Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9. September 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Hofer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Memsud O***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und Abs 2, 161 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Memsud O***** und Esat R***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 3. März 2009, GZ 4 Hv 87/08s-180, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten Memsud O***** und Esat R***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch den rechtskräftigen Freispruch eines weiteren Angeklagten enthält, wurden Memsud O***** und Esat R***** jeweils des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und Abs 2, 161 StGB (A./I./1. bzw A./I. und B./I.) sowie des Verbrechens des betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz nach § 153d Abs 1, Abs 2 und Abs 3 StGB (A./II./3. bzw A./II./1. und B./II.), O***** auch des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (D./) schuldig erkannt.
Danach haben sie als leitende Angestellte (§ 306a StGB) einer juristischen Person, und zwar
A./ der A***** (richtig: Baumanagement; s US 8 ff) GmbH
I./ in Graz durch Vornahme von Barbehebungen vom Geschäftskonto und Verwendung der behobenen Geldbeträge für unternehmensfremde Zwecke Bestandteile des Vermögens des genannten Unternehmens beiseite geschafft, dadurch die Befriedigung dessen Gläubiger vereitelt oder geschmälert und dadurch einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeigeführt, und zwar
1./ Esat R***** als faktischer Geschäftsführer und Memsud O***** als handelsrechtlicher Geschäftsführer im bewussten und gewollten Zusammenwirken im Zeitraum von 24. März bis 14. Oktober 2005 in einer jedenfalls 50.000 Euro übersteigenden Höhe und
2./ Esat R***** als faktischer Geschäftsführer mit dem handelsrechtlichen Geschäftsführer Walter M***** im Zeitraum von 21. Oktober bis 22. Dezember 2005 in einer jedenfalls 50.000 Euro übersteigenden Höhe;
II./ Beiträge zur Sozialversicherung der S***** als berechtigtem Sozialversicherungsträger und Zuschläge nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz in einem jeweils 50.000 Euro übersteigenden Ausmaß, betrügerisch vorenthalten, und zwar
1./ Esat R***** als faktischer Geschäftsführer im Zeitraum von Juli 2005 bis März 2006 in Feldkirchen und Weiz
a) Beiträge zur Sozialversicherung in der Höhe von insgesamt 278.322,28 Euro und
b) Zuschläge nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz in der Höhe von insgesamt 247.846,88 Euro,
3./ Memsud O***** als handelsrechtlicher Geschäftsführer im Zeitraum von Juli bis Oktober 2005 in Feldkirchen
a) Beiträge zur Sozialversicherung in der Höhe von insgesamt 142.794,18 Euro und
b) Zuschläge nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz in der Höhe von insgesamt 147.193,57 Euro,
B./ der Ma***** GmbH
I./ in Graz und Lieboch durch Vornahme von Barbehebungen vom Geschäftskonto und Verwendung der behobenen Geldbeträge für unternehmensfremde Zwecke Bestandteile des Vermögens des genannten Unternehmens beiseite geschafft, dadurch die Befriedigung dessen Gläubiger vereitelt oder geschmälert und dadurch einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeigeführt, und zwar
1./ Esat R***** als faktischer Geschäftsführer mit dem verstorbenen Edin Mas***** als handelsrechtlichem Geschäftsführer im bewussten und gewollten Zusammenwirken im Zeitraum von 3. Jänner bis 5. Oktober 2006 in einer jedenfalls 50.000 Euro übersteigenden Höhe und
2./ Esat R***** als faktischer Geschäftsführer im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem - nunmehr abgesondert verfolgten - handelsrechtlichen Geschäftsführer Nikolaos Masm***** im Zeitraum 6. Oktober bis 7. Dezember 2006 in einer jedenfalls 50.000 Euro übersteigenden Höhe;
II./ in Lieboch Beiträge zur Sozialversicherung der S***** als berechtigtem Sozialversicherungsträger und Zuschläge nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse in einem jeweils 50.000 Euro übersteigenden Ausmaß betrügerisch vorenthalten, und zwar
1./ Esat R***** als faktischer Geschäftsführer im Zeitraum von Juni bis Dezember 2006
a) Beiträge zur Sozialversicherung in der Höhe von insgesamt 265.554,01 Euro und
b) Zuschläge nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz in der Höhe von insgesamt 354.704,24 Euro,
D./ Memsud O***** am 25. November 2005 und 22. Dezember 2006 in Graz Verantwortliche des A***** mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, jeweils durch die listige Vorgabe, ohne Beschäftigung und zum Bezug von Arbeitslosengeld berechtigt zu sein, wobei er jeweils verschwieg, dass er tatsächlich bei der Re***** GmbH beschäftigt war und dabei ein regelmäßiges Einkommen bezog, mithin durch Täuschung über Tatsachen, zur Auszahlung von Arbeitslosengeld in der Höhe von insgesamt 6.780,94 Euro, mithin zu Handlungen verleitet, die das A***** in diesem, mithin 3.000 Euro nicht jedoch 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Memsud O***** (§ 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO) und Esat R***** (§ 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO); sie schlagen fehl.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten O*****:
Die Verfahrensrüge nach Z 4 kritisiert die Abweisung des - thematisch nur zu A./I./1./ gestellten - Antrags auf Vernehmung „des anonymen Zeugen" (gemeint: jenes Informanten, der am 13. Mai 2008 vor dem Landespolizeikommando Steiermark anonym ausgesagt hatte; ON 126) zum Beweis dafür, dass der Angeklagte Esad R***** erhebliche finanzielle Mittel in den Bau des Hotels „Denis" gesteckt habe, die seine Einkünfte bei der A***** GmbH um ein Vielfaches überstiegen, weshalb der Beschwerdeführer „diese Beträge" nicht vereinnahmt haben könne (ON 179, S 52).
