TE Vwgh Erkenntnis 2000/12/13 2000/04/0109

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Veröffentlicht am 13.12.2000
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §28 Abs1 Z1;
GewO 1994 §28 Abs1 Z2;
GewO 1994 §28 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der HS in W, vertreten durch Mag. D, Rechtsanwältin in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 2. Mai 2000, Zl. 321.242/2-III/A/9/00, betreffend Nachsicht vom Befähigungsnachweis, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der beschwerdeführenden Partei die Nachsicht vom Befähigungsnachweis für das Gewerbe des Großhandels mit Arzneimitteln, mit Präparaten, die zur diagnostischen Verwendung ohne Berührung mit dem menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und mit sterilisiertem Verbandmaterial nach § 213 Abs. 1 Z. 5 GewO 1994 gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1994 verweigert.

Zur Begründung wurde (soweit dies für die Beurteilung des Beschwerdefalles von Bedeutung ist) ausgeführt, die Nachsichtswerberin habe bei einer von fachkundigen Personen durchgeführten informativen Befragung angegeben, keine Kenntnisse und Erfahrungen bei Anwendung des Arzneimittelrechtes und bei Handhabung der speziellen Betriebsordnung für pharmazeutische Großhandelsbetriebe zu haben. Da die Nachsichtswerberin eine dem Erwerb der für die Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes erforderlichen fachrechtlichen Kenntnisse dienende schulische Ausbildung nicht absolviert und sie eine Tätigkeit in einer Stellung mit Dispositionsbefugnis in einem das gegenständliche Gewerbe ausführenden Gewerbebetrieb nicht aufzuweisen habe, könne "auch" im Hinblick auf das negative Ergebnis ihrer informativen Befragung durch die Sektion Handel der Wirtschaftskammer Wien nicht auf das Vorhandensein der für die zufrieden stellende Verrichtung der mit dem in Rede stehenden Gewerbe verbundenen Leistungen erforderlichen Kenntnisse, insbesondere der fachrechtlichen Kenntnisse, geschlossen werden. Im Hinblick darauf könne nicht angenommen werden, dass die Nachsichtswerberin die hinreichende tatsächliche, geschweige denn volle Befähigung für die Ausübung des von ihr angestrebten Gewerbes des Großhandels mit Arzneimitteln besitze.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1994 ist die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis, sofern dieses Bundesgesetz oder eine Verordnung gemäß § 20 Abs. 4 oder § 22 Abs. 4 nichts Gegenteiliges bestimmt, zu erteilen, wenn

1. nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, dass er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen (volle Befähigung) besitzt und keine Ausschlussgründe gemäß § 13 vorliegen, oder

2. eine hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, keine Ausschlussgründe gemäß § 13 vorliegen und

a) dem Nachsichtswerber die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen, in seiner Person gelegenen wichtigen Gründe nicht zuzumuten ist, oder

b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen.

Im Beschwerdefall geht es allein darum, ob die beschwerdeführende Partei die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 erfüllt. Die belangte Behörde hat dies schon aufgrund des Nichtvorliegens einer hinreichenden tatsächlichen Befähigung - ohne Prüfung, ob die zusätzlich zu erfüllenden Nachsichtsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. a oder b GewO 1994 vorlägen - verneint.

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, das "Gespräch" der Wirtschaftskammer habe nicht auf die Klärung der Kenntnisse und Fähigkeiten der beschwerdeführenden Partei abgezielt, sondern sich als "in abstracto" angelegtes Prüfungsgespräch über den uneingeschränkten Prüfungsstoff laut Befähigungsnachweisverordnung gestaltet.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 Z. 2 Einleitungssatz GewO 1994 zunächst festzustellen, welche Leistungen im Rahmen der vom Nachsichtsansuchen betroffenen Teiltätigkeit des Gewerbes in der Regel zu erbringen sind und welche Tätigkeiten beherrscht werden müssen, um solche Leistungen zufrieden stellend zu verrichten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1999, Zl. 99/04/0099, und die dort zitierte Vorjudikatur). Zur Ermittlung des danach maßgeblichen Sachverhaltes hat die Behörde allenfalls auch einen Sachverständigenbeweis - etwa auch in Gestalt einer informativen Befragung des Nachsichtswerbers durch den Sachverständigen - aufzunehmen (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 1995, Slg. Nr. 14.223/A). Ein Sachverständigenbeweis in Form einer informativen Befragung ist daher nur insoweit aussagekräftig, als sich diese Befragung auf die Erfordernisse einer hinreichenden tatsächlichen Befähigung bezieht, nicht jedoch soweit sie unter dem Gesichtspunkt der vollen Befähigung erfolgt.

Ob sich die gegenständliche informative Befragung innerhalb dieser Grenzen gehalten hat, hat die belangte Behörde nicht ermittelt, sondern das negative Ergebnis dieser Befragung ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Die belangte Behörde hat damit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, wobei auf dem Boden des Beschwerdevorbringens nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei deren Einhaltung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift die Auffassung vertritt, die Abweisung des Nachsichtsbegehrens habe sich nicht allein auf mangelnde Kenntnisse des Arzneimittelrechtes (bei der informativen Befragung) gegründet, so ist ihr zu entgegnen, dass aus den Begründungsdarlegungen insgesamt nicht nachvollziehbar ist, ob die Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen der beschwerdeführenden Partei lediglich unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden tatsächlichen Befähigung im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 oder nicht auch unter dem Gesichtspunkt der vollen Befähigung im Sinne der Z. 1 dieser Gesetzesstelle gemessen wurden. So stellt die belangte Behörde etwa darauf ab, dass "die Nachsichtswerberin eine dem Erwerb der für die Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes erforderlichen fachrechtlichen Kenntnisse dienende schulische Ausbildung nicht absolviert" habe. Abgesehen davon, dass § 28 Abs. 1 GewO 1994 ja gerade die Nachsicht vom - normativ - geforderten Nachweis der Befähigung zum Gegenstand hat, indiziert ein solches Begründungselement ein Abstellen auf den Maßstab der vollen Befähigung und nicht bloß der hinreichenden tatsächlichen.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Es erübrigt sich daher, auf das übrige Beschwerdevorbringen einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 13. Dezember 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000040109.X00

Im RIS seit

08.02.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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