Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei H***** AG, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Greiter Pegger Kofler & Partner in Innsbruck, wegen Unterlassung (Streitwert 21.500 EUR) und Veröffentlichung (Streitwert 4.500 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 24. März 2009, GZ 1 R 23/09f-35, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 10. November 2008, GZ 66 Cg 118/07s-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 1.470,24 EUR (darin 245,04 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:
Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, dass den von der beklagten Bank verwendeten Klauseln eine über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinausgehende Bedeutung zukomme.
Das Berufungsgericht hat der Beklagten die Verwendung der nachstehend unter 2. bis 4. wiedergebenen oder sinngleicher Klauseln im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verboten und auch dem Veröffentlichungsbegehren des klagenden Vereins Folge gegeben.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist dieser zur Auslegung von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht „jedenfalls", sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind (RIS-Justiz RS0121516). Es genügt aber für die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs nicht schon der Umstand, dass es an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu gleichen oder ähnlichen Klauseln mangelt (1 Ob 224/06g; 3 Ob 72/07w; 2 Ob 75/07d; 2 Ob 210/08h). Die Auslegung von in Allgemeinen Bedingungen etwa von Banken enthaltenen Klauseln ist vielmehr nur dann revisibel, wenn deren Wortlaut nicht so eindeutig ist, dass Auslegungszweifel verbleiben können (vgl 7 Ob 82/07w; 7 Ob 216/07a; 7 Ob 227/07x; 7 Ob 74/07v uva [jeweils zu Versicherungsbedingungen]; 3 Ob 278/08s).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erweist sich die Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts als inhaltsleer.
2. Aber auch die Beklagte vermag keine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
2.1. Zinsanpassungsklausel:
III/2. (Mangels anderer Vereinbarungen werden Spareinlagen anfänglich zum im Sparbuch bei Eröffnung angedrucktem Vertragszinsatz verzinst. [Dieser Teil der Klausel wurde nicht verboten.]) Der Vertragszinssatz ist gebunden an den im Spar-Stammblatt vereinbarten und angeführten Indikator und erhöht oder senkt sich um ebenso viele Prozentpunkte wie der Indikator, d.h. der jeweils vereinbarte Zinsabschlag (oder Zinsaufschlag) zwischen Indikator und Vertragszinsatz bleibt gleich. Dabei wird die Entwicklung des Indikators zum Monatsletzten des Quartals, für das die letzte Anpassung erfolgt ist, zum Monatsletzten des jeweils vorangegangenen Quartals herangezogen.
III/5. Ergibt sich unter Anwendung der Zinsanpassungsklausel gemäß Punkt III/2 sowie unter Berücksichtigung eines allfällig vereinbarten Bonuszinssatzes rechnerisch eine negative Verzinsung, werden dem Kunden keine negativen Zinsen verrechnet.
Das Berufungsgericht hat diese Klausel insgesamt als gemäß § 6 Abs 3 KSchG intransparent erachtet; es könne der Klausel nicht entnommen werden, zu welchem Datum der allenfalls veränderte Indikator für die Zinsanpassung herangezogen wird, wenn der Monatsletzte des Quartals auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag falle, weil für solche Tage ein eigener Tageswert nicht existiere.
Die Beklagte meint dazu in ihrer Revision, die Klausel spreche nicht vom Wert „des Monatsletzten", sondern vom Wert „zum Monatsletzten"; darunter sei der Wert des letzten Werktags vor dem Quartalsende zu verstehen. Darüberhinaus komme es auf den typischen Durchschnittskunden an, dem klar sei, dass der Monatsletzte der letzte Bankarbeitstag ist.
2.1.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat die Auslegung von Klauseln im Rahmen einer Verbandsklage im „kundenfeindlichsten" Sinn zu erfolgen (RIS-Justiz RS0016590); es ist also eine „vorbeugende Inhaltskontrolle" vorzunehmen (6 Ob 324/00s). Unmaßgeblich ist dabei, ob allenfalls auch eine kundenfreundlichere Auslegung denkbar ist (9 Ob 15/05d).
