TE Vwgh Erkenntnis 2000/12/14 2000/20/0368

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Veröffentlicht am 14.12.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des S E in Wien, geboren am 3. Juni 1963, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 7. August 2000, Zl. 216.428/0-XI/38/00, betreffend Abweisung eines Asylantrages gemäß § 6 AsylG und Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, nach seinen Angaben ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, betrat am 11. Oktober 1999 unter Umgehung der Grenzkontrolle das Bundesgebiet und stellt am 13. Oktober 1999 einen Antrag auf Gewährung von Asyl.

Bei seiner ersten Einvernahme am 13. Oktober 1999 deponierte der Beschwerdeführer handschriftlich Folgendes:

"LAST ADRESS IN FREETOWN: 21 ERELU ST B.P 1088 21 ERELU ST. B.P 1088 IN THE SOUTHERN PART OF FREETOWN

MY TRIBE: EDO

I SPEEK ONLY ENGLISH.

I LEFT FREETOWN THREE MONTH AGO I WALK ON FOOT TO EGYPT TO

SENEGAL - TUNISIA - SPAIN - BY TRAIN TO AUSTRIA."

Bei seiner Vernehmung durch das Bundesasylamt am 18. Februar 2000 brachte der Beschwerdeführer vor, er habe ständig in Nummer 27 Erehi Street in Kent Village, B.P. 1088, gelebt. Kent liege ca. 40 Meilen nördlich von Freetown. Das Dorf sei vom Meer umgeben; es liege direkt am Meer. Er gehöre zum Stamm der EDO und spreche nur Edo und Englisch.

Zu seinen Dokumenten gab der Beschwerdeführer Folgendes an:

"Ich hatte nie einen Reisepass oder irgendein anderes Dokument. Ich habe nur eine Geburtsurkunde hier, die ich hiermit vorlege.

F: Weshalb haben Sie diese Urkunde nicht schon bei der Antragstellung vorgelegt?

A: Man hat nicht danach gefragt.

A (richtig: F): Ich selbst habe danach gefragt und eine Personsdurchsuchung brachte verschiedene Dinge zum Vorschein aber keine Geburtsurkunde.

A: Man hat nur nach meinem Reisepass gefragt. Ich hatte diese Geburtsurkunde in einer Innentasche eingesteckt. Ich bin mittellos und habe keine Verwandte oder Bekannte im Bereich der EU. Dies ist das erste Mal, dass ich meine Heimat verlassen habe."

Als Grund für seine Flucht aus Sierra Leone gab der Beschwerdeführer Folgendes an:

"Ein Mann - Bockarie Kakay kam im Auftrag des hohen Polizeioffiziers ASP/SIS Koroma und suchte unter den in Kent untergebrachten Flüchtlingen fünf Personen, darunter auch mich aus und gab uns im Namen der Regierung den Auftrag, ein kleines in der Nähe von Kent gelegenes ECOMOG-Lager anzugreifen.

Dieser Angriff erfolgte in Uniformen der Ecomog Truppen und wir waren nicht erfolgreich. Zwei wurden getötet, einer wurde festgenommen und ich konnte mit dem anderen Mann flüchten. Der Angriff erfolgte in der Nacht zum 1.8.1999. Ich bin von dort zu meinem Dorf zum Flüchtlingslager zurückgelaufen. Die Leute dort sagten, Sie hätten mein Bild dort gestern im Fernsehen gesehen. Es hätte dort auch die Mitteilung, die Fahndung nach mir herausgegeben. Nach mir und nach der zweiten Person wurde gefahndet und wer uns sieht solle die Polizei verständigen.

F: Wann wurde das Ecomog-Lager angegriffen, am frühen Abend?

A: Es war gegen 23.30 Uhr es dauerte nicht lange 10 - 15

Minuten.

F: Wie weit ist das ECOMOG-Lager von Kent entfernt?

A: Ich weiß es nicht genau 7 - 10 Kilometer.

F: Wie lange brauchten Sie wieder zurück ins Dorf Kent?

A: Die Nacht haben wir im Busch verbracht. Am Morgen sind wir

in das Dorf zurück und wir sind noch am selben Tag aus dem Dorf geflüchtet, als wir hörten, dass man bereits nach uns sucht."

Auf Vorhalt des vernehmenden Beamten, dass es nach den vorliegenden Unterlagen weder einen Stamm noch eine Sprache "Edo" gäbe, sehr wohl jedoch in Nigeria, bekräftigte der Beschwerdeführer, dass er aus Sierra Leone komme und in Kent die Edos lebten.

