Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Karl N*****, und 2. Klaus B*****, beide vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagten Parteien 1. Johann S*****, und 2. Theresia S*****, beide *****, vertreten durch Dr. Rainer Handl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Feststellung (Streitwert jeweils 4.360 EUR), infolge der Revisionen aller Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 23. März 2009, GZ 1 R 27/09a-27, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Mürzzuschlag vom 1. Dezember 2008, GZ 2 C 18/08d-21, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
1. Die Revision der klagenden Parteien wird zurückgewiesen.
2. Der Revision der beklagten Parteien wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:
„Das Klagebegehren,
a) die beklagten Parteien seien als Miteigentümer der EZ 104 GB ***** schuldig, jeden Eingriff in die Servitut des Gehens und des Fahrens der klagenden Parteien als Miteigentümer der EZ 797 GB ***** durch das Eindringen von Ästen und Bäumen von der EZ 104 GB ***** zu unterlassen, sowie
b) es werde festgestellt, dass die beklagten Parteien den klagenden Parteien für alle Schäden (sowohl Sach- als auch Personenschäden) haften, die diesen dadurch entstehen, dass von der im Miteigentum der beklagten Parteien stehenden EZ 55 GB ***** und EZ 104 GB ***** Äste und Bäume auf die im Miteigentum der klagenden Parteien stehende EZ 797 GB ***** stürzen bzw in welcher Form auch immer einwirken, soweit dies auf die mangelhafte Beschaffenheit der Bäume bzw Äste zurückzuführen ist, die auf die Liegenschaft der klagenden Parteien stürzen bzw von denen Äste auf die Liegenschaft der klagenden Parteien stürzen bzw gestürzt sind,
wird abgewiesen.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien die mit 9.847,70 EUR (darin 3.215,70 EUR Barauslagen und 1.105,33 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind zu einem Drittel bzw zwei Dritteln Miteigentümer der (im Spruch genannten) Liegenschaft EZ 797, die Beklagten je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaften EZ 104 und EZ 55. Zu Gunsten der Liegenschaft der Kläger und zu Lasten der Liegenschaft EZ 104 besteht die durch einen Servitutsvertrag aus dem Jahr 1977 eingeräumte Servitut des Gehens und Fahrens über einen in der Natur vorhandenen Servitutsweg auf dem zur EZ 104 gehörigen Grundstück 632/12.
Vor dem Jahr 2007 kam es zu keinen nennenswerten Beeinträchtigungen der Dienstbarkeit der Kläger durch Baumstürze bzw Abfallen von Baumteilen auf den Servitutsweg. Am 29. 1. 2007 stürzten im Zuge des Wirbelsturms „Kyrill" mehrere abgewipfelte Bäume bzw Teile davon vom Grundstück 632/12 auf den Servitutsweg; sie wurden vom Erstkläger, dessen Bruder und den Stadtwerken M***** entfernt bzw am Wegrand gelagert. Am 18. 10. 2007 stürzte wieder ein Baum auf den Servitutsweg und kam neben der Garage der Kläger auf einem abgestellten Auto, das dadurch jedoch nicht beschädigt wurde, zum Liegen. Ursache für den Umsturz waren Beschädigungen der Wurzeln durch den Servitutsweg sowie der Umstand, dass durch die nahe Stromleitung für den Wind mehr Angriffsfläche geboten war. Am 27. 1. 2008 stürzte durch den Wirbelsturm „Paula" erneut ein Baum neben die Garage, ein weiterer auf den Servitutsweg. Im Juni 2008 stürzten abermals mehrere auf dem Grundstück 632/12 stehende Bäume um, die jedoch nicht auf den Servitutsweg, sondern in eine andere Richtung fielen. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt nach dem Jänner 2007 stürzte ein Baum auf den Servitutsweg, als gerade ein Auto vorbeifuhr, welches jedoch nicht getroffen wurde.
