Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 8. September 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Dr. Walcher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Uche C***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 2. März 2009, GZ 24 Hv 87/08w-108, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG sowie demzufolge im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und im Ausspruch über die Abschöpfung der Bereicherung aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Uche C***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 (fünfter Fall), Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er zwischen Mitte 2007 (US 7 f) und Frühjahr 2008 im Großraum Innsbruck vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, „nämlich ziffernmäßig insgesamt nicht mehr feststellbare Mengen an qualitativ hochwertigem Cocain" durch in geringem Umfang kostenlose Weitergabe, größtenteils aber gewinnbringenden Verkauf an zahlreiche, teils im Urteil genannte, teils namentlich nicht bekannte Personen anderen überlassen, wobei er die Taten in Beziehung auf ein Suchtgift beging, dessen Menge das 25-fache der Grenzmenge überstieg und die Taten teilweise beim Versuch blieben.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4, 5 und (nominell) 9 lit a sowie (der Sache nach) 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist zum Teil im Recht.
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) bedeutete die Abweisung des vom Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Vernehmung des Zeugen „Blessed Kuletus E*****, wohnhaft in China, Quanzu, zum Beweis dafür, dass sich der Angeklagte zusätzliche Einkünfte aus dem Verkauf von Kleidung beschafft hat, die dieser Zeuge ihm geschickt hat" (ON 101 S 51) keine Schmälerung von Verteidigungsrechten:
Abgesehen davon, dass - worauf der Sache nach schon das ablehnende Zwischenerkenntnis hinwies (ON 101 S 55) - die Beweisaufnahme angesichts des nach Aktenlage und Antragstellung nicht näher bekannten Aufenthaltsorts des Zeugen unmöglich war (§ 55 Abs 2 dritter Fall StPO), ließ das Beweisbegehren im Dunklen, weshalb der Zeuge darüber hätte Auskunft geben können, dass der Angeklagte nicht nur Kleidung bezogen, sondern tatsächlich Einkünfte aus deren Verkauf erzielt habe (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO).
Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider nahm das Schöffengericht auf die den Urteilsannahmen entgegen stehende Verantwortung des Angeklagten gar wohl Bedacht, gab jedoch, was sein Einkommen von der Gemeinde H***** betraf, der Aussage des Zeugen Werner R***** den Vorzug (US 9 ff, 16), wobei es entsprechend dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht jede Einzelheit gesondert hervorheben musste.
Aus welchen Erwägungen das Erstgericht aus den Ergebnissen der durchgeführten Telefonüberwachung auf die Täterschaft des Angeklagten schloss, wurde entgegen dem (nominell aus Z 9 lit a, der Sache nach aus Z 5 vierter Fall erstatteten) Beschwerdevorbringen logisch und empirisch einwandfrei dargelegt (US 10 ff).
Daher war die Nichtigkeitsbeschwerde im bisher erörterten Umfang bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Zu Recht zeigt der Angeklagte jedoch (gestützt auf Z 5, der Sache nach aus Z 10) einen dem Schöffengericht unterlaufenen Rechtsfehler mangels Feststellungen auf, der den Schuldspruch nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG betrifft. Den Konstatierungen ist nämlich nicht zu entnehmen, von welcher Mindestmenge an verkauftem und zu verkaufen versuchtem Kokain bezogen auf die Reinsubstanz des Suchtgifts die Tatrichter ausgingen:
Den Entscheidungsgründen zufolge hat der Angeklagte „jedenfalls mehr als 460 Gramm Cocain mit hohem Reinheitsgehaltes" in Verkehr gesetzt (US 7, vgl auch 13, 17) und eine unbekannte weitere Menge an Kokain „an einem unbekannten Ort zum Verkauf bereit" gehalten (US 8). Die Tatrichter stellten zum Reinheitsgrad nur fest, dass es sich beim verkauften und bei dem zum Verkauf bereit gehaltenen Suchtgift um „qualitativ hochwertiges" Kokain gehandelt habe (US 8 unten, 17). Die insgesamt „vom Angeklagten … anderen überlassene Menge" lasse sich ziffernmäßig nicht mehr feststellen, habe jedoch das 25-fache der Grenzmenge „mit Sicherheit" überstiegen (US 9 oben). Im Rahmen der Beweiswürdigung führten sie weiters aus: „Unter Mitberücksichtigung des vom Angeklagten um den 17.02.2008 bezogenen Kilogramms Cocains kann kein Zweifel daran bestehen, dass die von ihm insgesamt im Tatzeitraum weitergegebene Menge das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG), die selbst bei Zugrundelegung einer nur durchschnittlichen Qualität von 30 % bereits bei 1.250 Gramm erreicht wäre, überstiegen hat" (US 17).
Weil demnach Feststellungen fehlen, welche die rechtliche Annahme der Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG zu tragen vermögen (RIS-Justiz RS0111350), war das angefochtene Urteil im Schuldspruch nach jener Bestimmung sowie demgemäß im Strafausspruch und im Ausspruch über die Abschöpfung der Bereicherung aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§§ 285e, 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO).
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Im zweiten Rechtsgang wird demnach die Frage zu klären sein, welchen Reinsubstanzgehalt das tatverfangene Suchtgift zumindest hatte. Zur Versuchsstrafbarkeit werden die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu beachten sein (RIS-Justiz RS0119078, RS0119084; Kirchbacher/Schroll, RZ 2005, 116 [121, 141]). Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Anmerkung
E9180811Os102.09yEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0110OS00102.09Y.0908.000Zuletzt aktualisiert am
21.10.2009