Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab und Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hans S***** und weitere Angeklagte wegen der als leitender Angestellte iSd § 161 Abs 1 StGB begangenen Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 (Abs 5 Z 2, 3, 4) und Abs 2 (Abs 5 Z 3 und 4) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Hans S*****, Thomas D***** und Norbert P***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. März 2009, GZ 124 Hv 118/06s-121, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, im Umfang der Schuldsprüche, demgemäß auch in den Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auch rechtskräftige Teilfreisprüche enthaltenden - Urteil wurden der Erstangeklagte Hans S***** des Vergehens (richtig: der als leitender Angestellter iSd § 161 Abs 1 StGB begangenen Vergehen) der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 (Abs 5 Z 2, 3, 4) und Abs 2 (Abs 5 Z 3 und 4) StGB (I./1./ und 2./ und II./1./2./), der Zweitangeklagte Thomas D***** des Vergehens (richtig: der als leitender Angestellter iSd § 161 Abs 1 StGB begangenen Vergehen) der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und Abs 2 (Abs 5 Z 3 und 4) StGB (I./1./ und 2./) und der Drittangeklagte Norbert P***** des Vergehens (richtig: der als leitender Angestellter iSd § 161 Abs 1 StGB begangenen Vergehen) der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 (Abs 5 Z 2 und 4) und Abs 2 (Abs 5 Z 4) StGB (II./1./2./) schuldig erkannt.
Danach haben (zusammengefasst wiedergegeben) in Wien, dadurch, dass sie kridaträchtig handelten (§ 159 Abs 5 StGB), grob fahrlässig, und zwar
I./ Hans S***** als tatsächlicher (faktischer) Geschäftsführer und Vorsitzender des Aufsichtsrats und Thomas D***** als Geschäftsführer der S***** Gesellschaft m.b.H.,
1./ im Zeitraum von 1997 bis 31. Dezember 1998 deren Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt, indem sie
a./ angesichts der finanziell angespannten Lage ohne Nutzen übermäßigen Repräsentationsaufwand betrieben,
b./ Finanzpläne oder Budgets zu erstellen unterließen, wodurch der Geschäftsführung kein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens verschafft wurde; 2./ Hans S***** im Zeitraum vom 31. Dezember 1998 bis 21. September 2000 und Thomas D***** im Zeitraum vom 31. Dezember 1998 bis 31. Dezember 2000 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit die Befriedigung wenigstens eines Gläubigers vereitelt oder geschmälert, indem sie Finanzpläne oder Budgets zu erstellen unterließen, wodurch der Geschäftsführung kein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens verschafft wurde, und neue Verbindlichkeiten von zumindest über 100.000 Euro begründeten;
II./ Hans S***** als tatsächlicher (faktischer) Geschäftsführer und Vorsitzender des Aufsichtsrats und Norbert P***** als Geschäftsführer der SÜ-***** Ges.m.b.H.
1./ im Zeitraum von 1997 bis 31. Dezember 1998 deren Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt, indem sie
a./ laufende Finanzpläne oder Budgets zu erstellen unterließen, wodurch der Geschäftsführung kein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens verschafft wurde,
b./ ein nicht zum gewöhnlichen Wirtschaftsbetrieb gehörendes außergewöhnlich gewagtes Geschäft, nämlich den Ankauf der „P*****" in Purkersdorf tätigten,
2./ Hans S***** im Zeitraum vom 31. Dezember 1998 bis 21. September 2000 und Norbert P***** im Zeitraum vom 31. Dezember 1998 bis 22. März 2001 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis deren Zahlungsunfähigkeit die Befriedigung wenigstens eines Gläubigers vereitelt oder geschmälert, indem sie Finanzpläne oder Budgets zu erstellen unterließen, wodurch der Geschäftsführung kein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens verschafft wurde, und neue Verbindlichkeiten von zumindest 100.000 Euro begründeten.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die - auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit b StPO gestützte - Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten und die - jeweils auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO gestützten - Nichtigkeitsbeschwerden des Zweit- und Drittangeklagten, denen Berechtigung zukommt.