Der Waldbestand auf dem Grundstück 632/12 umschließt den Servitutsweg und grenzt an die Garage der Kläger. Der Baumbestand ist durch diesen Servitutsweg und durch eine Hochspannungsfreileitung stark zerschnitten sowie durch die Leitungstrasse in seiner Stabilität vermindert. Grundsätzlich ist der entlang des Servitutswegs und neben der Liegenschaft der Kläger gelegene Wald nicht als vernachlässigt zu bezeichnen, sondern befindet sich in einem „normalen" Zustand. Besondere Sturz- bzw Windwurfgefahr besteht allerdings deshalb, weil durch den Wirbelsturm „Kyrill" eine Schneise in den Baumbestand im Bereich des Servitutswegs geschaffen wurde, wodurch der Wind eine größere Angriffsfläche hat, weshalb Baumwipfel oder auch ganze Bäume auf den Weg fallen können. Diese Sturzgefahr setzt nicht etwa extreme Elementarereignisse (wie zB Wirbelstürme) voraus, sondern besteht auch schon bei normalem Wind oder Nassschnee. Die einzige sinnvolle Maßnahme zur Vermeidung von Baumstürzen bzw Baumabwipfelungen stellt die Abholzung bzw Schlägerung des gesamten Baumbestands dar.
Der Waldbestand auf dem an die Liegenschaft der Kläger angrenzenden Grundstück 647 - inneliegend in EZ 55 - umfasst eine Baumreihe von ca 10 bis 15 Bäumen mit einem Alter von 50 bis 70 Jahren und einer Höhe von 25 bis 30 m. Die an die Liegenschaft der Kläger angrenzenden Randbäume wurden „geschneitelt", das heißt Äste wurden entfernt. Auch der restliche Baumbestand auf den Grundstücken 647 und 632/12, der an das Haus und die Garage der Kläger angrenzt, ist grundsätzlich nicht vernachlässigt, da die Randbäume, die ohnehin selten umfallen, gut mit Erde überlagert wurden. Durch die Schneitelung der Äste wurde die Gefahr, dass solche auf die Liegenschaft der Kläger stürzen, zwar verringert, doch nicht völlig ausgeschlossen. Jedoch wurde gleichzeitig die Gefahr von Wipfelbrüchen erhöht, da die Unterseite der Bäume in jenem Bereich völlig frei und Angriffen durch Wind ausgesetzt ist. Abgebrochene Baumwipfel können bis zu 20 m weit fliegen, womit sich sowohl das Haus als auch die Garage der Kläger im Sturzbereich befinden. Derzeit besteht auch die konkrete Möglichkeit, dass - vor allem während eines Gewitters - bei Wind ein Baum in diesen Bereich stürzt. Auch auf dem Grundstück 632/12 fallen aufgrund der vom Wirbelsturm geschaffenen Schneise im Bereich der Garage der Kläger immer wieder Bäume um, die auch auf die Garage stürzen könnten.
Die Kläger stellten das aus dem Spruch dieser Entscheidung ersichtliche Unterlassungs- und Feststellungsbegehren. Der Baumbestand, durch den der Servitutsweg führe, sei vernachlässigt. Die Beklagten hätten es insbesondere unterlassen, morsche Bäume und abgemorschte Äste zu beseitigen, sodass den Klägern die Ausübung des Wegerechts wiederholt durch umgestürzte Bäume und herabgefallene Äste erschwert bzw unmöglich gemacht worden sei. Starke Stürme wie der Wirbelsturm „Kyrill" seien regelmäßig zu erwarten. Da sich im Nahebereich des Servitutswegs mehrere morsche Bäume befänden, bestehe die Gefahr, dass die Servitut wieder nicht ausgeübt werden könne. Darüber hinaus befinde sich unmittelbar neben ihrem Wohnhaus ein Altbestand an Fichten, die teilweise dürr seien und dürre Äste sowie ausgelichtete Wipfel aufwiesen. Von diesen Fichten gehe eine unmittelbare und konkret drohende Gefahr für die Liegenschaft der Kläger aus. Es bestehe ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten für allfällige künftige Schäden, zumal diese der Aufforderung, die Gefahrenquelle zu beseitigen, nicht nachgekommen seien. Das Feststellungsinteresse ergebe sich auch aus der Bestreitung der Haftung durch die Beklagten, die Schadenersatz auch für den Fall ablehnten, dass ein kranker bzw beschädigter Baum von ihrer Liegenschaft auf das Haus der Kläger stürzte. Dementsprechend diene das Feststellungsbegehren auch dazu, einen künftigen Leistungsprozess insofern zu erleichtern bzw abzukürzen, als dann die Feststellung der Haftung dem Grunde nach bereits präjudiziell feststehen würde.
