen (Koziol/Koch in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht III² [2008] Rz 1/6).
5.2. Als Konto im engeren Sinn wird die Forderung des einen Partners aus einem Girovertrag gegen den anderen bezeichnet, die sich aus der Verrechnung der gegenseitigen Forderungen und Leistungen, die buchhalterisch zusammengefasst werden sollen, als Saldo ergibt (Iro aaO Rz 1/3). Dieser Saldo kann als Forderung gegen die Bank als Vertragspartner durchgesetzt werden (Apathy in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht II² [2008] Rz 2/1). Der positive Tagessaldo ist das für den Kunden verfügbare Guthaben (Apathy aaO Rz 2/3 und 2/23). Der Kläger hat somit gegen die beklagte Bank ein Forderungsrecht auf Rückzahlung des Saldobetrags aus dem Kontovertrag.
Auch gemäß Z 31 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (auf Seite 7 der zwischen den Parteien vereinbarten „Basics Geschäftsbedingungen & Hinweise", Beilage ./3) steht die Verfügungsberechtigung über das Konto originär dem Kontoinhaber zu; sie ist die umfassende Rechtsstellung, die sich aus der Position als Vertragspartner der Bank aus dem Kontovertrag ergibt. Diese Verfügungsberechtigung umfasst die Befugnis, über die Forderungen aus dem Konto gegen die Bank unter anderem durch Abhebung zu verfügen (Iro aaO Rz 1/43).
5.3. Die Beklagte hat auf den Konten des Klägers Zinsgutschriften - ohne Gegenbuchung von EU-Quellensteuer - gutgebucht. Zu einer verspäteten Abbuchung der EU-Quellensteuer war sie aufgrund § 7 Abs 2 Z 1, § 8 EU-QuStG nicht mehr berechtigt; die Beklagte hat auch nicht dargetan, aufgrund welcher sonstigen Rechtsnormen oder vertraglicher Bestimmungen sie dazu befugt gewesen wäre. Die von ihr aus dem Titel „EU-Quellensteuer für 2005 und 2006" vorgenommenen Belastungsbuchungen erfolgten somit zu Unrecht, weshalb der Kläger einen Anspruch auf Stornierung der unrichtigen Belastungsbuchungen hat (6 Ob 550/95 SZ 68/59 = ÖBA 1995, 900 [Klicka]; 9 Ob 55/06i; 6 Ob 236/08m ÖBA 2009/1559), das heißt auf deren Rückbuchung.
Die tatsächliche Höhe der von der Beklagten unter dem Titel EU-Quellensteuer 2005 und 2006 von den Konten des Klägers abgebuchten Beträge wird das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren festzustellen haben; in diesem Zusammenhang kann auf die Anordnungen des Berufungsgerichts verwiesen werden.
5.4. Ob die Beklagte für den Fall einer nachträglichen Inanspruchnahme als Haftende gemäß § 8 EU-QuStG durch die Republik Österreich berechtigt wäre, gegenüber dem Kläger Regress zu verlangen, ist er ja an sich Schuldner der EU-Quellensteuer, kann schon allein deshalb dahin gestellt bleiben, weil die Beklagte eine derartige Inanspruchnahme nicht behauptet hat und eine solche aus dem Akteninhalt auch nicht ersichtlich ist.
Die Beklagte kann dem Begehren des Klägers aber auch nicht entgegenhalten, dass sie aus eigenem Antrieb nachträglich ihren Verpflichtungen als Zahlstelle im Sinne der Bestimmungen des EU-Quellensteuergesetzes (vgl dazu ausführlich etwa Aigner/Gläser, Die Zahlstelle im Anwendungsbereich des EU-Quellensteuergesetzes, SWI 2005, 261; Kubik/Titz, Das Zahlstellenkonzept der Zinsenrichtlinie, ÖBA 2009, 517) nachgekommen wäre, hat sie doch entgegen § 9 Abs 1 EU-QuStG die von den Konten des Klägers abgebuchten Beträge nicht an das gemäß § 96 Abs 2 EStG zuständige Finanzamt, also an „ihr" Finanzamt abgeführt, sondern an ein Finanzamt in Deutschland. Sie ist damit ihren Verpflichtungen als Zahlstelle und damit zum Abzug (der EU-Quellensteuer) Verpflichtete nicht nachgekommen, womit ein Regress gegenüber dem Kläger auch unter diesem Gesichtspunkt - jedenfalls derzeit - ausscheidet.
Insoweit unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von jenem der jüngst ergangenen Entscheidung 1 Ob 221/08v. Dort hatte die Bank eine aufgrund gefälschter Schecks vorgenommene Gutbuchung auf dem Konto des Kunden „storniert"; der Kunde begehrte dennoch die Auszahlung des gutgebuchten Betrags. Der Oberste Gerichtshof rügte in diesem Zusammenhang zwar die Vornahme einer „Art Selbsthilfe" durch die Bank, wies das Begehren jedoch mit der Begründung ab, die Bank habe in Bezug auf den gutgebuchten Betrag einen Rückforderungsanspruch nach § 1431 ABGB gehabt. Eine Rechtsgrundlage für (irgend-)einen Anspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger auf Zahlung der von ihr eigenmächtig von dessen Konten abgebuchten Beträgen lässt sich im vorliegenden Verfahren jedoch aufgrund der erwähnten Überlegungen gerade nicht erkennen.
6. Auf ihren Einwand, der Kläger hätte vorerst in Deutschland einen Rückzahlungsantrag hinsichtlich der von der Beklagten an das für den letzten ihr bekannten Wohnsitz des Klägers in Deutschland zuständige Finanzamt abgeführten Beträge stellen müssen, kommt die Beklagte im Rekursverfahren nicht mehr zurück. Soweit sie auf § 14 dZIV verweist, wonach der Kläger in Deutschland nunmehr über eine Steuergutschrift verfüge, ist die Beklagte jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung von wirtschaftlichen Eigentümern mit inländischem (das heißt: deutschem) steuerlichen Wohnsitz spricht; einen solchen hatte der Kläger jedoch weder 2005 und 2006 noch heute.
7. Steht dem Kläger ein Anspruch auf Rückbuchung jener Beträge, die die Beklagte unter dem Titel der EU-Quellensteuer für die Jahre 2005 und 2006 von seinen Konten abgebucht hat, zu, ist auch ein Anspruch des Klägers auf Ersatz seines durch die Abbuchung eingetretenen Überziehungszinsverlusts und des behaupteten „Schaden[s] durch Nichtvornahme von Kontenabschlüssen zum 31. 12. 2006" denkbar; das Erstgericht wird somit im fortzusetzenden Verfahren Grund und Höhe auch dieser Ansprüche mit den Parteien zu erörtern und Feststellungen dazu zu treffen haben.
8. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet auf § 52 ZPO.
Textnummer
E91754European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00086.09D.0805.000Im RIS seit
04.10.2009Zuletzt aktualisiert am
20.12.2013