Die vom Beschwerdeführer vorgelegte Geburtsurkunde wurde von der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle der Bundespolizeidirektion Graz mit dem Ergebnis untersucht, dass es sich um die Nachahmung einer Geburtsurkunde aus Sierra Leone und daher um eine Totalfälschung handle.

Mit Bescheid vom 11. April 2000 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 6 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Das Bundesasylamt sprach dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit ab, wobei es sich in der Beweiswürdigung unter anderem auf die vagen Angaben des Beschwerdeführers über seinen Fluchtweg sowie darauf stützte, dass die Sprachgruppe Edo in Sierra Leone nicht verifizierbar sei und dieser Stamm und diese Sprache in Nigeria beheimatet seien. Auch der vom Beschwerdeführer genannte Ort "Mama" sei in Sierra Leone nicht verifizierbar. Der Beschwerdeführer habe über alltägliche Umstände und Begriffe keine befriedigenden Angaben machen können. Schließlich sei die vom Beschwerdeführer vorgelegte Geburtsurkunde eine Totalfälschung.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er vorbrachte, er habe nicht die nötige Zeit und Aufmerksamkeit zur Verfügung gehabt, um alle Fragen korrekt und der Sache entsprechend genau zu beantworten. Er habe auch nicht ausgesagt, dass er dem Stamme der Edo angehöre und deren Sprache als Muttersprache habe. Zu dieser Verwechslung sei es gekommen, weil in der Bäckerei in Kent, in der er gearbeitet habe, unter anderem Menschen aus Ghana und auch aus Nigeria gearbeitet hätten und diese Menschen Edo sprechen. Er sei durch die Ungeduld und Härte des Referenten, der ihn sowohl bei der Ersteinvernahme sofort nach seiner Ankunft in Graz als auch am 18. Februar 2000 vernommen hatte, eingeschüchtert worden und in seinen Gedanken verwirrt worden. Man habe seiner geringen Bildung kaum Beachtung geschenkt.

Die belangte Behörde führte am 17. August 2000 eine mündliche Berufungsverhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Englisch und eines Sachverständigen für Sierra Leone und Dolmetschers für die Sprache Krio durch. Dort gab der Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung Folgendes an:

"VL: Welchem Stamm gehören Sie an?

BW: Ich gehöre dem Stamm der Shebro an.

VL: Welche Sprache sprechen Sie?

BW: Ich spreche Englisch und ein wenig Krio. Ich verstehe Krio, aber ich drücke mich lieber auf Englisch aus. Shebro spreche ich nicht, weil ich nicht in diesem Gebiet aufgewachsen bin. Es ist die Stammessprache meiner Eltern.

VL: Wo sind Sie aufgewachsen?

BW: Ich bin in Kent Village aufgewachsen.

VL: Welche Sprache spricht man normalerweise in Kent?

BW: Man spricht dort viele verschiedene Sprachen, weil dort eine Mischung von vielen Stämmen lebt. Ausserdem ist es ein Touristenort mit vielen Stränden und es kommen Leute aus ganz Afrika hin.

(...)

VL: Erzählen Sie mir etwas über Ihre Fluchtgeschichte!

BW: Ursprünglich wollte ich die Namen der Männer wegen derer ich fliehen musste gar nicht nennen. Es handelte sich um Bockarie Kakai und Assistant Super Intendent of Police SIS Koroma. Nach dem das Haus meines Vaters und die Bäckerei in der ich gearbeitet hatte, zerstört worden war, lebte ich in einem Flüchtlingslager in Kent in einer Grundschule. Bokarie war ein Geschäftsmann, der mich aus der Bäckerei kannte. Er kam zu mir und sagte, ich solle 10 Mann für ihn finden. Er habe einen Auftrag für uns und wenn wir diesen erfolgreich durchführen würden wir gut bezahlt werden. Ich konnte nur 5 Leute finden. Bokarie wollte, dass wir für ihn einen Diamanten holen, der in einem Ecomog Lager in Kent aufbewahrt wurde. Er besorgte uns Ecomog Uniformen und ging bei dieser Aktion auch mit. Wir gingen auch bei Nacht in dieses Lager aber im Zuge der Aktion wurde der Dienst habende Kommandant der Kamajors die mit den Ecomog Truppen zusammenarbeiteten erschossen. Ich glaube, dass Bocarie ihn erschossen hat. Wir konnten die Aktion, die bis dahin nur 10 Minuten gedauert hatte, jedoch nicht abschließen und es gelang nur 2 von uns sowie Bokarie zu entkommen. Zwei Mann von unserer Gruppe wurden getötet und einer gefangen genommen.