Die Tatrichter durften den Antrag schon deshalb ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abweisen, weil darin nicht dargelegt wurde, warum aus allfälligen Investitionen des - nach den Urteilsfeststellungen auch von Barentnahmen aus der Ma***** GmbH profitierenden (B./I./, US 15) - Angeklagten R***** in den Bau eines Hotels Schlüsse auf die Höhe der ihm zugekommenen Entnahmen aus der A***** GmbH zu ziehen seien. Im Übrigen ist es für den Schuldspruch nach §§ 156, 161 StGB ohne rechtliche Bedeutung, ob sich der Beschwerdeführer durch Beiseiteschaffen von Gesellschaftsvermögen persönlich bereichert hat oder nicht.
Der Mängelrüge (Z 5) zuwider besteht zwischen den Feststellungen, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit dem Angeklagten R***** die Geschäfte der A***** GmbH tatsächlich geführt, die „Ausbeutung" des Unternehmens geplant und auch durchgeführt habe (US 9 f), und den Konstatierungen, dass er dabei „weitgehend als Handlanger des R*****" handelte und diesem die auftragsgemäß behobenen Geldbeträge überbrachte, worauf R***** ihm die vereinbarten Anteile auszahlte (US 9 f), kein logischer Widerspruch. Soweit die Beschwerde aus den beweiswürdigenden Urteilsausführungen, dass es für die Angeklagten O***** und R***** wesentlich gewesen sei, dass auf sie „persönlich nicht zurückgegriffen" werden könne (US 21), für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse zu ziehen trachtet, bekämpft sie die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung. Dass die Tatrichter das Verschwindenlassen der Buchhaltung durch einen der zwei - nach den Urteilsannahmen in bewusstem und gewollten Zusammenwirken handelnden (US 2) - Angeklagten als Indiz für die „unredliche Absicht" beider werteten, verstößt nicht gegen die Kriterien logischen Denkens oder grundlegende Erfahrungen.
Soweit die Mängelrüge unter Verweis auf verschiedene Verfahrensergebnisse, die für eine führende Rolle des Angeklagten R***** und eine untergeordnete Tätigkeit des Beschwerdeführers sprechen, eine Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe rügt, vernachlässigt sie, dass sich das Schöffengericht damit in gedrängter Form (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) ohnedies auseinandergesetzt (US 21) und im Übrigen dem Beschwerdeführer in objektiver Hinsicht die von ihm behauptete - im Verhältnis zum Angeklagten R***** untergeordnete - Rolle durchaus zugebilligt hat (US 9, 21). Indem die Beschwerde hieraus jedoch andere Schlüsse auf die subjektive Tatseite zieht als das Urteil, bekämpft sie erneut nur in unzulässiger Form die - dazu keine Begründungsmängel aufweisende - Beweiswürdigung (US 21). Angaben des Zeugen Mas***** vor der Polizei zum von ihm vermuteten Wissensstand des Beschwerdeführers (ON 55, S 149 ff) bedurften keiner Erörterung, können doch nur Tatsachenwahrnehmungen Gegenstand eines Zeugenbeweises sein (RIS-Justiz RS0097573; Danek, WK-StPO § 270 Rz 40).
