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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §299;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des KF in M, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 6. Juli 1995, Zl. 6-95/426/06, betreffend Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1991 und 1992 gemäß § 299 Abs. 1 lit. b BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.250,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer gab in den Umsatzsteuererklärungen der Streitjahre die Art des Unternehmens mit "Schriftsteller, psychologische Beratung, Referate" an. Den Gesamtbetrag der mit dem Normalsteuersatz steuerpflichtigen Umsätze bezifferte er für 1991 mit S 39.940,83 und im Jahr 1992 mit S 35.130,34. Für das Jahr 1991 machte er abziehbare Vorsteuern von S 23.533,53 und für 1992 solche in Höhe von S 9.961,53 geltend. Die Regelbesteuerung wurde beantragt.
Das Finanzamt erließ erklärungsgemäße Umsatzsteuerbescheide.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde in Ausübung des Aufsichtsrechtes die Bescheide des Finanzamtes betreffend die Umsatzsteuer für 1991 und 1992 gemäß § 299 Abs. 1 lit. b BAO auf. In der Begründung führte sie aus, die Veranlagung zur Umsatzsteuer für 1991 und 1992 sei ohne Überprüfung erklärungsgemäß erfolgt. Es seien dabei auch Umsätze aus schriftstellerischer Tätigkeit veranlagt worden, wobei auch ein Vorsteuerabzug vorgenommen worden sei. Gemäß § 6 Z. 14 UStG 1972 seien die Umsätze aus der Tätigkeit als Schriftsteller steuerfrei. Nach § 12 Abs. 3 Z. 1 leg. cit. sei die Steuer für die Lieferungen von Gegenständen vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit der Unternehmer diese Gegenstände zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwende. Demgemäß sei ein Vorsteuerabzug für die Anschaffung von Gegenständen, die mit Umsätzen aus der schriftstellerischen Tätigkeit zusammenhingen, nicht zulässig. Die Abgabenbescheide des Finanzamtes seien aufzuheben gewesen, weil der diesen Bescheiden zu Grunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt worden sei. Im Interesse einer gleichmäßigen Anwendung umsatzsteuerrechtlicher Bestimmungen und im Hinblick auf den Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit vor dem der Rechtsbeständigkeit seien die Umsatzsteuerbescheide aufzuheben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Sowohl unter dem Gesichtpunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch einer solchen infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer zusammengefasst geltend, die belangte Behörde führe nicht konkret aus, inwieweit der Sachverhalt von der Behörde erster Instanz unrichtig angenommen worden sei. Die Wiedergabe des § 6 Z. 14 und des § 12 Abs. 3 Z. 1 UStG 1972 ersetze keinesfalls die gebotene Sachverhaltsdarstellung. Der Hinweis, es seien auch Umsätze aus schriftstellerischer Tätigkeit veranlagt worden, wobei auch ein Vorsteuerabzug vorgenommen worden sei, sei eine völlig unsubstantiierte Behauptung. Tatsächlich sei es auch zu keinem Vorsteuerabzug bei den Umsätzen aus schriftstellerischer Tätigkeit gekommen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Beschwerdeführer replizierte auf die Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann in Ausübung des Aufsichtsrechtes ein Bescheid von der Oberbehörde aufgehoben werden,
a) wenn er von einer unzuständigen Behörde, von einem hiezu nicht berufenen Organ oder von einem nicht richtig zusammengesetzten Kollegialorgan einer Behörde erlassen wurde, oder
b) wenn der dem Bescheid zu Grunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde, oder
c) wenn Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können.
Nach § 299 Abs. 2 BAO kann ein Bescheid von der Oberbehörde ferner wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. April 2000, 96/15/0174) kommt es bei der Überprüfung eines Aufhebungsbescheides nur darauf an, ob die belangte Behörde überhaupt berechtigt gewesen ist, einen solchen im Aufsichtsweg zu erlassen, weil nicht erkannt werden kann, in welchem subjektivöffentlichen Recht eine beschwerdeführende Partei dadurch verletzt worden sein soll, dass der Aufhebungstatbestand statt richtig § 299 Abs. 1 BAO auf § 299 Abs. 2 BAO oder umgekehrt und statt auf die richtige litera des Abs. 1 dieser Gesetzesstelle auf eine andere gestützt wurde.
Wie der Verwaltungsgerichtshof seit dem verstärkten Senat vom 25. März 1981, Slg. 5567/F, in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. Oktober 2000, 95/14/0185) ausgeführt hat, kommt im Bereich des § 299 BAO dem Prinzip der Rechtmäßigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit zu. Trotz dieses Vorranges des Prinzips der Rechtsrichtigkeit werden Aufhebungen vor allem dann zu unterbleiben haben, wenn die Rechtswidrigkeit bloß geringfügig ist bzw. wenn sie keine wesentlichen Folgen nach sich gezogen hat (Ritz, Kommentar zu BAO, 2. Auflage, § 299 Rz 23).
Der von der belangten Behörde herangezogene Aufhebungstatbestand des § 299 Abs. 1 lit. b BAO setzt voraus, dass die Sachverhaltsannahme der Unterbehörde von der Wirklichkeit abweicht. Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, dass der angefochtene Bescheid solche Feststellungen nicht enthält. Die Ausführungen, es seien auch Umsätze aus schriftstellerischer Tätigkeit veranlagt worden, wobei auch ein Vorsteuerabzug vorgenommen worden sei, stellen nicht nachvollziehbare Sachverhaltsfeststellungen dar. Diese Ausführungen sind im Zusammenhang mit dem Hinweis, die Veranlagungen zur Umsatzsteuer für 1991 und 1992 seien ohne Überprüfung erklärungsgemäß erfolgt, einerseits dahingehend zu deuten, dass die belangte Behörde meint, bei entsprechender Ermittlung hätte das Finanzamt einen anders lautenden Bescheid erlassen können. Andererseits lassen sich die Ausführungen, es sei ein Vorsteuerabzug für die Anschaffung von Gegenständen, die mit Umsätzen aus der schriftstellerischen Tätigkeit zusammenhängen, nicht zulässig, dahingehend deuten, dass die belangte Behörde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes den Bescheid des Finanzamtes aufgehoben hat. Aber auch diese beiden Deutungsversuche scheitern daran, dass die belangte Behörde keinerlei über Behauptungen hinausgehende Feststellungen getroffen hat. Es kann daher insgesamt nicht beurteilt werden, ob die Unterlassung des Ermittlungsverfahrens oder die unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Finanzamt Folgen nach sich gezogen haben, die eine Bescheidaufhebung im Sinne der oben dargelegten Rechtsauffassung rechtfertigen könnten.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 14. Dezember 2000
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Erklärung und Umfang der Anfechtung AnfechtungserklärungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1995150113.X00Im RIS seit
19.03.2001