TE OGH 2009/8/7 16R129/09x

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Veröffentlicht am 07.08.2009
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Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Strauss als Vorsitzenden, den Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Sonntag und die Richterin des Oberlandesgerichtes Dr. Fabian in der Rechtssache der klagenden Partei J*****, Landwirt, *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Dr. Michael Pichlmair, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei G*****, Landwirt, *****, vertreten durch Dr. Heinrich Nagl, Mag. Timo Ruisinger, Rechtsanwälte in Horn, wegen Feststellung (Streitwert: EUR 35.000,--), über den Rekurs der klagenden Partei gegen die im Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 3.6.2009, 6 Cg 91/08t-16, enthaltene Kostenentscheidung (Rekursinteresse: EUR 1.013,66) den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und die angefochtene Kostenentscheidung abgeändert, sodass sie wie folgt lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 11.143,60 (hierin enthalten EUR 2.056,60 Barauslagen, EUR 1.514,50 USt) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 198,53 (hierin enthalten USt EUR 33,09) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte die Feststellung, der Beklagte sei infolge des Bestandes eines ehebrecherischen Verhältnisses mit I***** vom Erbrecht aus letztwilliger Verfügung derselben ausgeschlossen. Mit Urteil vom 3.6.2009 (ON 16) gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt und verpflichtete den Beklagten zum Kostenersatz in Höhe von EUR 10.129,94.

Dieser Entscheidung legte das Erstgericht die wesentliche Feststellung zugrunde, dass der Beklagte mit der Frau des Klägers I***** zumindest einmal den Geschlechtsverkehr vollzog. Der Kläger erteilte am 6.5.2008 dem Detektivbüro B***** in Linz den Auftrag, Eheverfehlungen seiner Gattin festzustellen. In dieser Vereinbarung scheint bei der Einsatzberechnung unter anderem ein Honorar pro Detektiv und Stunde für Werktage von 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr von EUR 48,-- auf. Als Mindestbetrag pro Detektiv und Einsatz sind drei Stunden zu EUR 144,-- vorgegeben. Als Entgelt pro gefahrenem Kilometer sind EUR 1,40 festgesetzt. Es ist vermerkt, dass dies auch zugleich die Mindestsätze bei Fahrten zu Gerichten oder Behörden sind. Am 2.4.2009 wurde dem Kläger eine Honorarnote des Detektivbüros B***** betreffend die Anwesenheit der ***** vor dem Erstgericht bei der Verhandlung am 2.4.2009 gelegt. Es wurden fünf Detektivstunden zu EUR 48,-- und 260 Fahrzeugkilometer zu EUR 1,40 in Rechnung gestellt (insgesamt EUR 724,80 – Beilage ./C). Weiters wurde dem Kläger eine Honorarnote des Detektivbüros B***** betreffend die Anwesenheit des H***** vor dem Erstgericht bei der Verhandlung am 12.12.2008 gelegt. Auch hier wurden fünf Detektivstunden zu EUR 48,-- und 260 Fahrzeugkilometer zu EUR 1,40 in Rechnung gestellt (insgesamt EUR 724,80 – Beilage ./D).

Die Kostenentscheidung begründete das Erstgericht hinsichtlich der vom Kläger verzeichneten Detektivkosten dahin, das Erscheinen eines Zeugen vor Gericht sei eine Pflicht jedes Staatsbürgers. Die vom Kläger mit den Detektiven getroffene Entlohnungsvereinbarung über das Erscheinen vor Gericht vermöge das Gericht nicht zu binden. Die Zeugengebühren seien nach dem GebAG zu bestimmen. Dies ergebe hinsichtlich H***** EUR 227,92 und hinsichtlich U***** EUR 208,02, einen weiteren Kostenersatzanspruch für die Detektivkosten habe der Kläger nicht.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Kostenentscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers insoweit, als ihm nicht ein Kostenbetrag von EUR 11.143,60 zugesprochen wurde. Er beantragt die Abänderung der Kostenentscheidung in diesem Sinn.

Der Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben. Der Rekurs ist berechtigt.

