Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling, Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** AG, *****, vertreten durch Dr. Hans Böck, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Elena P*****, vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wien, wegen 13.367,11 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. März 2009, GZ 12 R 200/08g-41, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 3. September 2008, GZ 20 Cg 1/06y-37, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 908,64 EUR (darin 151,44 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte verfügte seit November 1995 über ein Girokonto mit einem Überziehungsrahmen von (zuletzt) 12.456,74 EUR bei der klagenden Partei. Deren AGB sehen vor, dass sie berechtigt ist, Giroverträge ohne Angabe von Gründen jederzeit unter Setzung einer angemessenen Frist und bei Vorliegen eines wichtigen Grundes mit sofortiger Wirkung zu beenden.
Infolge Überschreitung des Überziehungsrahmens durch die Beklagte forderte die klagende Partei sie mit Schreiben vom 22. 11. 2004 auf, innerhalb einer 14-tägigen Frist eine Einzahlung zu leisten, durch die der Debetsaldo des Kontos wieder innerhalb des Überziehungsrahmens liegen sollte. Mangels rechtzeitigen Zahlungseingangs stellte die klagende Partei mit eingeschriebenem Schreiben vom 23. 12. 2004 die Forderung aus dem „Überziehungskredit" mit sofortiger Wirkung fällig und forderte die Beklagte auf, bei sonstiger gerichtlicher Geltendmachung des Betrags, diesen binnen 14 Tagen einzuzahlen. Noch am selben Tag (23. 12. 2004) leistete die Beklagte eine Zahlung mit Wertstellung der Gutschrift per 24. 12. 2004, wodurch der Kontostand ein Debetsaldo von 12.094,17 EUR aufwies, sich also innerhalb des Überziehungsrahmens befand. Mit Schreiben vom 29. 12. 2004 bekämpfte die Beklagte die Fälligstellung des Überziehungskredits.
Aufgrund dieser Differenzen schlossen die Streitteile am 20. 1. 2005 folgende Vereinbarung deren (unstrittiger) Inhalt auszugsweise lautet:
„Zahlungsvereinbarung
...
Sehr geehrte Frau ...,
wir beziehen uns auf Ihren Zahlungsvorschlag vom 20. 1. 2005 und erklären uns bis auf Widerruf damit einverstanden, dass Sie die auf dem oben angeführten Konto aushaftende und fällige Forderung in monatlichen Raten á 250 EUR zahlbar immer bis zum 15. eines jeden Monats, beginnend mit März 2005 abdecken.
Diese Vereinbarung ist mit 31. 12. 2005 befristet.
...
Diese Vereinbarung hebt die bereits eingetretene Fälligkeit der Gesamtforderung nicht auf, sondern schiebt lediglich die Geltendmachung der Forderung hinaus.
Wir erwarten, dass Sie die Zahlungstermine pünktlich einhalten. Andernfalls müssen wir unsere Forderung gerichtlich geltend machen."
Infolge Erkrankung geriet die Beklagte bei der Bezahlung der vereinbarten Raten neuerlich in Verzug. Mit Schreiben vom 22. 6. 2005 teilte die klagende Partei der Beklagten mit, dass sie die Forderung gerichtlich einbringlich machen werde. Am 23. 11. 2005 löste die klagende Partei schriftlich die Kontoverbindung gemäß Z 23 der AGB mit sofortiger Wirkung auf und forderte die Beklagte zur Einzahlung des (damals) fälligen Betrags von 13.244,94 EUR auf.
Die klagende Partei begehrt mit der am 2. 1. 2006 eingebrachten Klage von der Beklagten den im Revisionsverfahren nicht (mehr) strittigen Betrag von 13.367,11 EUR sA. Die Beklagte habe bei ihr ein Girokonto unterhalten und dieses vereinbarungswidrig überzogen, ohne rechtzeitig für eine Abdeckung zu sorgen. Es liege ein Girovertrag und kein in Raten abzustattender Kreditvertrag vor, weshalb § 13 KSchG nicht anwendbar sei.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klageabweisung und wendete ein, dass die am 20. 1. 2005 vereinbarten Raten bis Juli bezahlt worden seien. Ohne vorherige Mahnung sei die Kontoverbindung aufgelöst und die gesamte Forderung fällig gestellt worden. Die Klägerin sei nicht berechtigt, die gesamte Klageforderung ohne qualifizierte Mahnung iSd § 13 KSchG einzufordern. Die Fälligstellung im Dezember 2004 sei nicht wirksam erfolgt, weil sich der Kontostand im „Rahmen" befunden habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (im nunmehr zweiten Rechtsgang, nach Überbindung der Rechtsansicht des Berufungsgerichts im ersten Rechtsgang, wonach kein Fall des § 13 KSchG vorliege), zur Gänze statt.
Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung der Beklagten das Ersturteil und sprach (nachträglich) aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
Seine rechtliche Beurteilung lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Es begegne keinen Bedenken, dass die klagende Partei, nachdem die Beklagte ihrer Zahlungsverpflichtung aus der Giroverbindung nicht fristgerecht nachgekommen sei, die Forderung mit sofortiger Wirkung fällig gestellt habe.
Bereits im ersten Rechtsgang habe das Berufungsgericht dargelegt, weshalb hier § 13 KSchG nicht anwendbar sei. Zwar sei diese Bestimmung nicht nur auf Abzahlungsgeschäfte beschränkt, sondern auch auf Verträge über wiederkehrende Leistungen anwendbar, doch scheitere ihre Anwendung schon daran, dass die Beklagte ihre Verpflichtung eben nicht in Raten, sondern zur Gänze zu bezahlen gehabt habe. Die Beklagte habe auch von der Fälligkeit der gesamten Forderung nicht überrascht sein können. Aus der „Zahlungsvereinbarung" ergebe sich eindeutig, dass bloß eine reine Stundung, die die einmal eingetretene Fälligkeit nicht hinausschiebe, vereinbart worden sei. Der Schuldner bleibe dabei weiter in Verzug. Lediglich die Geltendmachung der Forderung sei hinausgeschoben worden. Die „Zahlungsvereinbarung" sei auch nicht als Neuerungsvertrag zu beurteilen. In Wahrheit sei nur eine Ratenzahlung bewilligt worden, die als bloße Änderung der Rückzahlungsmodalitäten iSd § 1379 ABGB zu beurteilen sei.
Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht (über Antrag der Beklagten gemäß § 508 ZPO) mit der Begründung zu, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob § 13 KSchG auf eine Ratenvereinbarung anzuwenden sei, die erst nach Fälligkeit der Gesamtforderung geschlossen worden sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im gänzlich klageabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grunde zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Die Rechtsmittelwerberin releviert als Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung die Frage der Anwendbarkeit des § 13 KSchG einerseits auf Ratenvereinbarungen nach Eintritt der Fälligkeit, andererseits auf „ein Kreditgeschäft, das in der Gewährung eines Überziehungsrahmens besteht".
Es entspricht herrschender Auffassung, dass § 13 KSchG nicht auf Abzahlungsgeschäfte (iSd §§ 16 ff KSchG) beschränkt ist, sondern für alle Verbraucherverträge über wiederkehrende Leistungen gilt (RIS-Justiz RS0065629; Krejci in Rummel ABGB³ § 13 KSchG Rz 1 und Rz 8; Kosesnik-Wehrle in Kosesnik-Wehrle/Lehofer/Mayer/Langer, KSchG² § 13 Rz 1; Mayrhofer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 13 KSchG Rz 3 ff; Kathrein in KBB² § 13 KSchG Rz 1).
Terminsverlust setzt voraus, dass der Verbraucher seine Schuld in Raten zu zahlen hat (Krejci aaO, Rz 7; Kosesnik-Wehrle aaO Rz 2). Ratio der Bestimmung des § 13 KSchG ist es zu verhindern, dass ein Verbraucher vom Terminsverlust überrascht wird (RIS-Justiz RS0065639; 7 Ob 46/99m = RdW 1999, 585 mwN; Mayrhofer aaO Rz 1; Kathrein aaO Rz 1). Durch die Geltendmachung des Terminsverlusts kommt es daher zur Vorverlegung des Fälligkeitstermins von Teilzahlungen (Binder in Schwimann, ABGB³ § 904 Rz 54 mwN).
