Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Hackl-Miheljak als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichts Mag. Koch und MMMag. Frank in der Rechtssache der klagenden Partei T*****, vertreten durch Dr. Peter Brodner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei F*****, vertreten durch Hauer Puchleitner Majer Rechtsanwälte OEG in Gleisdorf, wegen EUR 11.497,04 s.A., über den Rekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse: EUR 537,84) gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 3.7.2009, GZ 9 Cg 6/08f-40, in nicht öffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Text
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels
selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung
Nach Klagsrückziehung unter Anspruchsverzicht bestimmte das Erstgericht mit dem teilweise angefochtenen Beschluss die Kosten der Beklagten mit EUR 5.561,88 deren Ersatz es der Klägerin auferlegte. In den vom Erstgericht bestimmten Kosten sind Kosten für die Befundaufnahme an Ort und Stelle in der Dauer von 3/2 am 3.12.2008 in Höhe von EUR 425,70 zuzüglich 100% Einheitssatz von EUR 425,70 zuzüglich der darauf entfallenden 20%igen Umsatzsteuer enthalten.
Rechtliche Beurteilung
Gegen die Kostenbestimmung im Umfang von EUR 537,84 richtet sich der Rekurs der Klägerin mit der Begründung, die Kosten für die Teilnehmer des Beklagtenvertreters an der Befundaufnahme vom 3.12.2008 seien zu Unrecht nach TP 3A III RATG bestimmt worden, weil kein ausdrücklicher Auftrag des Gerichts vorgelegen sei. Tatsächlich habe das Erstgericht dem Sachverständigen mit Beschluss vom 21.10.2008 lediglich aufgetragen „von einer allfälligen Befundaufnahme die Parteien und ihre Vertreter rechtzeitig zu verständigen". Darüber hinaus gebühre sowohl für eine Entlohnung nach TP 3A III RATG als auch für eine Entlohnung nach TP 7 RATG nur der einfache Einheitssatz, woraus sich das Rekursinteresse ergebe.
Der Beklagte hat keine Rekursbeantwortung erstattet. Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Mit der EO-Novelle 2005 (BGBl I 2005/68) wurde der TP 3 A RATG folgender Abschnitt III. angefügt:
„In allen Verfahren für die Teilnahme an der Befundaufnahme durch Sachverständige, sofern die Beiziehung der Parteienvertreter über Auftrag des Gerichts erfolgt."
Diese Gesetzesänderung wurde von Obermaier, Das Kostenhandbuch, Rz 602ff umfassend kommentiert. Er nahm zu der neu geschaffenen TP 3 A III RATG den Standpunkt ein, dass nach der gesetzlichen Regelung unklar sei, ob hier eine Honorierung wie im Abschnitt TP 3 A I (Schriftsatzaufwand) oder wie im Abschnitt TP 3 A II (Verhandlungsaufwand – nach begonnenen Stunden) zu erfolgen habe, dass aber nach der Systematik des RATG von einem Pauschale für die gesamte Leistung auszugehen sei; weiters vertrat er die Auffassung, dass die Formulierung „über Auftrag des Gerichts" unklar sei, zumal auch die erläuternde Regierungsvorlage dazu schweige, dass aber wohl nur ein gerichtlicher Auftrag an den Sachverständigen die Parteienvertreter beizuziehen anspruchsbegründend sei. Weiters vertrat Obermaier den Standpunkt, dass zum Grundhonorar nach TP 3A III RATG nur der einfache Einheitssatz (§ 23 Abs 1 RATG) gebühre, zumal eine Änderung des Abs 5 des § 23 RATG nicht erfolgt sei. Mit dem Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 - BRÄG 2008 (BGBl I 2008/111) wurde die TP 3A III RATG wie folgt geändert:
„Für die Teilnahme an der Befundaufnahme durch Sachverständige gebührt in allen Verfahren die im Abschnitt II festgesetzte Entlohnung, sofern die Beiziehung der Parteienvertreter über ausdrücklichen Auftrag des Gerichts erfolgt."