VL: Um welche Uhrzeit hat dieser Überfall stattgefunden und an welchem Tag?

BW: Es war ungefähr um Mitternacht, zwischen 31. Juli und 1. August.

VL: Was passierte weiter?

BW: Wir liefen davon und versteckten uns im Busch. Dazu muss ich ergänzen, dass (das) Ecomog Lager etwa 7 - 10 Meilen vom Flüchtlingslager in Kent entfernt war. Nach einiger Zeit kehrten mein Freund und ich in das Flüchtlingslager zurück und meine Freunde die wir dort antrafen sagten, in den Frühnachrichten im Radio sei durchgegeben worden, dass wir gestern jemanden umgebracht hätten. Jemand sagte, dass sogar im Fernsehen darüber berichtet wurde. Bokaries Name wurde dabei nicht erwähnt, aber mein Name wurde genannt, weil ich den Kamajors bekannt war. Ich hätte ihnen beitreten sollen (bei den Kamajors handelt es sich um eine Organisation von Freiwilligen). Man sagte mir, dass im Zuge der Berichterstattung auch gesagt wurde, dass jeder, der meinen Aufenthalt kenne, diesen anzeigen solle. Es blieb mir gar nichts übrig, als so schnell wie möglich wegzulaufen. Ich muss dazu noch ergänzen, dass der Kommandant des Lagers, der erschossen wurde, von Tejan Kabbah eingesetzt war. Außerdem war er ein guter Freund des stellvertretenden Verteidigungsministers und daher relativ prominent und deshalb wurde auch so viel berichtet.

VL: Wer war der Auftraggeber auf den Überfall auf das Ecomog Camp?

BW: Unser Auftraggeber war Bokarie und dessen Auftraggeber, war SIS Koroma mit dem Bokarie befreundet war. Koroma war ein Regierungsvertreter er war stellvertretender Polizeichef.

VL: Warum sollte der Regierungsvertreter einen Angriff auf ein Ecomog Lager anordnen, wo doch die Regierung mit den Ecomog Truppen zusammen arbeitet?

BW: Weil er den Diamanten wollte der dort aufbewahrt wurde.

VL: Wieso sollten gerade Sie Leute finden, die den Überfall durchführten?

BW: Er kannte mich aus der Bäckerei wo ich gearbeitet habe und dort war ich als sehr hartnäckig bekannt. Der Grund weshalb ich gefragte wurde, war wahrscheinlich, weil ich eine militärische Ausbildung hatte, weil ich ursprünglich den Kamajors beitreten wollte. In der Bäckerei arbeiteten Leute aus verschiedenen Nationen, wir hatten jemanden aus Akra, jemanden aus Edo, aus Cotoun und sogar aus Kamerun. Ich war jedoch Bürger von Sierra Leone vielleicht war das auch ein Grund. Möglicherweise gab es noch weitere Gründe die mir nicht bewusst sind.

(...)

VL: Wieso haben Sie bei der ersten Einvernahme am 13.10.1999

angegeben, Ihr Stamm sei Edo?

BW: Der Mann der mich am 13.10.1999 einvernahm war der selbe, der mich auch am 18.2.2000 befragte. Am 13.10.1999 war kein Dolmetscher anwesend, und ich habe ihn sehr schlecht verstanden. Ich habe ihm erzählt, dass ich mit Leuten aus verschiedenen Ländern zusammengearbeitet habe, darunter auch mit einem Kollegen der den Edo angehörte und irgendwie, war er überzeugt, dass ich auch den Stamm der Edo angehöre.

Vorhalt: Sie haben offensichtlich selbst aufgeschrieben, dass Sie dem Stamm der Edo angehören, was Sie gerade angegeben haben, ist also falsch.

BW: Ich hatte die Frage so verstanden, mit Leuten welcher Stämme ich zusammengearbeitet habe. Ich habe ja 8 oder 9 Jahre mit verschiedenen Leuten zusammengearbeitet und dabei von ihnen einiges gelernt wenn ich mich mit ihnen verständigt habe z.B.: ein paar Worte Edo oder Französisch. Bei der Einvernahme wurde ich auch aufgefordert Zahlen in anderen Sprachen niederzuschreiben und das habe ich auch getan. Ich weiß nicht, ob diese Blätter im Akt sind.

VL an den SV: Gibt es einen Stamm namens Edo und eine Sprache

namens Edo in Sierra Leone?

SV: Nein.