Die Beklagten wandten im Wesentlichen ein, der Baumbestand sei nicht vernachlässigt. Bereits bei Errichtung des Dienstbarkeitsvertrags hätten die Kläger gewusst, dass es sich um ein Waldgrundstück handelt, und insofern den Zustand und die Nutzung dieses Grundstücks zustimmend zur Kenntnis genommen. Im Rahmen der Dienstbarkeit seien die Beklagten auch nur zu einem Dulden, nicht jedoch zu einem aktiven Tun verpflichtet, weshalb die Kläger keinen Anspruch auf Herstellung eines bestimmten Zustands des dienenden Grundstücks hätten. Gelegentlich vorkommende Windbruchfälle, deren Folgen regelmäßig nach Kenntnis von den Beklagten beseitigt würden, überschritten das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß nicht; auch werde die ortsübliche Benutzung des Servitutswegs nicht wesentlich beeinträchtigt. Die Beklagten seien nicht in der Lage, Witterungs- bzw Elementareinflüsse zu unterlassen. Für das Feststellungsbegehren bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis; es sei weder rechtserzeugend noch rechtsbegründend, sondern bestenfalls rechtsbelehrend.
Das Erstgericht gab der Klage zur Gänze statt. Gemäß § 523 ABGB sei der Dienstbarkeitsberechtigte zur Abwehr von Angriffen, die die Dienstbarkeit beeinträchtigen, aktiv klagelegitimiert. Er könne allerdings nur die Unterlassung des Eingriffs fordern, wogegen die Auswahl der Schutzmaßnahmen dem Störer zu überlassen sei. Hier richte sich das Unterlassungsbegehren auf die Unterlassung künftiger Störungen in Form des Eindringens von Ästen und Bäumen auf den Servitutsweg. Die Beklagten wären als Waldeigentümer im Stande, künftige Eingriffe in die Servitut durch umfallende Bäume bzw herabgestürzte Äste zu verhindern, beispielsweise durch Durchforstungs- bzw Abholzungsmaßnahmen. Diese (vorbeugenden) Maßnahmen stellten auch keine Erweiterung der Servitut dar, vielmehr diene das Unterlassungsbegehren dazu, den Klägern die Ausübung ihrer bereits bestehenden Servitut zu ermöglichen. Auch wenn der Abwehranspruch nicht auf den Rahmen des Ortsunüblichen beschränkt sei, könne es nicht als ortsüblich angesehen werden, wenn bereits bei „normalem" Wind Bäume auf den Servitutsweg stürzen und dadurch die Ausübung der Dienstbarkeit oftmalig vereitelt werde. Die Wiederholungsgefahr sei schon deshalb zu bejahen, weil schon bei „normalem" Wind und Nassschnee mit weiteren derartigen Ereignissen zu rechnen sei.
