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25/02 Strafvollzug;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des H M in X, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 5. Juli 2000, Zl. 409.746/135-V.1/2000, betreffend Strafvollzugsortsänderung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Justiz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer hat - nach den Angaben in der Gegenschrift - fünf Freiheitsstrafen in der Dauer von insgesamt 31 Jahren und 11 Monaten zu verbüßen. Danach wäre das voraussichtliche Strafende der 14. Jänner 2010. Der Beschwerdeführer wird seit 10. Jänner 1997 in der Justizanstalt X angehalten.
Mit dem an die belangte Behörde gerichteten Schreiben vom 27. Juni 2000 stellte der Beschwerdeführer ein "Ansuchen um Strafvollzugsortsänderung in die Justizanstalt Y". Zur Begründung machte er (unter Berücksichtigung der von ihm vorgelegten Unterlagen) im Wesentlichen geltend, in der Justizanstalt Y könne er eine gezielte sozial- und psychotherapeutische Betreuung ("Sozialtraining" zur Entlassungsvorbereitung) und eine optimale medizinische Behandlung erhalten, die er auf Grund seines Gesundheitszustandes nach einer Herzoperation im LKH Z am 1. April 1998 benötige. Darüber hinaus leide er an einem obstruktiven Schlafapnoesyndrom und einer hochgradig degenerativen Wirbelsäulenveränderung, die seit zwei Jahren "operativ saniert" werden müsste.
Am 5. Juli 2000 richtete die belangte Behörde an den Leiter der Justizanstalt X ein Schreiben folgenden Inhaltes:
"Betrifft: Strafgefangener H M -
Ansuchen um Überstellung in eine Anstalt
für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher
Auf Grund des Ansuchens des Strafgegangenen H M vom 27.6.2000 hat das Bundesministerium für Justiz derzeit <in der Urschrift des Verwaltungsaktes ist dieses Wort durchgestrichen> keinen Anlass gefunden, den Vollzug der über den oben genannten Strafgefangenen verhängten Freiheitsstrafe in der Justizanstalt-Y anzuordnen.
Begründung: Auf Erlass Zl. 52202/1-V.1/1996 vom 14.2.1996 wird verwiesen.
Zu langer Strafrest.
Nichteignung für den gelockerten Vollzug.
Der Strafgefangene ist von dieser Entscheidung in Kenntnis zu
setzen."
Gegen diese vom Beschwerdeführer als Bescheid angesehene Erledigung, deren Inhalt ihm am 19. Juli 2000 zur Kenntnis gebracht und wovon ihm am 20. Juli 2000 (zwei) Kopien ausgehändigt wurden, richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Änderung des Vollzugsortes sowie auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahrens über seinen Verlegungsantrag verletzt und macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie zugesteht, dass die angefochtene Erledigung als Bescheid zu werten sei, dessen Begründung formal dem Gesetz nicht entspreche, was "bedauerlicher Weise auf einen Irrtum zurückzuführen sei".
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 10 StVG regelt unter der Überschrift "Strafvollzugsortsänderung" in Abs. 1, wann "das Bundesministerium für Justiz allgemein oder im Einzelfall" die Zuständigkeit "einer anderen als der nach § 9 zuständigen Anstalt" anzuordnen "hat". Dies hat zu geschehen,
"1. wenn dies unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des Strafvollzuges (§ 20) zur besseren Ausnützung der Vollzugseinrichtungen oder aus Gründen der Sicherheit des Strafvollzuges zweckmäßig ist oder
2. wenn dadurch die Wiedereingliederung des Verurteilten in die Gesellschaft gefördert wird und weder das Erfordernis einer zweckmäßigen Ausnützung der Vollzugseinrichtungen noch Gründe der Sicherheit des Strafvollzuges entgegenstehen."
Der Verwaltungsgerichtshof ist in seinem ausführlich begründeten Erkenntnis vom 12. September 1996, Zl. 95/20/0750 (Slg.Nr. 14.516/A), unter Darstellung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts seiner bisherigen Rechtsprechung folgend zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Strafgefangener, der eine mehr als einjährige Freiheitsstrafe verbüßt, in einer aus dem Gesetz ableitbaren Weise ein subjektives Recht geltend macht, wenn er aus dem Grunde des § 10 Abs. 1 Z 2 StVG eine Änderung des Vollzugsortes und somit der Klassifizierung begehrt. In diesem Erkenntnis, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, wurde eine im Wesentlichen gleichlautende Erledigung eines Ansuchens um Änderung des Strafvollzugsortes - der Auffassung in mehreren, dort zitierten Vorerkenntnissen entsprechend - als Bescheid gewertet.
Auch die hier zu beurteilende Erledigung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages auf Änderung des Strafvollzugsortes durch Überstellung von der Justizanstalt X in die (Sonder)Justizanstalt Y , für dessen Entscheidung der Bundesminister für Justiz (als oberste Vollzugsbehörde) zuständig ist (§ 10 Abs. 1; § 161 zweiter Satz StVG in Verbindung mit § 159 Abs. 2 StVG), ist daher im Sinne dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Bescheid zu werten (vgl. auch das einen gleich gelagerten Sachverhalt - beantragte Strafvollzugsortsänderung in eine Sonderanstalt - betreffende hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1986, Zl. 85/01/0118).
Die belangte Behörde hat zur Begründung ihres Bescheides lediglich auf einen (nur nach Datum und Aktenzahl bezeichneten) Erlass, dessen Kenntnis allerdings dem Beschwerdeführer nicht unterstellt werden kann, verwiesen und die sonstigen Entscheidungsmotive nur schlagwortartig mit "Zu langer Strafrest. Nichteignung für den gelockerten Vollzug" offengelegt. Diese Begründung, die sich mit den Voraussetzungen für die beantragte Überstellung und mit den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründen für seinen Antrag nicht näher auseinandersetzt, entspricht nicht den Anforderungen nach §§ 58 Abs. 2, 60 AVG und lässt eine Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zu, was auch von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift eingeräumt wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. Jänner 1986, Zl. 85/01/0118, vom 25. Februar 1987, Zlen. 86/01/0113 und 86/01/0206 sowie das bereits zitierte Erkenntnis vom 12. September 1996).
Der angefochtene Bescheid war daher auf Grund der Mangelhaftigkeit seiner Begründung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung wurde aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG Abstand genommen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.
Wien, am 14. Dezember 2000
Schlagworte
Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des BescheidcharaktersBescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Justiz JustizverwaltungBesondere Rechtsgebiete DiversesAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000200353.X00Im RIS seit
09.03.2001Zuletzt aktualisiert am
05.01.2012