TE Vfgh Erkenntnis 1998/6/8 B2919/97

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Veröffentlicht am 08.06.1998
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §88

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung der Wortfolge "eines Dienst- oder" in §9 Abs4 EStG 1988 idF BGBl 818/1993 (Jubiläumsgeldrückstellung) mit E v 09.12.97, G403/97. Die von der Beschwerdeführerin für die Erstattung der Replik begehrten Kosten waren nicht zuzusprechen, da es sich um keinen abverlangten Schriftsatz handelt und die Erstattung der Gegenäußerung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht geboten war (VfSlg. 11491/1987, 13308/1992).

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit S 20.500,- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführende Aktiengesellschaft machte in ihrer Körperschaftsteuererklärung 1995 die Zuweisung zur Jubiläumsgeldrückstellung in näher bestimmter Höhe als Betriebsausgabe geltend.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 3. November 1997 wies die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den - die Bildung der Jubiläumsgeldrückstellung steuerlich nicht anerkennenden - Körperschaftsteuerbescheid 1995 unter Hinweis auf §9 Abs1 EStG 1988 idF BGBl. 818/1993 ab.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 9. Dezember 1997, G403/97, die Wortfolge "eines Dienst- oder" in §9 Abs4 EStG 1988, BGBl. 400/1988, idF des ArtI Z6 des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. 818/1993, als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher im Anlaßfall so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits im Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte (VfSlg. 12676/1991).

Dem in Art140 Abs1 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (zB VfSlg. 13067/1992, 13225/1992, 13313/1992, 13566/1993).

3. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren fand am 9. Dezember 1997 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 2. Dezember 1997 eingelangt, war also im Zeitpunkt der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig. Der Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wandte bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich diese Gesetzesanwendung für die Beschwerdeführerin als nachteilig erweist.

Es war daher auszusprechen, daß die Beschwerdeführerin durch den bekämpften Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt wurde (vgl. etwa VfSlg. 10736/1985, VfGH 29.9.1994, B792/92).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

III. 1. Die Kostenentscheidung

beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,- sowie der Ersatz der gemäß §17a VerfGG zu entrichtenden Gebühr in der Höhe von S 2.500,-

enthalten.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B2919.1997

Dokumentnummer

JFT_10019392_97B02919_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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