Mit der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) weist der Erstangeklagte zutreffend darauf hin, dass das Schöffengericht im Hinblick auf die erst ab 20. Februar 2003 den Fortlauf der Verjährung hemmende gerichtliche Maßnahme (S 1b/ON 1), somit bei der für die Verjährungsfrage entscheidungswesentlichen Feststellung des Endes des Deliktszeitraums bis 21. September 2000, erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO; vgl S 5/ON 120) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ. Die Tatrichter setzten sich nämlich nicht mit der Einlassung des Erstangeklagten auseinander, wonach er wegen seiner Pensionierung Ende 1999 als Aufsichtsratsvorsitzender beider Gesellschaften ausgeschieden und seit 1. Jänner 2000 nicht mehr für die Unternehmen tätig geworden sei (S 375/ON 107 und S 445/ON 108). Trifft es doch zu, dass Kridaverantwortlichkeit nach Enthebung bzw Zurücklegung der Organfunktion nicht von der noch aufrechten (der Sache nach überholten) Registrierung im Firmenbuch abhängt, sondern vielmehr von der weiteren faktischen Ausübung unternehmensbezogener Geschäftsführungsagenden (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 161 Rz 11; SSt 54/82).
Unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens kann somit ein Erlöschen der Strafbarkeit der Taten des Erstangeklagten durch Verjährung (§ 57 Abs 2 StGB) nicht ausgeschlossen werden. Ein Eingehen auf die Argumente der Rechtsrüge des Erstangeklagten (Z 9 lit b) erübrigte sich demnach.
Zutreffend machen der Zweit- und Drittangeklagte mit ihren Rechtsrügen (Z 9 lit b) einen die Verjährungsfrage betreffenden Feststellungsmangel geltend.
Thomas D***** und Norbert P***** wurden jeweils des als leitender Angestellter iSd § 161 Abs 1 StGB begangenen Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und Abs 2, somit einer Straftat schuldig erkannt, die mit einer einjährigen Freiheitsstrafe bedroht ist. Nach § 57 Abs 2 zweiter Satz StGB beginnt die Verjährungsfrist, sobald die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen ist oder das mit Strafe bedrohte Verhalten aufhört. Nach dem Urteil hat der Angeklagte Thomas D***** bis zum 31. Dezember 2000 (I./2./) und der Angeklagte Norbert P***** bis zum 22. März 2001 (II./2./) deliktische Handlungen gesetzt. Demgegenüber ist aus dem - in der Hauptverhandlung vorgetragenen (§ 252 Abs 2a StPO; vgl ON 20 S 19) - Strafakt ersichtlich, dass die erste gerichtliche Verfolgungshandlung gegen diese beiden Beschwerdeführer erst am 2. Dezember 2004, somit erst nach Ablauf der Verjährungsfrist vorgenommen wurde (S 1e/ON 1). Zu Recht machen die Nichtigkeitswerber daher das Unterlassen von Feststellungen zum materiellrechtlichen Strafaufhebungsgrund der Verjährung geltend.
Wenn keine anderen die Verjährung hemmende Umstände iSd § 58 Abs 2 oder Abs 3 StGB vorliegen sollten, wäre im erneuerten Verfahren vom Erlöschen der Strafbarkeit auszugehen.
Da sich zeigt, dass die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, war in Übereinstimung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur den Nichtigkeitsbeschwerden bei nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben, das Urteil, welches in Ansehung der rechtskräftigen Teilfreisprüche unberührt bleibt, im Umfang der Schuldsprüche, demgemäß auch in den Strafaussprüchen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§ 285e StPO).
Mit ihren (nicht ausgeführten) Berufungen waren die Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E9176712Os110.09gEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0120OS00110.09G.0827.000Zuletzt aktualisiert am
20.10.2009