Den Erläuterungen der Regierungsvorlage zufolge sollten mit dem im Bereich des Rechtsanwaltstarifgesetzes erfolgten Änderungen verschiedene Klarstellungen inhaltlicher (etwa betreffend die Frage des Umfangs der Entlohnung des Rechtsanwalts für die Teilnahme an der Befundaufnahme durch Sachverständige, wenn die Beiziehung der Parteienvertreter über ausdrücklichen Auftrag des Gerichts erfolgt) und redaktioneller Natur getroffen werden. Die Erläuterung zur Tarifpost 3 A Abschnitt III RATG lautet: „Mit dem der TP 3 A RATG durch das BGBl I Nr. 68/2005 neu angefügten Abschnitt III sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Beteiligung von Rechtsanwälten an Befundaufnahmen durch Sachverständige von der Schwierigkeit häufig der Intervention bei einer kontradiktorischen Verhandlung vor Gericht gleichsteht und daher so wie diese entlohnt werden soll. Demgemäß sollte eine Entlohnung nach TP 3 A RATG in diesen Fällen immer dann stattfinden, wenn die Beiziehung der Parteienvertreter zur Befundaufnahme über Auftrag des Gerichts erfolgt. ... Bei dieser Gelegenheit soll auch klargestellt werden, dass die eine Voraussetzung des Entlohnungsanspruchs nach TP 3 A Abschnitt III RATG darstellende Beiziehung der Parteienvertreter durch das Gericht nur dann erfüllt ist, wenn diese Beiziehung über ausdrücklichen Auftrag des Gerichts erfolgt" (vgl S 45 ErläutRV 303 BlgNr XXIII. GP). Zu dieser Änderung hat Obermaier in RZ 2008, 222 dahingehend Stellung genommen, dass das höhere Honorar nach TP 3 A III RATG nur dann gebühre, wenn der Sachverständige die Befundaufnahme über – nunmehr ausdrücklichen – gerichtlichen Auftrag nur unter Beiziehung und somit in Anwesenheit der Parteien durchführen soll, nicht jedoch dann, wenn nach dem Inhalt des Gutachtensauftrags oder nach den Verfahrensvorschriften nur das rechtliche Gehör gewahrt werden soll, die Befundaufnahme jedoch im Fall des Ausbleibens einer Partei durchzuführen ist. Obermaier vertritt weiters die Auffassung, dass zum Grundhonorar nach TP 3 A III RATG nur der einfache Einheitssatz gebührt, weil die nach TP 3 A III RATG zu honorierende Leistung im nach wie vor unverändert gebliebenen § 23 Abs 5 RATG nicht aufgezählt ist und nach der Systematik des RATG niemals ein doppelter Einheitssatz gebührt, wenn Reisekosten zu verrechnen sind.
Der erkennende Senat schließt sich diesen Argumenten nicht an: Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht dem Sachverständigen aufgetragen, die Parteien und ihre Vertreter von einer allfälligen Befundaufnahme rechtzeitig zu verständigen. Diese Formulierung kann nicht anders verstanden werden als dahin, dass die Parteien zur Befundaufnahme zu laden sind. Ergeht der Auftrag an den Sachverständigen, den Parteien Gelegenheit zur Teilnahme an der Befundaufnahme zu geben, so gibt das Gericht damit zu erkennen, dass es die Beiziehung der Parteien für notwendig erachtet. Der Auftrag der Verständigung ist ein ausdrücklicher Auftrag, weshalb die Kosten für die Teilnahme an der Befundaufnahme in diesem Fall nach TP 3 A III RATG zu bestimmen sind (in diesem Sinn auch MietSlg. 59.555 noch zur Rechtslage vor dem BRÄG 2008; ebenso OLG Wien 2 R 131/09p; OLG Wien 13 R 92/09h; gegenteilig: OLG Wien 4 R 177/08s). Ebensowenig ist dem Argument zu folgen, dass für die Teilnahme an der Befundaufnahme nur der einfache Einheitssatz zusteht. TP 3 A III RATG idgF verweist ausdrücklich darauf, dass für die Teilnahme an der Befundaufnahme durch Sachverständige in allen Verfahren die im Abschnitt II festgesetzte Entlohnung gebührt. Damit verweist TP 3 A III zur Honorierung auf TP 3 A II RATG. TP 3 A II RATG ist aber ausdrücklich in § 23 Abs 5 RATG enthalten, in welchem der doppelte Einheitssatz geregelt ist (ebenso OLG Wien 13 R 118/09g). Damit liegt entgegen der in der Entscheidung 2 R 216/08m des OLG Wien vertretenen Ansicht eine gesetzliche Regelung (durch Verweisung) über die Honorierung mit dem doppelten Einheitssatz vor.
Dem unberechtigten Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 40, 50 ZPO.
Der Ausspruch über die generelle Unzulässigkeit des weiteren Rechtszuges gründet auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO. Oberlandesgericht Wien
1016 Wien, Schmerlingplatz 11
Anmerkung
EW0070411R158.09zEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0009:2009:01100R00158.09Z.0928.000Zuletzt aktualisiert am
12.01.2010