VL an den BW: Sie sagen zwar, es habe sich um ein Missverständnis bei der Protokollierung gehandelt, im Protokoll vom 18.2.2000 finden sich folgende Sätze: 'Ich komme aus Sierra Leone und in Kent leben die Edos' und am 13.10.1999 haben Sie mit eigener Handschrift - entgegen ihren jetzigen Erklärungen -

aufgeschrieben: 'MY TRIBE: EDO', dies kann nun nicht mehr auf einem Missverständnis beruhen, dies ist ein eindeutiger Wortlaut, dies wurde auch von ihnen unterschrieben und mit einem Fingerabdruck gekennzeichnet.

BW: Ja, ich habe das geschrieben, das war der erste Tag, an dem ich in Österreich war und der Mann der mich einvernommen hat, hat mir überhaupt keine Chance gelassen zu reden und etwas zu erklären. Ich habe ihn auch nicht richtig verstanden.

(...)

VL: Sie haben am 18.2.2000 eine Geburtsurkunde vorgelegt, die Sie am 13.10.1999 noch nicht hatten. Ist die korrekt?

BW: Am 13.10.1999, hat mich der einvernehmende Beamte durchsucht das heißt, er hat meine Hosentaschen abgeklopft und alles abgenommen was ich bei mir hatte, das war etwas Geld, meine Uhr, Zahnpasta und Zahnbürste, die ich von der Arche bekommen hatte und eine Bibel. An diesem Tag war es kalt und ich hatte über dem Hemd einen Pullover an, die Geburtsurkunde hatte ich gefaltet in der Hemdtasche, damit ich sie nicht verliere. Er fragte mich dann nur noch nach einem Pass und den hatte ich nicht. Am 18.2.2000 fragte er mich dann, was ich alles mitgebracht habe, und da legte ich die Geburtsurkunde vor. Als er mich fragte, warum ich sie nicht schon früher hergezeigt habe, sagte ich hätte nicht gewusst, dass ich sie vorlegen sollte, weil ich nur nach einem Reisedokument gefragt wurde.

(...)

VL: Sie haben am 18.2.2000 angegeben, es habe sich um Taxis gehandelt, mit denen Sie gefahren sind. Stimmt das?

BW: Ja, das ist richtig.

VL: Wollen Sie mir erzählen, dass Sie diese ungeheure Entfernung mit Taxis zurückgelegt haben.

BW: Ja, in Taxis. In vielen Ländern steht nicht Taxi auf den Autos, aber sie befördern trotzdem Fahrgäste. Manchmal sind wir zwei oder drei Tage an einem Ort geblieben und haben dann ein anderes Taxi für die Weiterfahrt genommen. Ich erinnere mich, dass wir auch an Grenzen nach Pässen gefragt wurden und dann ist Bukarie ausgestiegen und hat mit den Leuten geredet danach konnten wir einfach so passieren. Ich weiß nicht, was er ihnen gesagt hat oder ob er ihnen etwas gegeben hat.

Vorhalt: Bei Ihrer ersten Einvernahme am 13.10.1999 haben Sie angegeben und auch aufgeschrieben, Sie hätten Freetown vor 3 Monaten verlassen, seien zu Fuß nach Ägypten, Senegal, Tunesien und Spanien gegangen und in der Folge mit dem Zug nach Österreich gefahren. Was sagen Sie dazu?

BW: Während der Einvernahme kam zwischenzeitlich ein anderer Mann dazu und ich dachte vielleicht ist das ein Polizist und man würde mich fragen, woher ich das Geld für die Taxis hatte. Ausserdem hat Bokarie mir aufgetragen, seinen Namen auf keinen Fall zu erwähnen, darum habe ich das niedergeschrieben."

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 2 und 3 AsylG abgewiesen und (wiederum) ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone zulässig sei. Auch die belangte Behörde sprach dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit ab und sah sich nicht dazu in der Lage, Feststellungen über dessen Identität, die Staatsangehörigkeit, den Fluchtweg sowie die Fluchtgründe zu treffen. Sie berief sich in ihrer Beweiswürdigung insbesondere darauf, dass die Geburtsurkunde des Beschwerdeführers eine Totalfälschung darstelle, dass der Beschwerdeführer über den Stamm, dem er angeblich angehöre, unterschiedliche Angaben gemacht habe, dass die vom Beschwerdeführer angeblich in Krio aufgeschriebenen Zahlen nicht dieser Sprache zugehörten und dass der Beschwerdeführer unterschiedliche Angaben über seinen Fluchtweg gemacht habe.