Der Rekurswerber führt zusammengefasst aus, nach der Rechtsprechung könne auch der mit dem betreffenden Detektiv vereinbarte Ersatz für den Zeitaufwand bei Zeugeneinvernahmen gefordert werden. Der Beklagte wendet in seiner Rekursbeantwortung ein, die Detektive hätten bei ihrer Beobachtung ohne Wissen und Willen des Beklagten dessen Grundstück betreten und gefilmt, dies stelle einen massiven Eingriff in das absolut geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens dar. Der Kläger habe kein Vorbringen hinsichtlich seiner berechtigten Interessen erstattet, sodass eine Prüfung eines Rechtfertigungsgrundes für die durchgeführten Maßnahmen zu unterbleiben habe. Es würde den Wertungen einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung widersprechen, würde für einen rechtswidrigen Eingriff in ein Persönlichkeitsrecht auch noch Kostenersatz zustehen.

Den Rekursausführungen kommt Berechtigung zu.

Grundsätzlich sind die Beiziehung eines Detektivunternehmens und die hiedurch verursachten Kosten als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig im Sinn des § 41 Abs 1 ZPO anzusehen, wenn die Ergebnisse der detektivischen Nachforschung geeignet waren, die Tatsachengrundlage des erstgerichtlichen Verfahrens zu erweitern (RIS-Justiz RS0110711). Der verletzte Ehegatte hat Anspruch auf Ersatz angemessener, aus der Interessenlage gerechtfertigter Überwachungskosten bei tatsächlich ehewidrigen Beziehungen sowohl gegen den Drittstörer wie auch gegen den treulosen Ehepartner. Das Recht, sich durch Betrauung eines Detektivs Gewissheit zu verschaffen, findet seine Grenze dort, wo die Überwachung offenkundig überflüssig, von vornherein aussichtslos und erkennbar unzweckmäßig ist oder aber Rechtsmissbrauch vorliegt (RIS-Justiz RS0108842). Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht die entscheidende Tatsachenfeststellung ausdrücklich auf die Aussage der beiden Detektive gestützt (S 8f der UA), sodass die zitierte grundsätzliche Voraussetzung gegeben ist.

Nach der überwiegenden Rechtsprechung hat der verletzte Ehegatte auch Anspruch auf den mit dem Detektivinstitut vereinbarten Ersatz für den Zeitaufwand der Detektive bei Zeugenvernehmungen (1 Ob 114/67; EFSlg. 36.155, 41.074, 54.228, 66.325, 75.426). Diese Rechtsansicht wird auch von M. Bydlinski in Fasching/Konecny2, II/1, § 41 ZPO Rz 40 geteilt.

Der Beklagte verweist in seiner Rekursbeantwortung zutreffend darauf, dass die Detektive H***** und U***** nach deren eigenen Aussagen ohne Zustimmung des Beklagten dessen Liegenschaft betreten und unter Einsatz einer sogenannten „Räuberleiter" den Beklagten beim außerehelichen Geschlechtsverkehr durch ein Fenster beobachtet hätten.

Das Recht auf Wahrung der Geheimsphäre ist als ein im Sinne des § 16 ABGB angeborenes Recht anerkannt. Mit seiner Anerkennung kann sowohl der Schutz gegen das Eindringen in die Geheimsphäre einer Person als auch der Schutz gegen die Veröffentlichung rechtmäßig erlangter Geheimnisse begründet werden. Ob und wieweit ein subjektives Recht auf Achtung einzelner Ausstrahlungen der persönlichen Intimsphäre besteht, muss stets aufgrund eines die Gesamtrechtsordnung berücksichtigenden Werturteils entschieden werden, indem dem Interesse am gefährdeten Persönlichkeitsgut die Interessen der Handelnden und die Allgemeinheit gegenübergestellt werden (vgl. Posch in Schwimann, ABGB3, § 16 Rz 38 mwN). So greifen etwa verdeckte identifizierende Videoüberwachungen in die Persönlichkeitsrechte der davon Betroffenen ein. Ist ein Eingriff in die Privatsphäre zu bejahen, muss geprüft werden, ob dem Eingriff ein berechtigtes Interesse des Überwachers entgegensteht. Für dessen Vorliegen ist der Überwacher behauptungs- und beweispflichtig, den auch die Behauptungs- und Beweislast dafür trifft, dass die Maßnahme ihrer Art nach überhaupt geeignet ist, das angestrebte Ziel zu erreichen (8 Ob 108/05y).

Nach der Judikatur des LGZ Wien würde es den Wertungen einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung widersprechen, würde für einen rechtswidrigen Eingriff in ein Persönlichkeitsrecht auch noch Kostenersatz gegenüber dem Verletzten zustehen (40 R 86/07d; in diesem Sinne auch MietSlg. 54.601).