Im allgemeinen Sprachgebrauch hat die Wortfolge „Wert zum Monatsletzten" keine andere Bedeutung als „Wert des Monatsletzten" oder „Wert am Monatsletzten"; bei bestimmten Konstellationen besteht für den „Monatsletzten" jedoch kein Wert, sodass für die Kunden der Beklagten nicht erkennbar ist, welcher Wert der Zinsanpassung nun konkret zugrunde zu legen ist. Es mag zwar sein, dass nach den - von der Beklagten im Verfahren mehrfach bemühten - Bankusancen in derartigen Fällen der letzte Bankwerktag herangezogen wird; dies muss aber dem durchschnittlichen Bankkunden, der bei der Beklagten ein Sparbuch eröffnet hat, nicht klar sein. Es ist ihm auch nicht zuzumuten, sich zunächst mit den Bankusancen vertraut zu machen.
2.1.2. Damit geht aber der Hinweis der Beklagten auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach Maßstab für die Transparenz gemäß § 6 Abs 3 KSchG das Verständnis des für die jeweilige Vertragsart typischen Durchschnittskunden ist (4 Ob 28/01y ÖBA 2001, 645; 6 Ob 16/01y, fehl. Es ist nämlich nicht ersichtlich, warum gerade der „durchschnittliche" Sparbuchinhaber ein besonderes Wissen betreffend Bankusancen haben beziehungsweise über eine „gewisse Mindestkundigkeit" bei „schwierigen Ordnungsproblemen, wie sie zB im Recht der Finanzdienstleistungen auftreten", verfügen sollte.
2.1.3. Die Beklagte rügt in ihrer Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die gesamte Zinsanpassungsklausel einer einheitlichen Betrachtungsweise unterzogen. Tatsächlich habe der klagende Verein im Verfahren erster Instanz die Tageswertklausel von der Zinsanpassungsklausel abgesondert, also isoliert beurteilt.
Der klagende Verein hat bereits im Verfahren erster Instanz die Unzulässigkeit der gesamten Zinsanpassungsklausel, also nicht nur der Tageswertklausel, mit einem Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG begründet. Warum eine Klausel intransparent ist, ist jedoch eine Rechtsfrage (vgl Schurr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ [2006] § 6 Abs 3 KSchG Rz 26); diese haben die Gerichte umfassend zu beurteilen. Im Übrigen sind die beiden maßgeblichen Klauseln durch das Wort „dabei" verbunden; daraus ergibt sich schon allein deren Zusammenhang.
3. Verständigungsklausel:
XIV/3. (Die Bank ist berechtigt, die „Allgemeinen Bestimmungen ..." jederzeit abzuändern. Solche Änderungen werden durch Eintrag im Sparbuch [EDV Nachtragszeile bei der nächsten Buchvorlage] und durch persönliche Verständigung des Erstidentifizierten bei Typ 1 Sparbüchern bzw. des Verfügungsberechtigten bei Typ 2 Sparbüchern an die zuletzt bekannt gegebene Adresse bekannt gegeben. [Dieser Teil der Klausel wurde nicht verboten.]) Sollten keine Adressdaten vorhanden sein, erfolgt die Verständigung mittels Schalteraushang.
Das Berufungsgericht erachtete diese Klausel im Hinblick auf § 6 Abs 1 Z 3 KSchG für unzulässig; sie differenziere nicht, warum keine Adressdaten vorhanden sind.
Die Beklagte meint dazu in ihrer Revision, für eine Verständigung durch Schalteraushang kämen ohnehin nur solche Sparbücher in Frage, die vor der Einführung der Identifikations- beziehungsweise Legitimationspflichten der §§ 40 ff BWG eröffnet wurden und bei denen (noch) keine Identifikation beziehungsweise Legitimation erfolgt sei, also bei anonymen Sparbüchern.