Für die Prüfung der Berechtigung des Feststellungsbegehrens sei zunächst zu klären, ob eine Haftung der Beklagten überhaupt grundsätzlich in Frage komme. Dies sei zu bejahen, weil die konkrete Gefahr des Umstürzens von Bäumen auf die Liegenschaft der Kläger den Beklagten spätestens durch das Sachverständigengutachten bekannt geworden sei, wodurch (künftige) Ansprüche der Kläger nach § 1319 ABGB grundsätzlich möglich und denkbar seien. Eine Haftungsbeschränkung nach § 176 Abs 2 ForstG sei nicht gegeben, weil die Beklagten durch den Abschluss des Dienstbarkeitsvertrags eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung zur Gefahrenvermeidung übernommen hätten, die über die Haftung nach § 176 Abs 2 ForstG hinausgehe. Als „besonderer Rechtsgrund" sei gegenüber Fremdgrundstücken auch das Immissionsverbot des § 364 ABGB anzusehen, das bei sonstiger Haftung im Schadensfall gebiete, vorhersehbare und verhinderbare „direkte Zuleitungen" - wie beispielsweise das Umstürzen eines erkennbar morschen Baumes in das Nachbargrundstück - zu verhindern. Das von § 228 ZPO geforderte Feststellungsinteresse sei gegeben, weil es bereits in der Vergangenheit zu mehreren Zwischenfällen durch umstürzende Bäume gekommen sei, bei denen es zu Schadenseintritten hätte kommen können. Es bestehe die konkrete Gefahr, dass bei entsprechendem Wind Bäume auf das Haus oder die Garage der Kläger stürzen. Da diese Möglichkeit von Baumstürzen eindeutig auf den derzeitigen Zustand des Baumbestands auf den Liegenschaften der Beklagten zurückzuführen sei, liege eine mangelhafte Beschaffenheit der Bäume auf beiden Grundstücken der Beklagten vor, weswegen dem Feststellungsbegehren stattzugeben sei. Das Feststellungsinteresse sei aber auch deshalb zu bejahen, weil die Beklagten eine Haftung für Schäden am Haus der Kläger selbst für den Fall verneinten, dass diese durch den (momentan) mangelhaften Zustand ihrer Bäume verursacht würden. Die Feststellung ihrer Haftung sei damit ein geeignetes Mittel, um eine Häufung von Streitigkeiten zwischen den Parteien zu vermeiden und die Haftungsfrage dem Grunde nach klarzustellen. Das Feststellungsbegehren sei entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht deshalb abzuweisen, weil sich der Umfang der gesetzlichen Haftung aus dem Gesetz selbst ergebe; dem sei entgegenzuhalten, dass auch Rechte oder Rechtsverhältnisse, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden könnten.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im Ausspruch über das Unterlassungsbegehren und änderte es insofern ab, als es das Feststellungsbegehren abwies. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige, und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Aktives Tun könne zwar keine Hauptleistung einer Dienstbarkeit sein, allerdings durchaus eine Nebenpflicht. Gemäß § 523 ABGB könne der Dienstbarkeitsberechtigte gegen jede Störung des Servitutsrechts vorgehen, und zwar auch gegen den Servitutsverpflichteten. Das wiederholte Umstürzen von Bäumen oder Ästen auf den Servitutsweg stelle eine derartige Störung dar, wobei die Besonderheit hier darin zu sehen sei, dass das Umstürzen nicht auf ein aktives Tun der Beklagten, sondern vielmehr darauf zurückzuführen ist, dass infolge höherer Gewalt eine Situation auf der Liegenschaft der Beklagten vorliegt, in der es bereits bei einfachen Wetterverhältnissen (Nassschnee oder „normaler" Wind) zu Beeinträchtigungen des Servitutsrechts kommen könne. Aufgrund der besonderen Situation des Waldes im Bereich des Servitutswegs treffe die Beklagten eine Haftung nach § 1319 ABGB für Schäden infolge umstürzender Bäume, weshalb sie auch verpflichtet wären, solche Schäden durch Maßnahmen zu beseitigen. Warum die Servitutsverpflichteten aufgrund der Bestimmungen der §§ 482 ff ABGB gegenüber den servitutsberechtigten Klägern hinsichtlich der Benutzbarkeit des Wegs nicht verpflichtet sein sollten, derartige Vorkehrungen zu treffen bzw weitere Beeinträchtigungen des Servitutswegs durch von ihrem Grundstück ausgehende Immissionen zu verhindern, sei für den erkennenden Senat nicht ersichtlich, weshalb im Ergebnis den Ausführungen des Erstgerichts zum Unterlassungsbegehren zuzustimmen sei. Bei drohenden Schadenersatzansprüchen nach § 1319 ABGB hätten die beklagten Servitutsverpflichteten ihr Eigentum somit von vornherein so zu beschränken, dass die im Unterlassungsbegehren angeführten Störungen in Zukunft nicht erfolgen können.
