Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef S***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Opperer-Schartner Rechtsanwälte GmbH in Telfs, gegen die beklagte Partei Leonhard V*****, vertreten durch Dr. Friedrich Reiter, Rechtsanwalt in Telfs, wegen Beseitigung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. April 2009, GZ 3 R 430/08v-13, womit die Berufung des Josef S*****, gegen das Urteil des Bezirksgerichts Telfs vom 29. August 2008, GZ 2 C 140/08g-6, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Rekursbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen. Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.
Die Kosten des Rekurses sind weitere Kosten des Verfahrens.
Text
Begründung:
Mit der am 29. 2. 2008 eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei, vertreten durch ihren Stifter und Begünstigten Josef S*****, den Beklagten schuldig zu erkennen, die auf einem bestimmten Grundstück errichtete Garage „entsprechend der Vereinbarung vom 12. 6. 2007, sohin, dass die Oberkante der Garage an der Grundgrenze der Oberkante der bestehenden Holzlege entspricht, zu errichten bzw den vereinbarungswidrigen Überbau zu entfernen". Am 12. 6. 2007 sei es zwischen der klagenden Partei und dem Beklagten zu einer schriftlichen Vereinbarung über die Verbauung der gemeinsamen Grundstücksgrenze gekommen. Der Beklagte habe die Garage entgegen den ausdrücklichen in der Vereinbarung zugesagten Bedingungen errichtet. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er wandte unter anderem ein, die Vereinbarung, auf die sich das Klagebegehren stütze, sei von Josef S***** als Privatperson abgeschlossen worden. Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, dass nach dem festgestellten Sachverhalt die Vereinbarung, auf die allein die klagende Partei sich stütze, nicht mit ihr abgeschlossen worden sei.
Die dagegen erhobene Berufung bezeichnet im Rubrum des Rechtsmittelschriftsatzes Josef S***** als klagende Partei. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht die Berufung zurück. Gemäß § 472 Abs 1 ZPO sei die Berufung insbesondere auch dann unzulässig, wenn sie von einer Person eingebracht worden sei, welche das Rechtsmittel der Berufung nicht zustehe. Josef S***** sei am erstinstanzlichen Verfahren weder als Partei noch als Nebenintervenient beteiligt gewesen. Daher sei er auch nicht rechtsmittellegitimiert.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der klagenden Partei.
Rechtliche Beurteilung
Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Vorweg ist festzuhalten, dass die Zurückweisung der Berufung aus formellen Gründen nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ungeachtet des Werts des Entscheidungsgegenstands und ungeachtet des Vorliegens erheblicher Rechtsfragen anfechtbar ist (6 Ob 10/07z mwN; vgl Zechner in Fasching/Konecny2 § 519 ZPO Rz 12 mwN).
Vor der Neufassung des § 521a ZPO durch die ZVN 2009, die im Anlassfall im Hinblick auf das Datum der Entscheidung erster Instanz nicht anwendbar ist (Art XIV ZVN 2009), war nach ständiger Rechtsprechung das Verfahren über einen Rekurs gegen die Zurückweisung einer Berufung einseitig (6 Ob 10/07z mwN). Der an dieser Auffassung geäußerten Kritik von Zechner (aaO § 519 ZPO Rz 75) ist der erkennende Senat bereits in der Entscheidung 6 Ob 265/06y nicht gefolgt. Einer neuerlichen Auseinandersetzung bedarf es im Hinblick auf die Novellierung des § 521a ZPO nicht. Die Rekursbeantwortung der beklagten Partei war daher zurückzuweisen. Nach § 85 Abs 2 Satz 2 ZPO ist die unrichtige Benennung eines Rechtsmittels, eines Rechtsbehelfs oder von Gründen unerheblich, wenn das Begehren deutlich erkennbar ist. Unter anderem aus diesen Bestimmungen haben Lehre und Rechtsprechung den Grundsatz der „sacherledigungsfreundlichen Auslegung" abgeleitet (vgl 6 Ob 10/07z mwN). Nach diesem Grundsatz ist zumindest im Zweifel davon auszugehen, dass ein Rechtsmittel vom tatsächlich Rechtsmittellegitimierten erhoben wurde (6 Ob 10/07z; G. Kodek/G. Nowotny, Zur Parteistellung der Gesellschaft im Zwangsstrafenverfahren, NZ 2004/51, 165 [170 f]).
Im Anlassfall lässt der Gesamtzusammenhang der Berufungsausführungen - wie die Rekurswerberin zutreffend festhält - zweifelsfrei und deutlich erkennen, dass es sich bei der Bezeichnung der klagenden Partei im Rubrum der Berufungsschrift nur um die Anführung des im Prozess einschreitenden Vertreters der klagenden Partei handelt, wird doch an mehreren Stellen der Berufung zwischen der klagenden Partei und Josef S***** unterschieden. Damit liegt aber nicht ein, nach § 472 ZPO unzulässiges, Rechtsmittel eines Dritten, sondern eine unschädliche Fehlbezeichnung vor, die der sachlichen Behandlung des Rechtsmittels der klagenden Partei nicht entgegenstand. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 41, 50 und 52 ZPO. Dabei war auszusprechen, dass der Beklagte die Kosten seiner unzulässigen Rekursbeantwortung selbst zu tragen hat; im Übrigen war mit Kostenvorbehalt vorzugehen.
Anmerkung
E920666Ob143.09mEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00143.09M.0918.000Zuletzt aktualisiert am
19.11.2009