Nach § 6 Abs 1 Z 3 KSchG sind für den Verbraucher besonders solche Vertragsbestimmungen im Sinn des § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich, nach denen eine für den Verbraucher rechtlich bedeutsame Erklärung des Unternehmers, die jenem nicht zugegangen ist, als ihm zugegangen gilt, sofern es sich nicht um die Wirksamkeit einer an die zuletzt bekannt gegebene Anschrift des Verbrauchers gesendeten Erklärung für den Fall handelt, dass der Verbraucher dem Unternehmer eine Änderung seiner Anschrift nicht bekannt gegeben hat. Die Zugangsfiktion ist im Sinne dieser Bestimmung somit nur zulässig, wenn der Verbraucher eine ihm zumutbare, gegenüber dem Unternehmer bestehende Pflicht, nämlich die Änderung seiner Adresse mitzuteilen, verletzt hat (Mayrhofer/Nemeth in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ [2006] § 6 Abs 1 Z 3 KSchG Rz 5 mwN).
Damit wäre die inkriminierte Verständigungsklausel zulässig, würde sie sich lediglich auf die Fälle der Unterlassung der Mitteilung einer Adressenänderung durch den Kunden der beklagten Bank beziehen; darauf zielt letztlich auch deren Argumentation in ihrer Revision ab. Die Beklagte übersieht dabei jedoch, dass sich diese Einschränkung aus dem Wortlaut ihrer Klausel nicht ergibt; für eine geltungserhaltende Reduktion bei Teilzulässigkeit der Klausel ist in einem Verfahren über eine Verbandsklage jedoch kein Raum (7 Ob 170/98w SZ 72/12; 5 Ob 266/02g SZ 2002/154; 9 Ob 241/02k uva, zuletzt 3 Ob 12/09z).
4. Zustimmungsklausel:
XIV/3. Das Kreditinstitut wird den Kunden in der Verständigung auf die Tatsache der Änderung der Allgemeinen Bestimmungen ... und darauf aufmerksam machen, dass sein Stillschweigen nach Ablauf des Monats, der der Verständigung als nächster folgt, als Zustimmung zur Änderung gilt.
Das Berufungsgericht erachtete diese Klausel gemäß § 6 Abs 1 Z 2 KSchG als unzulässig; die durch die Verständigung ausgelöste Frist von („in der Praxis anzunehmenden") 7 bis 8 Wochen sei als unangemessen kurz anzusehen.
Die Beklagte meint in ihrer Revision, diese Frist sei im Hinblick darauf, dass sie nur bei jenen Kunden zur Anwendung komme, die der Beklagten ihre Adressänderung nicht mitgeteilt hätten, nicht unangemessen kurz.
Der Oberste Gerichtshof hat allerdings bereits ausgesprochen, dass eine Klausel, wonach der Bankkunde innerhalb einer Frist von vier Wochen Widerspruch gegen die Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen erheben muss, von denen er nur durch Schalteraushang verständigt wird, gegen § 6 Abs 1 Z 3 KSchG verstößt (3 Ob 238/05d). Da die hier von der Beklagten verwendete Klausel durchaus auch die Möglichkeit einer Frist von knapp über vier Wochen vorsieht (etwa bei Aushang knapp vor Ende eines Monats), entspricht der zu beurteilende Sachverhalt insoweit jenem der erwähnten Entscheidung. Weshalb die Beklagte und das Berufungsgericht von einer „in der Praxis anzunehmenden" Frist von 7 bis 8 Wochen ausgehen, ist nicht nachvollziehbar, kommt es doch nicht auf (allenfalls) statistische Durchschnittswerte an, sondern auf den aus der Sicht des Kunden denkbar schlechtesten Fall.
5. Damit hat aber das Berufungsgericht zutreffend und im Rahmen bestehender Rechtsprechung sämtliche inkriminierten Klauseln für unzulässig erklärt. Die Revision war zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der klagende Verein hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.
Textnummer
E92062European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00128.09F.0918.000Im RIS seit
18.10.2009Zuletzt aktualisiert am
09.12.2010