Die Feststellungen zu einer 50.000 Euro übersteigenden Schadenshöhe blieben nicht unbegründet, sondern wurden von den Tatrichtern unter Verweis auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. S***** (ON 175) mit mängelfreien Schlussfolgerungen argumentativ belegt (US 19). Mit dem Verweis auf den Zweifelsgrundsatz macht die Rüge keinen Begründungsmangel geltend (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 454).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit ihrem - im Wesentlichen aus einer Wiederholung der Ausführungen zur Mängelrüge bestehenden - Vorbringen keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zu A./I./1./ und II./3./ zugrunde liegenden Feststellungen zu wecken.
Die Rechtsrüge (richtig: Z 9 lit a) behauptet das Fehlen von Feststellungen zur subjektiven Tatseite, legt aber nicht dar, welche Konstatierungen über die zum Wissen und Wollen der Angeklagten - zureichend - getroffenen (US 9 ff) hinaus aus ihrer Sicht noch erforderlich gewesen wären (vgl 11 Os 26/98, 15 Os 100/99, 15 Os 155/00).
Die Sanktionsrüge (Z 11) reklamiert den Wegfall des - angeblich in den Urteilskonstatierungen keine Deckung findenden (s aber US 11 zu A./II./3./) - Erschwerungsgrunds des „vielfachen Übersteigens der Qualifikationsgrenze", macht damit aber keinen Nichtigkeits-, sondern bloß einen Berufungsgrund geltend.
Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde abschließend auch die Aufhebung des Schuldspruchs zu D./ fordert, enthält sie dazu keinerlei inhaltliche Ausführungen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R*****:
Die Mängelrüge (Z 5) behauptet eine offenbar unzureichende Begründung zu A./II./1./ und B./II./. Soweit sie die dazu festgestellte Schadenshöhe als „unrichtig" bezeichnet, auf divergierende Verfahrensergebnisse hiezu verweist und die Forderungen der Gebietskrankenkasse in Bezug auf verschiedene Dienstnehmer in Abzug gebracht wissen will, bezeichnet sie zum einen keinen den Ausspruch über die Schuld oder den anzuwendenden Strafsatz entscheidenden Umstand, weil sie ein mögliches Nichtüberschreiten der Qualifikationsgrenze nach § 153d Abs 2 StGB nicht einmal behauptet, zum anderen beschränkt sie sich in ihrer Argumentation auf eine Kritik der Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung. Letzteres gilt auch für die zur Untermauerung eines behaupteten Fehlens betrügerischen Vorsatzes vorgebrachten Beschwerdeargumente. Im Übrigen blieben die entsprechenden Konstatierungen nicht unbegründet, sondern wurden vom Schöffengericht zureichend argumentativ belegt (US 19 f).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) kritisiert sowohl hinsichtlich der A***** (richtig: Baumanagement) GmbH (A./) als auch der Ma***** GmbH (B./) die behauptete Verurteilung wegen mehrerer Verbrechen nach § 156 StGB, orientiert sich dabei jedoch nicht am vorliegenden Urteil, demzufolge der Beschwerdeführer (schon in Hinblick auf § 29 StGB) insgesamt lediglich eines Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2, 161 StGB schuldig erkannt worden ist (US 5).
Die Subsumtionsrüge (Z 10) vermisst Feststellungen hinsichtlich eines 50.000 Euro übersteigenden Schadens (Gläubigerausfalls), vernachlässigt dabei jedoch die (wenngleich erst im Rahmen der rechtlichen Beurteilung getroffenen) Konstatierungen US 22 (s auch US 14).
Soweit die Subsumtionsrüge (stillschweigende) Subsidiarität des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 StGB gegenüber dem Vergehen des betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz nach § 153d StGB behauptet, leitet sie dies mit dem bloßen Bezug auf die im konkreten Fall den Gesellschaften entzogenen Vermögenswerte und ohne Rücksichtnahme auf das für Subsidiarität allein maßgebliche abstrakte Verhältnis dieser strafbaren Handlungen zueinander (Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28 - 31 Rz 36 ff) nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab und vernachlässigt im Übrigen, dass ein „Vorenthalten" iSd § 153d StGB nicht davon abhängig ist, ob zum Fälligkeitszeitpunkt die Nettolöhne übersteigende Mittel vorhanden sind oder nicht (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 153d Rz 20).
Die Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagten waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E91839European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0150OS00087.09X.0909.000Im RIS seit
09.10.2009Zuletzt aktualisiert am
20.10.2011