TE OGH 2009/9/8 1Ob162/09v

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Veröffentlicht am 08.09.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Kinder 1. Hubert W*****, geboren am *****, 2. Sabine S*****, geboren am *****, und 3. Sonja S*****, geboren am *****, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 9. Februar 2009, GZ 2 R 40/09w-U75, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mürzzuschlag vom 12. Dezember 2008, GZ 1 P 219/04x-U64, teils bestätigt und der Rekurs der Minderjährigen als verspätet zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Revisionsrekurs des mj Hubert W***** wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrGzurückgewiesen.

2. In Ansehung des von den mj Kindern Sabine und Sonja S***** erhobenen Revisionsrekurses wird der Akt dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs war der Vater der Minderjährigen verpflichtet, für den mj Hubert und die mj Sabine monatliche Unterhaltsbeträge von jeweils 295 EUR und für die mj Sonja von 210 EUR ab 1. 9. 2004 zu leisten.

Im Jahr 2007 beantragten die Kinder, den Vater rückwirkend ab 1. 12. 2004 sowie laufend zu höheren Unterhaltsbeiträgen zu verpflichten; an laufendem monatlichem Unterhalt begehrte der mj Hubert 942,50 EUR, die mj Sabine 802,50 EUR, und die mj Sonja 425 EUR. Das Erstgericht gab dem Unterhaltserhöhungsantrag für die Jahre 2005, 2006 und 2007 teilweise statt und sprach für den Zeitraum 1. Jänner 2005 bis 31. Dezember 2007 (gestaffelt) jeweils bestimmte rückständige Beträge zu (für Sabine unter Berücksichtigung der im Vergleich festgelegten 295 EUR insgesamt 8.208 EUR; für Sonja unter Berücksichtigung der bereits feststehenden 210 EUR insgesamt 5.724 EUR). Das diesen Zuspruch übersteigende Mehrbegehren für den Zeitraum 1. Jänner 2005 bis 31. Dezember 2007 wies das Erstgericht (hinsichtlich aller drei Kinder) ab. Ebenso wies es den Antrag ab, den Vater auch für Dezember 2004 und ab 1. Jänner 2008 zu einer erhöhten Unterhaltsleistung zu verpflichten.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Vaters nicht Folge; den von den Minderjährigen erhobenen Rekurs wies es als verspätet zurück; es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Minderjährigen beantragten - erfolglos - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rekursfrist. Unter einem (und in eventu) erhoben sie gegen den Beschluss auf Zurückweisung ihres Rekurses einen als „Rekurs" bezeichneten Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof (§ 62 AußStrG erfasst mit dem Begriff „Revisionsrekurs" alle Rekurse gegen eine Entscheidung der zweiten Instanz als Rekursgericht, unabhängig davon, ob es sich um eine Sachentscheidung oder etwa um die Zurückweisung eines Rechtsmittels handelt [5 Ob 60/06v; 8 Ob 131/08k]).

Da es eine § 519 Abs 1 Z 1 ZPO vergleichbare Bestimmung im AußStrG nicht gibt, sind auch Beschlüsse, die einen Rekurs ohne Sachentscheidung aus rein formalen Gründen zurückweisen, nur unter den Voraussetzungen des § 62 AußStrG anfechtbar (RIS-Justiz RS0120974; Fucik/Kloiber AußStrG, § 62 Rz 2). Ein Zurückweisungsbeschluss kann daher nur angefochten werden, wenn - abgesehen von den Fällen des § 62 Abs 2 und 3 AußStrG- die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG abhängt (1 Ob 63/07g; 1 Ob 243/06a). Der Revisionsrekurs ist aber jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 20.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht iSd § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Dann steht einer Partei nur die Zulassungsvorstellung nach § 63 Abs 1 und 2 AußStrG zu Gebote, mit der die Abänderung des Unzulässigkeitsausspruchs durch das Rekursgericht begehrt werden kann (1 Ob 243/06a uva).

