Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Veith, Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Wien 6, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei m***** AG, *****, vertreten durch Dr. Peter Lösch Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 26.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. März 2009, GZ 1 R 180/08k-10, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 17. Juni 2008, GZ 19 Cg 46/08y-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.470,24 EUR (darin enthalten 245,04 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte bietet bundesweit Mobilfunkleistungen an. Sie verwendet im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die unter anderem folgende Klauseln enthalten:
1. Nicht ausschließlich begünstigende Änderungen werden dem Teilnehmer schriftlich unter gleichzeitiger Vornahme einer Änderungskündigung durch m***** mindestens ein Monat vor Inkrafttreten der Änderung in geeigneter Form, etwa durch Rechnungsaufdruck, mitgeteilt. Sollte der Teilnehmer bis zum Inkrafttreten der Änderungen der m***** schriftlich mitteilen, dass er den Änderungen widerspricht, so endet der Vertrag nach einer Frist von einem Monat ab Zugang dieser Erklärung. Der Widerspruch wird wirkungslos, falls sich m***** innerhalb eines Monats ab Zugang des Widerspruchs bereit erklärt, gegenüber dem Teilnehmer die Änderungskündigung zurückzuziehen. Widerspricht der Teilnehmer nicht, so erlangen die Änderungen zum bekannt gegebenen Zeitpunkt Wirksamkeit.
2. Gemäß § 25 TKG 2003 zulässige Änderungen bleiben unberührt. Eine gemäß § 25 Abs 3 TKG ausgesprochene außerordentliche Kündigung durch den Teilnehmer wird wirkungslos, falls sich m***** innerhalb von vier Wochen ab Zugang der Kündigung bereit erklärt, gegenüber dem Teilnehmer auf die Kündigung zu verzichten.
Der nach § 29 KSchG klageberechtigte Verein begehrte die Unterlassung der Verwendung dieser sowie sinngleicher Klauseln und die Ermächtigung zur Veröffentlichung des klagsstattgebenden Urteilsspruchs. Er berief sich auf einen Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG, weil dem Durchschnittsverbraucher der Begriff „Änderungskündigung" unverständlich sei und beide Klauseln unklar voneinander abgegrenzt seien bzw miteinander in Widerspruch stünden. Die im zweiten Satz der ersten Klausel vorgesehene Beendigung des Vertrags erst nach einem Monat verstoße gegen § 25 Abs 3 TKG und gegen § 6 Abs 3 KSchG. Das Recht der Beklagten, die Änderungskündigung durch Erklärung der Wirkungslosigkeit des Widerspruchs zurückzuziehen (Klausel 1 Satz 3) und die Wirkungslosigkeit einer außerordentlichen Kündigung des Teilnehmers durch Verzicht auf ihre Kündigung gegenüber dem Teilnehmer zu erreichen (Klausel 2 Satz 2), sei in § 25 TKG nicht vorgesehen, mit dem in dieser Bestimmung umgesetzten Art 20 Abs 4 der Universaldienst-RL 2002/22/EG unvereinbar, eine gröbliche Benachteiligung des Kunden nach § 879 Abs 3 ABGB, und widerspräche § 6 Abs 1 Z 1 KSchG. Dem Kunden sei nicht zumutbar, nach Erklärung seines Widerspruchs oder einer außerordentlichen Kündigung einen Monat bzw vier Wochen lang zuzuwarten, ob es bei der Vertragsauflösung bleibe oder der Betreiber das Vertragsverhältnis ohne die gewünschten Änderungen aufrecht erhalte. Gerade die Konstellation, dass der Kunde trotz der von ihm ausgesprochenen Vertragsbeendigung keine Verträge mit anderen Betreibern mit Bindungsfristen abschließen könne, ohne Gefahr zu laufen, durch einseitige Erklärung der Beklagten plötzlich über zwei Mobilfunkverträge zu verfügen, sollte durch Art 20 Universaldienst-RL bzw § 25 Abs 3 TKG ausgeschlossen werden.
Die Beklagte bestritt die Intransparenz des Begriffs „Änderungskündigung", der dem Kunden aufgrund seiner Verwendung in zahlreichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen bekannt sei und dessen Bedeutung jederzeit festgestellt werden könne, sowie einen Verstoß gegen § 25 Abs 3 TKG, § 879 Abs 3 ABGB und § 6 Abs 1 Z 1 KSchG. Verzichte die Beklagte auf die Änderung der AGB, falle der Grund für das in § 25 Abs 3 TKG normierte Kündigungsrecht des Kunden weg. Die der Beklagten für die Entscheidung, ob sie das Vertragsverhältnis beenden oder zu den alten Bedingungen fortsetzen wolle, eingeräumte Frist sei nicht unangemessen lang und sachlich gerechtfertigt, weil der Betreiber seine weitere Disposition aus betriebswirtschaftlichen Gründen von den Reaktionen der anderen - ihr Kündigungs- bzw Widerspruchsrecht allenfalls später ausübenden - Kunden abhängig machen müsse. § 25 TKG gewähre dem Kunden ebenfalls eine Frist von einem Monat für die Entscheidung, ob er die Änderung der AGB akzeptiere oder kündigen wolle.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Begriff „Änderungskündigung" sei kein dem Verbraucher geläufiger Fachausdruck. Dieser sei nicht ohne weiteres in der Lage, zu erkennen, dass es sich dabei um eine vom Verhalten des Erklärungsempfängers abhängige Potestativbedingung handle. Der durchschnittliche Kunde werde annehmen, dass im Fall der Unterlassung eines Widerspruchs nur die angesprochenen Klauseln geändert würden, und dabei nicht erkennen, dass damit ein neuer Vertrag geschlossen werde, was etwa dazu führe, dass die Frist für die Vertragsbindung neu zu laufen beginne. Jener Schwebezustand, der durch die einmonatige bzw vierwöchige Frist entstehe, sei für den Konsumenten unzumutbar, weil er während dieser Zeit nicht zukunftsorientiert handeln könne. Insbesondere werde ihm die Möglichkeit genommen, sich nach einem neuen Betreiber umzusehen, da er damit rechnen müsse, dass die Beklagte den Vertrag doch aufrecht erhalte. Ziehe die Beklagte die Änderungskündigung aber nicht zurück, stehe der Verbraucher plötzlich ohne Vertragspartner da. Denkbar sei auch, dass der Verbraucher wegen der Überlegungsfrist für die Beklagte ein anderes befristetes Angebot versäume. Nur die Beklagte habe es in der Hand, zu bestimmen, was endgültig mit dem Vertragsverhältnis passiere; dies stelle die Rechtsposition des Verbrauchers in ein auffallendes Missverhältnis zu jener der Beklagten und benachteilige ihn nach § 879 Abs 3 ABGB gröblich.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision zu. Aus der Formulierung der Klausel 1 Satz 1 sei nicht zwingend abzuleiten, die im Rahmen der dort genannten „Änderungskündigung" vorgenommenen Vertragsänderungen könnten sich nur auf die geänderten AGB-Bestimmungen und nicht auch auf sonstige Vertragsbestimmungen beziehen. Nach der im Verbandsverfahren gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung der Klausel könnte ihr unterstellt werden, sie solle der Beklagten einseitige Änderungen von Vertragsbestimmungen (wie etwa der weiteren Vertragsdauer) auch über die in § 25 TKG vorgesehene Änderung der AGB hinaus ermöglichen. Die Frage der ausreichenden Transparenz der Klausel 1 müsse nicht abschließend geklärt werden, weil sie ebenso wie die Klausel 2 schon wegen des der Beklagten eingeräumten Rechts, das Vertragsverhältnis trotz Widerspruchs des Kunden gegen eine Änderungskündigung bzw trotz Kündigung des Kunden nach § 25 Abs 3 TKG nach einer einmonatigen (bzw vierwöchigen) Überlegungsfrist durch einseitige Erklärung doch fortzusetzen, den Kunden gröblich benachteilige. Dazu verwies das Berufungsgericht auf die Kernargumente des Erstgerichts zur Unmöglichkeit des Kunden, während dieses Schwebezustands vernünftig über seine künftige Mobilfunkversorgung zu disponieren, und das legitime Interesse des Kunden an einer nahtlosen Versorgung mit Mobilfunkleistungen zu für ihn akzeptablen Bedingungen. Der Kunde werde von dem Kündigungsrecht nach § 25 Abs 3 TKG (verschlechternde Änderung der Vertragsbedingungen) in der Regel nur dann Gebrauch machen, wenn er im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang damit einen Vertrag mit einem anderen Mobilfunkbetreiber abschließe. Genau diese Möglichkeit werde ihm genommen, wenn er nicht riskieren wolle, im Fall einer von der Beklagten erklärten Fortsetzung des Vertrags die Grundgebühr für zwei Mobilfunkverträge zahlen zu müssen. Der Gesetzgeber habe den Mobilfunkbetreibern zwar die Möglichkeit eingeräumt, ihre AGB einseitig auch nicht ausschließlich begünstigend zu ändern. Dieses Recht stelle aber eine Ausnahme dar, sei nach den allgemein anerkannten Interpretationsregeln eng auszulegen und daher nicht ohne weiteres über die vom Gesetzgeber festgelegten Bedingungen hinaus auszudehnen. Beide Klauseln widersprächen dem zwingenden § 25 TKG und seien schon deshalb unzulässig. Eine nach § 25 Abs 3 TKG berechtigte Kündigung durch den Kunden führe nach den allgemeinen Regeln des dispositiven Rechts zu einer für den Betreiber einseitig nicht mehr abwendbaren Auflösung des Mobilfunkvertrags. Die in den beiden Klauseln vorgesehene gegenteilige Möglichkeit der Beklagten, den Vertrag doch noch fortsetzen zu können, weiche klar von dieser Rechtslage ab und stelle mangels sachlicher Rechtfertigung eine gröbliche Benachteiligung des Kunden im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB dar. Die sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung zeige sich in dem von der Beklagten selbst dargelegten Zweck dieser Überlegungsfrist für die Mobilfunkbetreiberin: Ihr solle die eigene wirtschaftliche Disposition wesentlich erleichtert werden, in dem sie ohne Gefahr nachteiliger Folgen erproben könne, ob sich die den Verbraucher benachteiligende Änderung der Allgemeinen Vertragsbedingungen betriebswirtschaftlich für sie letztlich rechne oder ob daraus doch ein zu hoher Kundenverlust resultiere. Das Interesse eines Unternehmers auf Ausschaltung des wirtschaftlichen Risikos aus einer von ihm beabsichtigten Verschlechterung der Vertragsbedingungen für die Verbraucher bilde keine anzuerkennende sachliche Rechtfertigung für die in den Klauseln vorgesehene, den Kunden nachteilige Änderung der Rechtslage.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hält die Begründung des Urteils des Berufungsgerichts für zutreffend (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO), weshalb es genügt, der Revision kurz zu erwidern:
Nach § 25 Abs 2 TKG 2003 sind Änderungen der AGB und Entgeltbestimmungen vor ihrer Wirksamkeit der Regulierungsbehörde anzuzeigen und in geeigneter Form kundzumachen. Für den Teilnehmer nicht ausschließlich begünstigende Änderungen gilt eine Kundmachungs- und Anzeigefrist von zwei Monaten. § 25 Abs 3 TKG 2003 verpflichtet Mobilfunkbetreiber, den wesentlichen Inhalt der nicht ausschließlich begünstigenden Änderungen dem Teilnehmer mindestens einen Monat vor In-Kraft-Treten der Änderung in geeigneter Form mitzuteilen sowie gleichzeitig den Teilnehmer auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Änderungen sowie auf sein Recht hinzuweisen, den Vertrag bis zu diesem Zeitpunkt kostenlos zu kündigen. Diese Bestimmungen berechtigen den Anbieter ex lege zu einer einseitigen Vertragsänderung, soweit es die Änderung von AGB und Entgeltbedingungen betrifft (Feiel/Lehofer TKG 2003, 96; Ertl, Die AGB-Kontrolle nach § 25 TKG 2003, MR 2005, 139 [141 f]; Lehofer in FS Mayer 148 f; 4 Ob 98/04x). Als Ausgleich dafür erhält der Teilnehmer in Übereinstimmung mit Art 20 Abs 4 der Universaldienstrichtlinie (RL 2002/22/EG) ein kostenloses außerordentliches Kündigungsrecht, das spätestens bis zum In-Kraft-Treten der Änderungen auszuüben ist (Feiel/Lehofer aaO 96 f; Ertl aaO; Lehofer aaO).