Zutreffend seien allerdings die Bedenken der Beklagten gegen das Feststellungsbegehren. Der vorliegende Feststellungstitel sei nicht ausreichend konkret sowie nicht durch die erstgerichtlichen Feststellungen gedeckt. Nach der vom Erstgericht gewählten Formulierung würden nämlich die Beklagten für alle Schäden haften, soweit das Herabfallen von Ästen oder Bäumen auf deren mangelhafte Beschaffenheit zurückzuführen ist. Dabei sei aber nicht eindeutig ersichtlich, ob nach Auffassung des Erstgerichts alle Bäume auf den Liegenschaften der Beklagten bereits derzeit einen mangelhaften Zustand aufwiesen oder ob nur im Fall eines mangelhaften Zustands der Bäume eine Haftung gegeben wäre. Sollte das erstgerichtliche Feststellungsurteil so zu verstehen sein, dass bereits eine mangelhafte Beschaffenheit vorliege, auf welche die in Zukunft eintretenden Schäden zurückzuführen wären, so müsste sich aus den erstgerichtlichen Feststellungen ergeben, dass alle Bäume auf den beiden Liegenschaften der Beklagten eine derartige mangelhafte Beschaffenheit aufweisen würden, was jedoch nicht den konkret getroffenen Feststellungen entspreche. Das Feststellungsbegehren könnte jedoch nur dann gerechtfertigt sein, wenn feststünde, dass alle Bäume einen im Sinn des § 1319 ABGB mangelhaften Zustand aufwiesen. Gemäß § 228 ZPO könne sich die Feststellung (nur) auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses oder Rechts beziehen. Tatsachen seien - mit Ausnahme der Urkundenechtheit - nicht feststellungsfähig. Es entspreche der ständigen oberstgerichtlichen Judikatur, dass eine Klage auf Feststellung der Haftung dann zuzulassen ist, wenn sich schadensträchtige Vorfälle, durch die ein konkreter Schaden eintreten könnte, bereits ereignet haben und sich leicht wiederholen können, selbst dann, wenn noch kein feststellbarer Schaden eingetreten sei. Es müsse aber die Möglichkeit bestehen, dass durch das schädigende Ereignis ein zukünftiger Schaden auch ohne weiteres Zutun des Schädigers eintreten könne, und ferner ein aktueller Anlass zur präventiven Klärung des strittigen Rechtsverhältnisses vorliegen, was insbesondere dann der Fall sei, wenn das Rechtsverhältnis durch eine ernsthafte Unsicherheit gefährdet erscheine. Während eine Schadenersatzpflicht als solche sicherlich ein Rechtsverhältnis im Sinn des § 228 ZPO darstelle, soweit es sich dabei um eine bereits gegenwärtige und in allen rechtserzeugenden Tatsachen schon vollständig konkretisierte Verpflichtung handle, könne es nicht als zulässig angesehen werden, dass bloß einzelne Tatbestandsmerkmale festgestellt werden. Im vorliegenden Verfahren solle nun festgestellt werden, dass die Beklagten eine Haftung für zukünftige Schäden entsprechend § 1319 ABGB treffe, sofern in Hinkunft durch den mangelhaften Zustand der Bäume und Äste Schäden auf dem Grundstück der Kläger entstehen. Diese begehrte Feststellung stelle nun aber aufgrund