Auf Grund von Berichten des österreichischen Konsulates in Freetown vom 10. Juni 2000 und vom 16. Juli 2000 stellte die belangte Behörde nach Darstellung einer Chronologie der Ereignisse in Sierra Leone vom 1. Mai 2000 bis zum 3. Juni 2000 fest, dass die Hauptstadt Freetown und deren Umgebung sowie der Süden und der Osten dieses Landes gegenwärtig und für die nähere Zukunft als sicher bezeichnet werden könnten.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entspreche, weshalb der Asylantrag gemäß § 6 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet abzuweisen sei. Selbst wenn man das Vorbringen des Beschwerdeführers jedoch als wahr unterstellte, könne in einem versuchten Raub eines Diamanten aus einem Ecomog-Lager und der daran anknüpfenden (strafgerichtlichen) Verfolgung keine Verfolgung aus einem asylrelevanten Motiv abgeleitet werden, weshalb der Asylantrag auch gemäß § 6 Z 2 AsylG abzuweisen sei. Die Refoulement-Entscheidung begründete die belangte Behörde damit, dass der Beschwerdeführer keine drohende Gefahr im Sinne des § 57 FrG habe glaubhaft machen können und dass auf Grund der dargestellten Situation in der Hauptstadt Sierra Leone, Freetown, derzeit keine extreme Gefahrenlage im Sinne des hg. Erkenntnisses vom 15. November 1999, Zl. 99/20/0465, erblickt werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen Beweiswürdigung wirft die Beschwerde der belangten Behörde vor, sie habe unberücksichtigt gelassen, dass der Beschwerdeführer bestimmte in Krio gestellte Fragen verstanden habe und dass er das Dorf in seiner Heimat korrekt geschildert habe. Bei der Vernehmung vor dem Bundesasylamt Graz habe es Missverständnisse gegeben, auf die er mehrmals hingewiesen habe, was jedoch einfach übergangen worden sei.

Die damit vom Beschwerdeführer angesprochene Beweiswürdigung ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob der Sachverhalt, der in diesem Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Die Schlüssigkeit der beweiswürdigenden Erwägungen unterliegt der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 549 f., wiedergegebene hg. Judikatur).

Die Argumente des Beschwerdeführers geben keine Anhaltspunkte, die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde in Zweifel zu ziehen. Die vom Beschwerdeführer angesprochenen Kriokenntnisse sowie die Kenntnisse über das Dorf Kent hat die belangte Behörde nachvollziehbar damit begründet, dass der Beschwerdeführer offensichtlich tatsächlich einige Zeit als Angestellter in einer Großbäckerei oder als Tourist in der Stadt Kent in Sierra Leone verbracht habe. Für die belangte Behörde lag eine solche Vermutung nicht fern, weil der Beschwerdeführer selbst angegeben hatte, dass viele Angehörige anderer Staaten in dieser Bäckerei beschäftigt gewesen seien. Im Übrigen vermag die Beschwerde den oben wiedergegebenen, zentralen Argumenten der Beweiswürdigung der belangten Behörde nichts Stichhaltiges entgegenzuhalten. Das bereits in der Berufung verwendete Argument, die widersprüchlichen Aussagen des Beschwerdeführers seien auf sprachliche Schwierigkeiten bzw. auf die Person des Vernehmenden des Bundesasylamtes zurückzuführen, sind nicht geeignet, die aufgetretenen Widersprüche zu den oben zitierten, vom Beschwerdeführer eigenhändig niedergeschriebenen Angaben anlässlich seiner ersten Vernehmung am 13. Oktober 1999 entscheidend zu relativieren. Der Verwaltungsgerichtshof kann der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn diese aus den dargestellten Ermittlungsergebnissen den Schluss auf die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers gezogen hat.

Nach der Eventualbegründung der belangten Behörde könnte das Vorbringen des Beschwerdeführers - selbst wenn es wahr wäre - keinen Asylgrund verwirklichen.

Gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76, in der Fassung BGBl. I Nr. 4/1999, (im Folgenden: AsylG) hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, (im Folgenden: FlKonv) ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Den oben wiedergegebenen Schilderungen des Beschwerdeführers kann lediglich entnommen werden, dass er sich auf Grund eines misslungenen Raubversuches in seinem Heimatland zur Flucht entschlossen habe. Soweit die Beschwerde vorbringt, der Beschwerdeführer hätte den Kamajores beitreten sollen, habe dies jedoch auf Grund seiner "Einstellung" verweigert und er werde in seinem Heimatland nunmehr auf Grund seiner "politischen Gesinnung sowie auf Grund des bereits geschilderten Vorfalles" gesucht, so handelt es sich um unsubstantiierte und überdies im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerungen.

Der von den getroffenen Feststellungen ausgehenden Refoulement-Entscheidung wird von der Beschwerde nicht entgegengetreten.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. Dezember 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000200368.X00

Im RIS seit

23.02.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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