Im Unterhaltsverfahren bestimmt sich der Wert des vom Rekursgericht behandelten Entscheidungsgegenstands nach § 58 Abs 1 JN mit dem 36-fachen des im Rekursverfahren strittigen monatlichen Erhöhungs- oder Herabsetzungsbegehrens (RIS-Jusitz RS0046543). Dabei sind fällige, in der Vergangenheit liegende Ansprüche nicht zusätzlich zu berücksichtigen, sondern der Berechnung grundsätzlich nur der für die Zukunft begehrte Unterhalt zugrunde zu legen (RIS-Justiz RS0114353; Mayr in Rechberger3 § 58 JN Rz 2 mwN). In einer Entscheidung gemeinsam abgehandelte Ansprüche mehrerer Parteien sind nicht zusammenzurechnen (RIS-Justiz RS0112656).

Im vorliegenden Fall bekämpften alle drei Minderjährigen neben der Abweisung des Mehrbegehrens für die Vergangenheit auch die Abweisung ihres Antrags auf Erhöhung des laufenden Unterhalts. Zieht man (nur) den strittigen laufenden Unterhaltserhöhungsbetrag heran, beträgt der maßgebliche Wert des Entscheidungsgegenstands im Verfahren der mj Sabine lediglich 18.270 EUR (802,50 EUR minus 295 EUR x 36), im Verfahren der mj Sonja 7.740 EUR (425 EUR minus 210 EUR x 36). Deren Rechtsmittel wären somit nicht dem Obersten Gerichtshof, sondern dem Rekursgericht vorzulegen gewesen (RIS-Justiz RS0109516). Vor einer allfälligen nachträglichen Zulassung des Revisionsrekurses durch das Rekursgericht ist der Oberste Gerichtshof funktionell unzuständig. Der Akt ist daher in Ansehung der Revisionsrekurse der mj Sabine und Sonja dem Erstgericht zurückzustellen. Ob deren Rechtsmittel den Erfordernissen des § 63 Abs 1 AußStrG entsprechen oder ob es einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS-Justiz RS0109516 uva).

Im Verfahren des mj Hubert beträgt der Wert des Entscheidungsgegenstands 23.310 EUR (942,50 EUR minus 295 EUR x 36) und übersteigt somit 20.000 EUR. Dessen Rechtsmittel ist aber mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen:

Das Rekursgericht führte aus, der Rekurs der Minderjährigen sei verspätet, weil die Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses an deren Rechtsvertreter am 17. Dezember 2008 erfolgte, weshalb die 14-tägige Rekursfrist am 31. Dezember 2008 geendet habe, tatsächlich sei der Rekurs aber am 2. Jänner 2009 zur Post gegeben worden. Da das Erstgericht ein Mehrbegehren der Minderjährigen abgewiesen habe, wäre eine Abänderung oder Aufhebung der Entscheidung zum Nachteil des Vaters, weshalb auf das verspätete Rechtsmittel auch nicht im Sinn des § 46 Abs 3 AußStrG Bedacht genommen werden könne. Dem hält der Revisionsrekurswerber entgegen, der Rekurs sei doch rechtzeitig, weil der Ablauf der Rekursfrist „gemäß BGBl 2001/64 in der nunmehr geltenden Fassung" gehemmt worden sei.

Im BGBl 2001/64 wurde jedoch lediglich die Hemmung des Fristenablaufs für den 31. Dezember 2001 geregelt; nur dieser Tag sollte einem Sonntag bzw einem gesetzlichen Feiertag gleichgestellt werden (ErlRV BlgNR 562). Seit dem Jahr 2002 hindert dieses Gesetz den Ablauf einer Frist am 31. Dezember jedoch nicht.

Da der 31. Dezember 2008 ein Mittwoch war, endete die Rekursfrist an diesem Tag. Dass in Unterhaltsverfahren nach dem AußStrG eine Unterbrechung der Frist durch die verhandlungsfreie Zeit nicht eintritt (§ 23 Abs 1 AußStrG), wird im Revisionsrekurs nicht in Frage gestellt.

Anmerkung

E920581Ob162.09v

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inZak 2009/678 S 419 - Zak 2009,419 = Jus-Extra OGH-Z 4728XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00162.09V.0908.000

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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