Im vorliegenden Fall geht es allerdings nicht um die Kosten der Überwachung selbst, sondern um die Kosten der Vernehmung der beiden Detektive als Zeugen.

Durch die Vorgangsweise der Beobachtung des Beklagten beim Geschlechtsverkehr durch ein Fenster liegt zweifellos ein Eingriff in die Geheimsphäre des Beklagten vor. Ob dieser Eingriff im Sinne einer Interessenabwägung gerechtfertigt war, ist aus folgenden Überlegungen nicht weiter zu prüfen:

Es geht um die Frage der Verwertung (allenfalls) rechtswidrig erlangter Beobachtungen in einem Zivilprozess.

Zur Frage rechtswidrig erlangten Beweismittel hat der OGH in 4 Ob 247/99y festgehalten, dass in einem Zivilverfahren, in dem ein Prozessbetrugsversuch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne und trotz einer Vielzahl von aufgenommenen Personalbeweisen der Beweiswert dieser Beweismittel offenbar sehr dürftig sei, eine Notwehrsituation vorliege, in der – auch wenn man die Vornahme einer Interessenabwägung für notwendig erachte – die Zulassung des beantragten Beweismittels (Abhörung eines Tonbandes) zu bejahen sei. In 6 Ob 190/01m führte der OGH aus, benötige eine Partei ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel (Tonaufzeichnung) unbedingt in einem Verfahren infolge Beweisnotstandes, sei eine Güter- und Interessenabwägung vorzunehmen. Dem Beweisführer obliege der Beweis, dass er die Tonaufzeichnung bei sonstiger Undurchsetzbarkeit seines Anspruches benötige und dass der von ihm verfolgte Anspruch und seine subjektiven Interessen höherwertig seien als die bei der Erlangung des Beweismittels verletzte Privatsphäre des Prozessgegners. In der jüngsten Entscheidung zu dieser Problematik 1 Ob 172/07m hatte der OGH die Verwertung des Transkripts eines heimlich aufgenommenen Gesprächs zu beurteilen. Er führte aus, Art 8 EMRK stelle keine Verhaltensnorm dar, die die Verwendung von Transkripten von Tonaufnahmen zwischen privat geführten Gesprächen als Beweismittel im Rahmen einer zivilgerichtlichen Auseinandersetzung verbieten würde. Bei der Verwertbarkeit schriftlicher Aufzeichnungen sei zu bedenken, dass der Sprecher die Möglichkeit habe, über den Gesprächsverlauf auszusagen und allfällige Hintergründe oder der schriftlichen Fassung nicht zu entnehmende Akzentuierungen hervorheben könne. Letztlich handle es sich beim Transkript um eine schriftliche Aufzeichnung, die verfahrensrechtlich nach den Regeln des Urkundenbeweises zu behandeln sei. Die Frage der Notwendigkeit einer Interessenabwägung bei der Verwendung rechtswidrig erlangter Tonbandaufnahmen im Zivilprozess könne in diesem Fall daher offen bleiben.

Überträgt man die Ausführungen der letztgenannten Entscheidung auf den vorliegenden Fall, so ergibt sich, dass Art 8 EMRK ebenfalls keine Verhaltensnorm enthält, die die Verwendung von unter Verletzung der Geheimsphäre erlangten Beobachtungen durch Detektive in einem Zivilprozess verbietet. Die Vernehmung der Detektive unterliegt vielmehr den Regeln der ZPO über den Zeugenbeweis.

Daraus ergibt sich zusammenfassend, dass zwar die Beobachtung des Beklagten beim außerehelichen Geschlechtsverkehr durch Detektive möglicherweise wegen Verletzung der Geheimsphäre des Beklagten rechtswidrig war, nicht jedoch die Vernehmung der Detektive über diese Beobachtungen. War aber die Verwertung dieser Beobachtungen im vorliegenden Verfahren erlaubt, kann dem Kläger auch der Anspruch auf Ersatz der Kosten der Detektive für das Erscheinen beim Erstgericht nicht verweigert werden.

Das Ausmaß der von den Detektiven verzeichneten Kosten ist angesichts der Entfernung des Sitzes des Detektivbüros in Linz vom Erstgericht und der jeweiligen Verhandlungsdauer angemessen.

Dem berechtigten Rekurs war daher Folge zu geben und die angefochtene Kostenentscheidung im beantragten Sinn abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO sowie 11 RATG.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht

auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.

Oberlandesgericht Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

Anmerkung

EW0070116R129.09x

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2009:01600R00129.09X.0807.000

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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