der Besonderheit des § 1319 ABGB, der kein positives Handeln zur Schadensverursachung voraussetze, sondern vielmehr die Nichteinhaltung der notwendigen gefahrenabweisenden Sorgfaltspflicht, tatsächlich eine „verklausulierte" Feststellung einer Tatsache, nämlich das Vorliegen eines mangelhaften Baumzustands auf den Grundstücken der Beklagten dar, nicht jedoch bereits die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, das sich auf alle Tatbestandsmerkmale der Haftungsnorm stütze. Auch die Erklärung der Beklagten, sie würden selbst dann nicht haften, wenn durch einen mangelhaften Zustand ihrer Bäume ein Schaden am Haus der Kläger entstünde, stelle keinen aktuellen Anlass zur präventiven Klärung des strittigen Rechtsverhältnisses dar, vielmehr liege nur eine unhaltbare Rechtsansicht der Beklagten vor. Eine ernsthafte Unsicherheit, die das Rechtsverhältnis - nämlich künftige Schadenersatzansprüche der Kläger - gefährden würde, werde nicht aufgezeigt.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zum Fall eines Unterlassungsbegehrens des Servitutsberechtigten gegenüber dem Servitutsverpflichteten aufgrund einer potentiellen Gefährdung der Dienstbarkeit durch auf der Liegenschaft der Servitutsverpflichteten befindliche Bäume keine oberstgerichtliche Judikatur ersichtlich sei und aufgrund der in Österreich als vorhanden vorauszusetzenden Wegerechte im Bereich von Wäldern eine über den Einzelfall hinaus bedeutsame Rechtsfrage vorliege. Auch hinsichtlich des Feststellungsbegehrens sei von einer Rechtsfrage von besonderer Bedeutung auszugehen, da die oberstgerichtliche Judikatur zumindest erörterungswürdig erscheine.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision der Kläger ist unzulässig, jene der Beklagten zulässig und berechtigt.
1. Zur Revision der Kläger:
Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass nach der höchstgerichtlichen Judikatur in Anwendung des § 228 ZPO die Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden nur unter der Voraussetzung möglich ist, dass bereits alle diesen Anspruch erzeugenden Tatsachen - mit Ausnahme des Schadens - festgestellt werden können (RIS-Justiz RS0038822). Solange sich der rechtserzeugende Sachverhalt nicht vollständig konkretisiert hat, ist eine Feststellungsklage in der Regel unzulässig (RIS-Justiz RS0039318). Ginge es etwa um die begehrte Feststellung der Haftung für das drohende Umstürzen eines bestimmten Bauwerks (oder auch eines bestimmten Baumes), käme ein positives Feststellungsurteil nur in Betracht, wenn feststünde, dass sich die betreffende Sache bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz bereits in einem mangelhaften Zustand befunden hat. Dieser Gedanke lag offenbar den Ausführungen des Berufungsgerichts zu Grunde, das meinte, die begehrte Feststellung setzte voraus, dass sich alle Bäume im Wald der Beklagten in einem mangelhaften Zustand befunden haben.
Die Kläger haben ihr Begehren ausdrücklich auf die Feststellung der Haftung für Einwirkungen von Ästen und Bäumen insoweit beschränkt, als entstandene Schäden auf die „mangelhafte Beschaffenheit der Bäume bzw Äste" zurückzuführen sind. Wie die Beklagten zutreffend eingewandt haben, würde mit einem solchen Feststellungsausspruch kein konkreter (vollständig erfüllter) Haftungstatbestand rechtskräftig festgeschrieben, sondern vielmehr nur ein Ausspruch über die allgemeinen gesetzlichen Haftungsvoraussetzungen des § 1319 ABGB im Zusammenhang mit Bäumen in mangelhaftem Zustand getroffen werden. Da sich - wie das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat - nach den getroffenen Feststellungen keineswegs alle Bäume im Nahbereich der Liegenschaft der Kläger im Zustand „mangelhafter Beschaffenheit" befinden, müsste in einem Folgeprozess stets geprüft werden, ob ein auf die Liegenschaft der Kläger gestürzter Baum eine solche „mangelhafte Beschaffenheit" aufgewiesen hat. Sollte sich der betreffende Baum damals in mangelfreiem Zustand befunden haben, wäre weiters zu prüfen, ob die zwischenzeitlich eingetretene „Mangelhaftigkeit" von den Beklagten hätte erkannt werden müssen. Angesichts der von den Klägern gewählten Formulierung ihres Feststellungsbegehrens kann somit keine Rede davon sein, dass bereits im Feststellungsprozess alle den Anspruch erzeugenden Tatsachen festgestellt werden könnten und es somit möglich wäre, über einen allfälligen zukünftigen Schadenersatzanspruch dem Grunde nach bereits endgültig abzusprechen. Aus dem von den Klägern in ihrer Revision zitierten Rechtssatz zu RIS-Justiz RS0038909 ist für sie schon deshalb nichts zu gewinnen, weil das von ihnen formulierte Feststellungsbegehren eben nicht geeignet ist, eine in die Zukunft wirkende Klärung der Rechtsverhältnisse zwischen den Streitteilen herbeizuführen. Inwieweit das Berufungsgericht in der Lage gewesen sein sollte, „das Feststellungsbegehren von Amts wegen richtig zu fassen", wird nicht nachvollziehbar ausgeführt.
Da die Entscheidung somit noch von der Lösung einer im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhängt, ist die Revision der Kläger als unzulässig zurückzuweisen.
2. Zur Revision der Beklagten:
Wie sich aus den §§ 482 und 484 ABGB ergibt, ist der Servitutsverpflichtete in der Regel nicht zu einem positiven Tun, sondern nur zu einem Gestatten verpflichtet; er ist unter bestimmten Umständen auch berechtigt, die Befugnisse aus der Servitut einzuschränken, insoweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestatten. Die Rechtsprechung hat daraus unter anderem abgeleitet, dass der Widerstreit zwischen den Interessen der Parteien in ein billiges Verhältnis zu setzen ist (EvBl 1981/83; SZ 55/125; Hofmann in Rummel I³ § 484 ABGB Rz 1). Eine Einschränkung der Servitut kommt bei nachträglicher wesentlicher Änderung der Umstände in Frage, die klar für eine stärkere Berücksichtigung der Interessen des Verpflichteten sprechen (RIS-Justiz RS0011740; 1 Ob 304/01i = SZ 2002/86; weitere Nachweise bei Koch in KBB² § 484 ABGB Rz 7). Diese Grundsätze sind auch für die Beantwortung der Frage heranzuziehen, inwieweit der Servitutsverpflichtete gehalten ist, nachteilige Einwirkungen zu verhindern, die von seiner Liegenschaft aufgrund von Naturereignissen auf den Servitutsgegenstand einwirken.
Im vorliegenden Fall wurde den Klägern das Recht zur Benützung eines Wegs eingeräumt, der teilweise durch ein Waldgrundstück der Beklagten, teilweise an diesem entlang führt. Die Servitutsberechtigten mussten von vornherein mit gewissen Behinderungen der Wegbenützung durch von den Bäumen herabfallende Teile (Äste) rechnen, was in einer derartigen Situation - auch bei einer fachgerechten Pflege des Baumbestands - nie ganz zu vermeiden ist. Ebenso ist ein gelegentliches Umstürzen von Bäumen bei extremen Wetterverhältnissen (zB Wirbelstürmen) nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten. Derartige Naturereignisse sind vom Servitutsberechtigten grundsätzlich hinzunehmen, ohne dass er Vorkehrungen vom Servitutsverpflichteten gegen derartige Einwirkungen verlangen könnte, ist doch Letzterer grundsätzlich nicht zu positiven Handlungen verpflichtet und ergibt auch eine Abwägung der beiderseitigen Interessen, dass eher der Servitutsberechtigte gelegentliche Unannehmlichkeiten und Einschränkungen der Wegbenützung hinzunehmen hat als dass der Verpflichtete zu aufwendigen und umfangreichen Vorkehrungen verhalten wäre. Ob und inwieweit der Eigentümer des dienenden Grundstücks verpflichtet ist, aus seiner Sphäre stammende Beeinträchtigungen durch herabgefallene Äste oder umgefallene Bäume zu beseitigen, ist hier nicht zu prüfen, nachdem das Klagebegehren darauf nicht gerichtet ist.
