TE OGH 2009/9/29 8Ob113/09i

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Veröffentlicht am 29.09.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erika G*****, vertreten durch Mag. Johannes Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Oberarzt Dr. B*****, und 2.) S*****, beide vertreten durch Dr. Alfred Boran, Rechtsanwalt in Wien, wegen 132.478,03 EUR sA und Feststellung (Feststellungsinteresse 20.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien (Revisionsinteresse 147.478,03 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Mai 2009, GZ 11 R 35/09m-68, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Es entspricht der ständigen Judikatur, dass der Arzt im Rahmen des Behandlungsvertrags den Patienten über Art und Schwere sowie die möglichen Gefahren und schädlichen Folgen einer Operation zu unterrichten hat (RIS-Justiz RS0038176). Die ärztliche Aufklärung soll den Patienten dabei in die Lage versetzen, die Tragweite seiner Einwilligung zu überschauen (RIS-Justiz RS0026413). Die Aufklärungspflicht reicht umso weiter, je weniger der Eingriff aus Sicht eines Patienten vordringlich ist (RIS-Justiz RS0026772). Gerade über typische mit einer Operation verbundene Gefahren ist aufzuklären, auch wenn diese nicht häufig, aber speziell mit dem geplanten Eingriff verbunden sind. Auch insoweit besteht aber eine Aufklärungspflicht natürlich nur, soweit diese Risken erheblich und geeignet sind, die Entscheidung des Patienten zu beeinflussen (RIS-Justiz RS0026340; RS0026581; RS0026313; RS0026375). Genau von dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht auch ausgegangen. Die Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0026328; RS0026763 [T2]; RS0026529). Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung wird jedenfalls durch die konkreten Ausführungen der Revision nicht aufgezeigt. Soweit die Revision vermeint, dass die Komplikation doch deshalb nicht „typisch" im Sinne der Rechtsprechung gewesen sein könne, da sie ja nicht im Bereich der Operation im Bauchraum aufgetreten sei, sondern in den unteren Extremitäten, ist darauf zu verweisen, dass eine Einschränkung dahin, dass die Komplikationen am gleichen Körperteil auftreten müssten, an dem die Operation durchgeführt wird, der Rechtsprechung nicht entnommen werden kann - zumal gerade dies beim hier vorliegenden Krankheitsbild des Compartmentsyndroms typisch ist (siehe hiezu die detaillierte Beschreibung in S 24 ff des Ersturteils). Auch ändert sich an der Typizität nichts dadurch, dass die Komplikation nicht auf den Eingriff selbst, sondern auf die dabei verwendete Lagerung zurückzuführen ist. Dass diese Lagerung auch bei anderen Operationen verwendet wird, vermag ebenfalls kein relevantes Unterscheidungskriterium darzustellen. Es mag nun dahingestellt bleiben, inwieweit bei der hier vorliegenden spezifischen Art von „Durchblutungsstörung" (Minderdurchblutung) im Hinblick auf den geringen Prozentsatz der auftretenden Komplikationsfälle im Gesamtzusammenhang tatsächlich noch eine konkrete Aufklärungspflicht besteht. Finden sich dazu doch auch keine näheren Ausführungen in der Revision. Jedenfalls aber sind unter dem Aspekt des Grundgedankens und Zweckes der Aufklärungspflicht, dass der Patient gerade bei nicht vordringlichen Operationen entsprechend seinem Selbstbestimmungsrecht in die Lage versetzt werden soll, vor seiner Zustimmung die Risken der Operation einzuschätzen (RIS-Justiz RS0026413; RS0118355 jeweils mzwN), die Operationsdauer und die damit notwendigerweise verbundenen Risken von Relevanz. Insoweit macht es für den Patienten zweifellos auch einen nicht unwesentlichen Unterschied, ob ihm mitgeteilt wird, dass seine Operation lediglich etwa drei bis dreieinhalb Stunden dauert oder im „Normbereich" - wie hier festgestellt wurde -, sogar fast sechs Stunden (verbunden mit den sodann auch tatsächlich aufgetretenen schwerwiegenden Dauerkomplikationen) dauern kann.

Hinsichtlich der Ausführungen zu einer allfälligen weiteren Schadensursache durch die „Anti-Thrombose-Strümpfe" hat das Berufungsgericht (S 20 f seines Urteils) darauf verwiesen, dass es an einem dahingehenden Vorbringen gemangelt hat. Inwieweit diese Annahme des Berufungsgerichts nicht zutreffen sollte, zeigt die Revision nicht auf.

Textnummer

E92151

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0080OB00113.09I.0929.000

Im RIS seit

29.10.2009

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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