TE OGH 2009/8/27 12Ns52/09g

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.08.2009
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wolfgang Sch***** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, AZ 4 St 122/09s der Staatsanwaltschaft Innsbruck, über die Frage der Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag des Univ.-Doz. Dr. Maximilian L***** und der Esther L***** auf Fortführung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Oberste Gerichtshof ist zur Regelung rechtlicher Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Oberlandesgericht Innsbruck und dem Landesgericht Innsbruck nicht zuständig.

Text

Gründe:

Mit Verfügung vom 8. Mai 2009 stellte die Staatsanwaltschaft Innsbruck das zum AZ 4 St 122/09s gegen Wolfgang Sch***** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 190 Z 2 StPO ein (ON 1). Am 17. Juni 2009 langten die von der Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck am 15. Juni 2009 mit einer Übersendungsnote weitergeleiteten Ermittlungsakten mit einer ablehnenden Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Innsbruck (ON 4) zu einem am 26. Mai 2009 eingebrachten Antrag auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens (ON 3) beim Oberlandesgericht Innsbruck ein.

Nachdem das Oberlandesgericht die Akten am 19. Juni 2009 dem Landesgericht Innsbruck zur Entscheidung über den Antrag auf Fortführung zugeleitet hatte, sendete dieses die Akten am 24. Juni 2009 unter Verweis auf die Rechtsansicht des Bundesministeriums für Justiz zum Inkrafttreten der durch das Budgetbegleitgesetz 2009 geänderten Bestimmungen der §§ 194 ff StPO an das Oberlandesgericht Innsbruck zurück.

Dieses retournierte den Akt mit Verfügung vom 1. Juli 2009 dem Landesgericht Innsbruck unter Ablehnung der genannten Rechtsansicht des Bundesministeriums für Justiz zur Entscheidung über den Antrag auf Fortführung. Das Landesgericht Innsbruck legte daraufhin den Akt am 2. Juli 2009 dem Obersten Gerichtshof „gem. § 38 StPO" vor.

Rechtliche Beurteilung

Nach dieser mit „Kompetenzkonflikt" überschriebenen Bestimmung hat ein Gericht, welches sich für unzuständig hält, bei ihm eingebrachte Anträge dem zuständigen zu überweisen. Sofern auch das Gericht, dem überwiesen wird, seine Zuständigkeit bezweifelt, hat es die Entscheidung des gemeinsam übergeordneten Gerichts zu erwirken.

§ 38 StPO weicht - soweit hier von Bedeutung - signifikant von seiner bis 31. Dezember 2007 geltenden Vorgängerbestimmung des § 64 StPO idF vor BGBl I 2004/19 ab, die als „Streitigkeit über die Zuständigkeit von Gerichten" nur Auffassungsunterschiede auf derselben Stufe stehender Gerichte geregelt hatte. Dass der insoweit unklare § 38 StPO nichts anderes meint, ergibt sich jedoch unzweifelhaft aus den EBRV StPRG 57 f, wonach außer dem Fall des § 215 Abs 4 zweiter Satz (§ 213 Abs 6 zweiter Satz) StPO der Oberste Gerichtshof „als gemeinsam übergeordnetes Gericht" nur „bei Gerichten, die nicht dem Sprengel des Oberlandesgerichts zugeordnet sind", zuständig ist (idS auch Fabrizy, StPO10 § 38 Rz 1). Diese Sicht liegt außerdem der auf Delegierungen bezogenen Vorschrift des § 39 StPO zu Grunde, wo - nicht anders als in §§ 31, 38, 42 GOG - der Begriff des „unterstellten Gerichts" verwendet wird, in welchem Verhältnis Landesgerichte im Sprengel eines Oberlandesgerichts zu diesem stehen. Solcherart ist ein Kompetenzkonflikt zwischen dem Obersten Gerichtshof und anderen ordentlichen Gerichten von vornherein ausgeschlossen (vgl auch Art 138 Abs 1 B-VG).

Somit kann es zwischen dem Oberlandesgericht Innsbruck und dem diesen unterstellten Landesgericht Innsbruck zu keinem von § 38 StPO geregelten Kompetenzkonflikt kommen. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen im erwähnten Sinn über- und untergeordneten Gerichten gibt vielmehr wie vor dem 1. Jänner 2008 die Sicht des übergeordneten Gerichts den Ausschlag.

Bleibt jedoch anzumerken, dass sich - wie die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend aufzeigt - bei durch teleologische Reduktion verfassungskonformer Interpretation (Art 83 Abs 2 B-VG) der eine Rückwirkung anordnenden Bestimmung des § 514 Abs 5 erster Satz StPO in Bezug auf die sachliche Zuständigkeit der §§ 31 Abs 5, 33 Abs 1 Z 3 StPO die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Entscheidung über die dort bis zum 18. Juni 2009 einlangenden Fortführungsanträge ergibt. Die fallbezogen durch die Ablehnung der eigenen Kompetenz auftretende Gesetzesverletzung kann aber vom Obersten Gerichtshof nur im Wege einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes aufgegriffen werden.

Anmerkung

E9176312Ns52.09g

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0120NS00052.09G.0827.000

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten