Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Christian Margreiter, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, gegen die beklagte Partei Gemeinde R*****, vertreten durch Dr. Alois Schneider, Rechtsanwalt in Rattenberg, wegen Feststellung (Feststellungsinteresse 100.000 EUR), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 28. Mai 2009, GZ 2 R 92/09k-17, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 18. Februar 2009, GZ 59 Cg 104/08g-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 37 Abs 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994 (TROG 1994) in der hier maßgeblichen Fassung durften als Bauland nur Grundflächen gewidmet werden, die sich für eine der jeweiligen Widmung entsprechende Bebauung in gesundheitlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht eignen. Von der Widmung als Bauland waren insbesondere Grundflächen ausgeschlossen, soweit sie insbesondere unter Bedachtnahme auf Gefahrenzonenpläne wegen einer Gefährdung durch Lawinen, Hochwasser, Wildbäche, Steinschlag, Erdrutsch oder andere Naturgefahren für eine widmungsgemäße Bebauung nicht geeignet sind (lit a). Gemäß § 28 TROG 1994 hatte die Gemeinde die für die örtliche Raumordnung bedeutsamen Gegebenheiten und deren voraussehbaren Veränderungen zu erheben und in einer Bestandsaufnahme festzuhalten (Abs 1). Die Bestandsaufnahme hatte jedenfalls die Gebiete und Grundflächen, die durch Lawinen, Hochwasser, Wildbäche, Steinschlag, Erdrutsch und andere Naturgefahren gefährdet sind, sowie das Ausmaß der Gefährdung zu umfassen (Abs 2).
Entscheidend ist im vorliegenden Fall, ob sich die Liegenschaft der Klägerin zum Zeitpunkt der Erstellung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans in einem Gebiet befand, das wegen einer Gefährdung durch Hochwasser für eine widmungsgemäße Bebauung im Sinne des § 37 Abs 1 lit a TROG 1994 nicht geeignet war; bejahendenfalls, ob den Organen der beklagten Gemeinde ein Verschulden daran vorzuwerfen ist, die mangelnde Eignung nicht erkannt zu haben.
Abgesehen davon, dass nicht einmal das - statistisch einem 150- bis 200-jährlichem Ereignis entsprechende - extreme Hochwasser im August 2005 dazu geführt hat, dass der Wasserstand die von der Klägerin ins Treffen geführte HQ 100-Marke erreicht hat, vermochte die Klägerin auch im gesamten Verfahren nicht nachvollziehbar darzulegen, warum eine Liegenschaft im Sinne des § 37 Abs 1 lit a TROG 1994 als Bauland ungeeignet sein sollte, wenn sie statistisch gesehen (nur) alle 100 Jahre durch Hochwasser beeinträchtigt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich wiederholt mit der Frage auseinandergesetzt, wie der in verschiedenen landesrechtlichen (Raumordnungs-)Vorschriften verwendete Begriff der Gefährdung durch Hochwasser näher abzugrenzen ist. Dazu wurde etwa ausgeführt (VwGHSlg 9237 A unter Hinweis auf VwGHSlg 6486 A), dass - auch wenn der Begriff der „Bedrohung durch Hochwasser" im Gesetz nicht näher geregelt werde - von vornherein anzunehmen sei, dass die Berücksichtigung dieser Bedrohung vom Ausmaß der Gefahr und von der Häufigkeit des Auftretens von Hochwässern abhängig sei. Nach den Bestimmungen des WRG hätten nur 20- bis 30-jährige Hochwässer eine besondere Regelung erfahren, nicht jedoch seltener auftretende Hochwässer. Zu § 1 Abs 1 Stmk BauO 1968 wurde erst kürzlich ausgesprochen (VwGH 2005/06/0101), dass zur Auslegung des Begriffs der „Hochwassergefährdung" auf § 38 Abs 3 WRG zurückgegriffen werden könne, wonach das bei 30-jährlichen Hochwässern überflutete Gebiet als Hochwasserabflussgebiet gilt. Treffe der Wasserrechtsgesetzgeber keine Regelungen für ein „50-jähriges" Hochwasser, das sich stets als ein Katastrophenhochwasser darstellen werde, dann könne daraus geschlossen werden, dass die Gefahr eines derartigen - selteneren - Hochwassers nicht als Hochwassergefährdung im Sinne der einschlägigen Bestimmung der BauO qualifiziert werden könne.