Nach Auffassung des erkennenden Senats besteht entgegen der Ansicht der Vorinstanzen keine Veranlassung, von der dargelegten Lastenverteilung gerade im vorliegenden Fall abzugehen. Hier haben die Beklagten grundsätzlich für einen ordnungsgemäßen Zustand des Waldes gesorgt. Abgesehen von Beeinträchtigungen im Zuge extremer Elementarereignisse (Wirbelstürme) ist in den letzten Jahren lediglich zweimal jeweils ein Baum auf den Weg gestürzt, wobei einmal auch die Beschädigungen der Wurzeln „durch den Servitutsweg" ursächlich waren. Auch wenn die von einem Wirbelsturm geschaffene Schneise zu einer weiteren Sturz- bzw Windwurfgefahr geführt hat, die sich bereits bei normalem Wind oder Nassschnee realisieren kann, kann bei einer sachgerechten Abwägung der unterschiedlichen Interessen der Streitteile von den Beklagten nicht verlangt werden, den gesamten Baumbestand - in entsprechender Sturz- bzw Windwurfweite vom Servitutsweg - zu schlägern, was die einzige sichere Maßnahme zur Vermeidung zukünftiger Beeinträchtigung der Wegbenützung wäre. Wie bereits dargelegt muss ein Wegeberechtigter in einem Waldgebiet von vornherein mit Beeinträchtigungen durch herabfallende Bäume und Baumteile rechnen. Je aufwendiger die notwendigen Maßnahmen zur Verhinderung derartiger Beeinträchtigungen für den Servitutsbelasteten wären, desto eher kann man es dem Servitutsberechtigten zumuten, gelegentliche Hindernisse in Kauf zu nehmen, die aufgrund von Naturereignissen entstehen, auf die auch der Servitutsverpflichtete grundsätzlich keinen Einfluss nehmen kann. Den Beklagten ist im vorliegenden Fall weder eine Beeinträchtigung der Servitut durch aktives Handeln (vgl RIS-Justiz RS0012084) noch durch Unterlassung von bei der üblichen Waldpflege gebotenen Maßnahmen vorzuwerfen. Dass der Baumbestand aufgrund der vom Wirbelsturm gezogenen Schneise insgesamt instabiler geworden ist, trifft sowohl die Beklagten als Waldeigentümer als auch die Kläger als Wegeberechtigte.
Der Hinweis der Revisionsgegner, die Auswahl der geeigneten Maßnahmen liege ausschließlich in der Sphäre der Beklagten, die auch alleine darüber entscheidungsbefugt sind, welche Maßnahme sie setzen wollen, um die nachteiligen Einwirkungen zu unterlassen, ist im vorliegenden Fall nicht zielführend, steht doch fest, dass die einzige verlässliche Maßnahme die Abholzung des gesamten (betroffenen) Baumbestands wäre. Wie bereits dargelegt, kann ein derartiger Aufwand aber auch unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Servitutsberechtigten von den Servitutsverpflichteten nicht verlangt werden.
Damit erweist sich die Klage zur Gänze als unberechtigt.
3. Zur Kostenentscheidung:
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1, 46 Abs 2 ZPO. Für die Revisionsbeantwortung gebührt den Beklagten allerdings kein Kostenersatz, haben sie darin doch nicht auf die Unzulässigkeit der Revision der Kläger hingewiesen, sodass ihr Schriftsatz nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich angesehen werden kann.
Textnummer
E92430European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00139.09M.0908.000Im RIS seit
08.10.2009Zuletzt aktualisiert am
20.07.2012