Im hier zur Beurteilung anstehenden Fall bestand zwischen den Streitteilen ein Girovertrag. Durch diesen wird das Kreditunternehmen verpflichtet, Überweisungen an Dritte durchzuführen und Überweisungen von Dritten für den Kunden entgegenzunehmen (Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht² III, 20 ff). Die Einräumung eines Überziehungsrahmens schafft für den Kontoinhaber die Möglichkeit, innerhalb dieses Rahmens Verfügungen auch dann vorzunehmen, wenn das Konto kein Guthaben aufweist. Insoweit entspricht diese Vereinbarung einem Kontokorrentkreditvertrag. Dieser ist ein vom Darlehensvertrag verschiedener Vertrag, durch den sich der Kreditgeber verpflichtet, dem Kreditnehmer auf dessen Verlangen Zahlungsmittel derart zur Verfügung zu stellen, dass der Kreditnehmer sein Konto belasten darf, ohne dass dieses Deckung aufweist (3 Ob 540/84 = NZ 1985, 230 mwN). Solange die Vereinbarung aufrecht besteht und der Überziehungsrahmen nicht überschritten wird, besteht für den Kontoinhaber keinerlei „Verpflichtung" zur vorzeitigen Abdeckung eines solchen Saldos. Zahlungen während der Rechnungsperiode haben keine Tilgungsfunktion, sondern verändern (zunächst) nur den buchmäßigen Saldo (Schuhmacher in Straube, HGB online § 355 Rz 17). Bei Überschreitung des Rahmens hingegen hat die Bank einen sofortigen Anspruch auf Rückführung des Kontos unter den vereinbarten Rahmen (vgl 2 Ob 273/98f = ÖBA 2001, 178/940). Ein derartiger Vertrag kann soweit er (wie hier) ein Dauerschuldverhältnis begründet, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes jederzeit gelöst werden (RIS-Justiz RS0019365). Bei Beendigung der Überziehungsvereinbarung ist der Kontoinhaber zur Abdeckung des Debetsaldos und nicht zur wiederkehrenden Leistungsvereinbarung verpflichtet. Der auch in dritter Instanz vertretenen Auffassung der Rechtsmittelwerberin, dass es sich beim hier gegenständlichen „Überziehungskredit" um einen Vertrag über „wiederkehrende" Leistungen handelt, kann daher nicht gefolgt werden.
Ebenso wenig ergibt sich aber eine Anwendbarkeit des § 13 KSchG aufgrund der Vereinbarung vom 20. 1. 2005. Mit ihren Ausführungen, dass die beklagte Partei die Klagsforderung gar nicht hätte fällig stellen dürfen, übergeht die Rechtsmittelwerberin zunächst, dass die Streitteile selbst in dieser Vereinbarung ausdrücklich von der Fälligkeit der gegenständlichen Forderung ausgingen.
Die Frage, ob eine Stundung, bei der gleichzeitig der Eintritt der Fälligkeit hinausgeschoben werden soll, oder eine „reine" (schlichte, abgeschwächte) Stundung vorliegt, die nur die Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruchs hinausschiebt (Binder in Schwimann, ABGB³ § 904 Rz 50; Bollenberger in KBB² § 904 Rz 4 mwN), kann nur durch die Auslegung der jeweiligen Vereinbarung beantwortet werden. Die vom Berufungsgericht (bereits im ersten Rechtsgang) vertretene und dem Erstgericht gemäß § 499 Abs 2 ZPO überbundene Rechtsansicht, dass die vorliegende Vereinbarung so zu verstehen sei, dass damit die bereits eingetretene Fälligkeit der Klageforderung nicht berührt werden, sondern lediglich der Beklagten die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, den bereits fälligen Betrag in Raten abzustatten, ist unbedenklich (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO und schon vom Wortlaut der Urkunde her gedeckt). Dasselbe gilt für die Verneinung des Vorliegens einer Novation. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung 6 Ob 244/00a (ÖBA 2002, 488/1036 mit zust Anm von Hirsch) die „Umänderung" eines durch einen immer wieder ausnützbaren Kreditrahmen gewährten Kredits (der bei Einräumung einer Überziehungsmöglichkeit auf einem Girokonto ebenso besteht wie bei einem Kontokorrentkredit) in einen Abstattungskredit als bloße Änderung der Rückzahlungsmodalitäten iSd § 1379 ABGB durch Bewilligung der Ratenzahlung qualifiziert.
Insgesamt fehlt es daher an den für die Anwendung des § 13 KSchG erforderlichen Voraussetzungen. Durch diese Bestimmung soll der Verbraucher - wie oben dargelegt - vor der überraschenden Fälligstellung des gesamten Entgelts geschützt werden. Hier war der Klagsbetrag aber bereits im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom 20. 1. 2005 zur Gänze fällig (sodass es auch nicht auf die in Revision gerügten sekundären Feststellungsmängel im Zusammenhang mit dem zeitlich davor liegenden Schriftverkehr zwischen den Streitteilen ankommt). Die vereinbarte „reine" Stundung beseitigte nicht den objektiven Verzug (6 Ob 536/90 = ÖBA 1990, 639). Die Beklagte kann hier daher als nicht schutzwürdig iSd § 13 KSchG angesehen werden, war doch durch die zitierte Vereinbarung eindeutig klargestellt, dass die klagende Partei bei nicht pünktlicher Einhaltung der der Beklagten eingeräumten Ratenzahlungsmöglichkeit ihre Forderung gerichtlich geltend machen würde.
Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E92024European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0080OB00099.09F.0929.000Im RIS seit
29.10.2009Zuletzt aktualisiert am
09.12.2010