Unter Zugrundelegung der dargestellten verwaltungsgerichtlichen Judikatur kann daher auch für § 37 Abs 1 lit a TROG 1994 nicht davon ausgegangen werden, dass die Eignung einer Grundfläche als Bauland bereits dann zu verneinen wäre, wenn diese statistisch nur alle 100 Jahre von Hochwasserereignissen betroffen ist. Damit kann aber der Beklagten nicht der Vorwurf gemacht werden, der Flächenwidmungs- sowie der Bebauungsplan seien wegen unzureichender Bedachtnahme auf Hochwasserereignisse, die auch die Liegenschaft der Klägerin betreffen könnten, rechtswidrig.
Soweit sich die Revisionswerberin auf eine besondere Gefährdung durch Grundwasser im Zusammenhang mit Hochwasserereignissen beruft, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie nach der klaren Formulierung ihres Feststellungsbegehrens die Haftung der Beklagten daraus ableiten will, dass diese bei Erlassung des Flächenwidmungsplans sowie des Bebauungsplans nicht berücksichtigt habe, dass sich ihr Grundstück „im Hochwasserabflussbereich befinde und die dort maßgebliche Wasseranschlagslinie HQ 100 auf einer Höhe von 521,75 m liege", in eventu, dass sich die Liegenschaft „im Falle des Ausfalls des Pumpwerks im Hochwasserabflussbereich befinde und insbesondere auch durch entsprechende Grundwassererscheinungen Überflutungen drohen, die einem Hochwasser einer dort maßgeblichen Wasseranschlagslinie HQ 100 auf Höhe von 521,75 m entsprechen". Dass sich die Liegenschaft nicht im Hochwasserabflussbereich befindet, steht fest, wird doch das „Hochwasserabflussgebiet" durch § 38 Abs 3 WRG als das bei 30-jährlichen Hochwässern überflutete Gebiet definiert; dass ihre Liegenschaft in diesen Zeitabständen gefährdet wäre, behauptet die Revisionswerberin selbst nicht. Darüber hinaus besteht kein Grund zur Annahme, dass eine Gefährdung durch Grundwasser in (statistisch gesehen) 100-jährigen Abständen einer Baulandwidmung entgegenstünde, wenn dies bei einer Gefährdung durch Oberflächenwässer nicht der Fall ist.
Unerheblich ist schließlich die Behauptung, die Beklagte habe nach Erlassung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans von für die Hochwassergefahr bedeutsamen Umständen Kenntnis erlangt, es jedoch unterlassen, allfällige Auswirkungen dieser Erkenntnisse auf das Bauvorhaben der Klägerin zu überprüfen. Ob die Beklagte allenfalls aus anderen Rechtsgründen haftet, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens, in dem ausschließlich zu prüfen ist, ob der Beklagten bei Erlassung des Flächenwidmungsplans sowie des Bebauungsplans Fehler unterlaufen sind.
Da somit keine Anhaltspunkte für ein rechtswidriges Verhalten der Beklagten bei Erlassung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans vorliegen, erübrigt sich ein Eingehen auf die Verschuldensfrage.
Die Revision der Klägerin, die auf die maßgeblichen Rechtsfragen nicht eingeht und damit nicht darlegt, inwieweit die Entscheidung von der Lösung einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhinge, ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E92055European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00144.09X.0908.000Im RIS seit
08.10.2009Zuletzt aktualisiert am
20.07.2012