Die Revisionswerberin sieht den Schutzzweck dieses Kündigungsrechts ausschließlich in der Abwehr einer einseitigen, beabsichtigten Vertragsänderung, nicht aber darin, dem Kunden aus anderen Motiven die Kündigung eines bestehenden Vertrags zu ermöglichen. Der einzige Schutzzweck falle weg, wenn es aufgrund der Zurückziehung der Änderungskündigung eben nicht zu einer Vertragsänderung komme.
§ 25 Abs 3 TKG 2003 ist aber eine konsumentenschutzrechtliche Norm (Polster in Stratil/Polster/Singer/Steinmaurer/Weissenburger TKG 2003, 63), die das Kündigungsrecht des Teilnehmers von folgenden Bedingungen abhängig macht: Eine bekanntgegebene Änderung samt Hinweis auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens und das Kündigungsrecht sowie die Ausübung des Kündigungsrechts bis zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens. Nach den allgemeinen Regeln des dispositiven Rechts wird ein derartiges Vertragsverhältnis grundsätzlich durch eine einseitige Kündigungserklärung beendet. Der Beklagten ist einzuräumen, dass bei Aufrechtbleiben des Vertrags zu den alten AGB keine dem Teilnehmer nachteilige Änderung eintritt und seine Versorgung mit Mobilfunkleistungen garantiert ist. Ein Verbraucher, der sich aufgrund der „drohenden", ihn benachteiligenden Änderung der AGB und Entgeltbedingungen zur Auflösung dieses Vertrags entschließt, kann aber nach den allgemeinen Regeln des dispositiven Rechts nach Zugang seiner Erklärung an den Mobilfunkbetreiber mit einer wirksamen Beendigung des Vertragsverhältnisses rechnen, sich schon vorher über Anbote anderer Mobilfunkbetreiber informieren und dann einen Vertrag abschließen. In der Mobilfunkbranche sind ständig wechselnde Angebote aufgrund der Wettbewerbssituation nicht unüblich, weshalb die einmonatige bzw vierwöchige Phase der Unsicherheit, ob das Vertragsverhältnis weiter aufrecht bleiben soll, die Dispositionsfreiheit des Konsumenten stark einschränkt. Die den Teilnehmern seitens der Beklagten offensichtlich zugedachte Rolle von „Testsubjekten" (rentiert sich aufgrund der Anzahl der Widersprüche bzw Kündigungen die Änderung der AGB?) muss der Konsument nicht spielen. Ebensowenig soll er auf die Möglichkeit verwiesen werden, bei anderen Mobilfunkbetreibern Verträge ohne Bindung wie sogenannte „prepaid-Verträge" abzuschließen und so das Risiko zu vermeiden, bei Aufrechterhalten des Vertrags durch die Beklagte und zwischenzeitig erfolgtem Abschluss eines anderen Vertrags an zwei Mobilfunkverträge gebunden zu sein.
Im Verbandsprozess hat die Auslegung von Klauseln im „kundenfeindlichsten" Sinn zu erfolgen (RIS-Justiz RS0016590). Auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Klausel kann nicht Rücksicht genommen werden, weil eine geltungserhaltende Reduktion im Verbandsprozess nicht möglich ist (RIS-Justiz RS0038205). Der erste Satz der Klausel 1 ist nicht als materiell eigenständiger Regelungsbereich zu sehen, der von den anschließenden Bestimmungen dieser Klausel isoliert wahrgenommen werden kann. Er bezieht sich auf die Vornahme einer „Änderungskündigung", deren Zurückziehung nach Satz 3 der Klausel den im zweiten Satz geregelten Widerspruch des Teilnehmers wirkungslos macht. Ist dieser anschließende Teil der Klausel nicht zulässig, wirkt sich das insgesamt auf die als Einheit anzusehende Klausel aus.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E91980European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00123.09H.0908.000Im RIS seit
08.10.2009Zuletzt aktualisiert am
10.12.2013