Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 25. August 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Annerl als Schriftführer in der Strafsache gegen Barbara B***** wegen des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 10. November 2008, GZ 9 U 104/08v-11, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Knibbe, zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 10. November 2008, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 146 StGB. Dieses Urteil sowie der unter einem gefasste Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit, nicht aber das damit verfügte Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsicht, werden aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Innsbruck verwiesen.
Text
Gründe:
Barbara B***** wurde mit (unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem) Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 10. November 2008, GZ 9 U 104/08v-11, in ihrer Abwesenheit des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB schuldig erkannt und nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe sowie gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung eines Schadenersatzbetrags von 600 Euro an den Privatbeteiligten Friedrich E***** verurteilt. Mit einem zugleich gefassten Beschluss wurde (gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO) vom Widerruf der im Verfahren AZ 3 U 14/07t des Bezirksgerichts Kitzbühel gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen, jedoch die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat die Angeklagte am 21. Oktober 2007 in A***** „mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Friedrich E***** durch die wahrheitswidrige Vorgabe, eine zahlungsfähige und zahlungswillige Geschäftspartnerin zu sein, mithin durch Täuschung über Tatsachen, zur Bestellung und Bezahlung von zwei Ziegen, vier Schweinen, einer Kutsche für insgesamt sechs Personen, einem Brustgeschirr und einem Sattel im Gesamtwert von 2.940 Euro, mithin zu einer Handlung verleitet, welche Friedrich E***** an seinem Vermögen schädigte". Die Bezirksrichterin traf dazu folgende (zusammengefasst wiedergegebene) Urteilsfeststellungen (US 4):
Barbara B***** bestellte bei Friedrich E***** am 21. Oktober 2007, nachdem sie an diesem Tag von jenem bereits zuvor erworbene Tiere (zum Gesamtpreis von 1.200 Euro) abgeholt und bar bezahlt hatte, die im Urteilstenor bezeichneten Tiere und Gegenstände im Gesamtwert von 2.940 Euro. Dabei handelte sie mit dem Vorsatz, „Friedrich E***** an seinem Vermögen zu schädigen und täuschte ihm nur vor, zahlungsfähig bzw zahlungswillig zu sein". Tatsächlich besorgte der Genannte die Tiere und die weiteren von der Angeklagten bestellten Waren, welche diese aber in weiterer Folge „nicht mehr behob", sondern ihren Vertragspartner mit diversen Versprechungen einer Bezahlung vertröstete, hingegen nichts bezahlte. Friedrich E***** entstand „insbesondere dadurch ein Schaden im Betrag von 600 Euro, dass er die Tiere bei einem Bauern zur Fütterung einstellen musste". Der Verurteilten wurde nach Zustellung der Aufforderung zum Strafantritt (zuletzt) mit Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 26. Mai 2009 (ON 24) gemäß § 6 Abs 1 Z 2 lit a StVG ein Aufschub des Strafvollzugs bis 30. November 2009 gewährt.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer gegen das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht dieses mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Das Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB begeht, wer mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtsmäßig zu bereichern, jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt.
Konstatierungen zu einer auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Täterintention sind den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen, womit die Urteilsannahmen den Schuldspruch wegen § 146 StGB nicht zu tragen vermögen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 605). Die Erwähnung im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die die Feststellung entscheidender Tatsachen nicht ersetzen kann (RIS-Justiz RS0114639; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 15, 19), reicht auf Basis der zitierten Sachverhaltsgrundlage fallaktuell auch nicht zu deren Verdeutlichung aus.
Dazu kommt, dass die Deliktsvollendung des Betrugs den Eintritt eines (durch Vermögensverfügung des Getäuschten herbeigeführten) Vermögensschadens, mithin stets einen effektiven Verlust an Vermögenssubstanz voraussetzt (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 146 Rz 57, 66). Mit Beziehung auf die bei Friedrich E***** bestellten Tiere und Waren ist demnach kein Vermögensschaden eingetreten, weil diese nach den Feststellungen von der Angeklagten „nicht mehr behoben" wurden. Gerade dieser Tatumstand hätte indes näherer klärender Feststellungen zum Grund für die Abstandnahme von der Deliktsvollendung bedurft, verwirklicht doch bei dem hier nach den Urteilskonstatierungen indizierten mehraktig angelegten Betrugsvorgehen (intendierte Verleitung zum Kaufvertragsabschluss sowie zur Warenübergabe; vgl dazu Kirchbacher/Presslauer in WK² § 146 Rz 124 f) schon das bloße weitere Untätigbleiben im Sinn eines unbeendeten Versuchs unter der Voraussetzung der Freiwilligkeit (vgl dazu aber ON 2 S 3) den Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch nach § 16 Abs 1 StGB (vgl RIS-Justiz RS0094580; Leukauf/Steininger Komm³ § 16 RN 7).
Der Tatbestand des Betrugs erfasst überdies nur den unmittelbar aus der infolge der Täuschung bewirkten Verfügung entstandenen Vermögensschaden, nicht aber bloß mittelbar herbeigeführte (Folge-)Schäden (RIS-Justiz RS0094410; Leukauf/Steininger Komm³ § 146 RN 40; Kirchbacher/Presslauer in WK² § 146 Rz 71). Die Zurechnung der dem Verkäufer Friedrich E***** nach den Urteilsfeststellungen infolge unterbliebener Abholung durch die Angeklagte entstandenen Fütterungskosten (von 600 Euro), die nach den weiteren Urteilskonstatierungen solcherart gerade keinen unmittelbar aus der angestrebten Vermögensverfügung - nämlich der unverzüglichen Übergabe der Tiere und der weiteren bestellten Waren ohne Kaufpreiszahlung - resultierenden Schaden darstellten, als (Deliktsvollendung bewirkender) Vermögensschaden im Sinne des § 146 StGB war daher verfehlt. Der Mangel an Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz hinderte im Übrigen auch die nach § 146 StGB essentielle Beurteilung der angestrebten Bereicherung als Korrelat zur Schadenszufügung (Leukauf/Steininger Komm³ § 146 RN 59), nämlich des erforderlichen Vorliegens eines funktionalen Zusammenhangs zwischen dem Vermögensschaden und der angestrebten Bereicherung in der Weise, dass der Vorteil auf der schädigenden Vermögensverfügung des Getäuschten beruhen und unmittelbar aus dem Vermögen des Geschädigten stammen soll (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 146 Rz 6). Anzumerken bleibt, dass ein die Zurechnung der in Rede stehenden Fütterungskosten als Betrugsschaden ermöglichendes - hier aber durch Urteilsfeststellungen nicht geklärtes - Tatsachensubstrat etwa im Fall einer Täuschung des Friedrich E***** durch die Angeklagte über ihre Bereitschaft zur Erfüllung einer zuvor vereinbarten Kostentragung der von jenem aufgewendeten Fütterungskosten vorliegen könnte, wofür die Angaben des Zeugen E***** vor der Polizei mögliche Anhaltspunkte bieten (ON 2 S 29).
Die Gesetzesverletzung wurde gemäß § 292 letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung (der Aufhebung des Urteils und - soweit er nicht zum Vorteil der Verurteilten wirkt - des unter einem gefassten Beschlusses samt Verweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht) verknüpft, womit sich die förmliche Aufhebung der auf dem in Rede stehenden Urteil beruhenden Folgebeschlüsse des Bezirksgerichts Innsbruck erübrigt (RIS-Justiz RS0100444).
Anmerkung
E9177914Os83.09aEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0140OS00083.09A.0825.000Zuletzt aktualisiert am
13.10.2009