TE OGH 2009/9/30 9ObA2/09y

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Veröffentlicht am 30.09.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei P***** K*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler und Dr. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, Josef Pongratz-Platz 1, 8011 Graz, vertreten durch Destaller Mader Niederbichler Rechtsanwälte in Graz, wegen 6.344,80 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. November 2008, GZ 7 Ra 92/08s-27, womit das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. Juni 2008, GZ 25 Cga 18/08s-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Mit der 72. Änderung wurde in die Dienstordnung A (DO.A) für Verwaltungsangestellte, Pflegepersonal und zahntechnische Angestellte bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs ab 1. 7. 2006 die Bestimmung des § 37i eingefügt. Diese sieht (in Abweichung von der Basiseinreihung gemäß § 37e Abs 1 Z 1 DO.A) die Einreihung von LeiterInnen der Außenstellen (bei zentraler Leitung) in die Gehaltsgruppe D, Dienstklasse II, vor, wenn die Außenstelle weniger als fünf Verwaltungsangestellte umfasst. Dies traf auch auf die Außenstelle der Beklagten in K***** zu, die der Kläger bis Ende 2006 leitete. Bereits im Jahr 2005 wurde im Eingangsbereich dieser Außenstelle durch Verglasung ein weiterer Büroraum abgetrennt und in der Folge als sog „One-Stop-Shop" verwendet. Betreut wurde dieser Bereich vom Kläger, ohne dass es dadurch zu einer Ausweitung der bisherigen Arbeitszeit kam. Den One-Stop-Shops, die von den Gebietskrankenkassen zum Teil in den Außenstellen selbst, zum Teil in eigenen Dienststellen errichtet wurden, liegt das Kundenbetreuungskonzept zugrunde, dass an einer Anlaufstelle spartenübergreifende Anträge (zB aus dem Bereich der Pensionsversicherung) gestellt und spartenübergreifende Auskünfte eingeholt werden können. Ähnliches wurde von der Beklagten schon zuvor unter dem Begriff „Allspartenservice" angeboten. One-Stop-Shops sind in der Praxis durch bestimmte bauliche und einrichtungsmäßige Maßnahmen, die einen behindertengerechten Zugang und eine gewisse Privatheit des Beratungsgesprächs gewährleisten, gekennzeichnet. Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage, gestützt auf § 37i Abs 1 Z 2 DO.A, rückwirkend die Einreihung in die Gehaltsgruppe E, Dienstklasse I, ab 1. 7. 2006. Nach dieser Bestimmung gebührt die begehrte Einstufung dem Leiter einer Außenstelle mit weniger als fünf Verwaltungsangestellten dann, wenn „der Außenstelle […] eine Dienststelle mit One-Stop-Shop-Standard angeschlossen" ist. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, eindeutige Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656 ua). Dies gilt auch für die Auslegung von Kollektivverträgen (9 ObA 74/03b ua), denen die DO.A zuzurechnen ist (RIS-Justiz RS0054394 ua). Dass sich der Oberste Gerichtshof bisher nicht ausdrücklich mit § 37i Abs 1 Z 2 DO.A befassen musste, begründet daher entgegen der Annahme des Revisionswerbers nicht schon per se eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO.

Zutreffend verweist der Revisionswerber darauf, dass der normative Teil eines Kollektivvertrags wie ein Gesetz nach den §§ 6, 7 ABGB auszulegen ist (RIS-Justiz RS0008807 ua). Richtig ist daher auch, dass einer kollektivvertraglichen Regelung gemäß § 6 ABGB kein anderer Verstand beigelegt werden darf, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet (RIS-Justiz RS0008782 ua). Im vorliegenden Fall müssen die in § 37i DO.A enthaltenen Ausnahmen nicht in allen denkbaren Facetten ausgelotet werden. Prozessentscheidend ist, dass die Voraussetzungen des vom Kläger geltend gemachten Ausnahmetatbestands des § 37i Abs 1 Z 2 DO.A schon nach der gemäß § 6 ABGB maßgeblichen eigentümlichen Bedeutung der Worte nicht vorliegen. Der Begriff „Dienststelle" wird in der DO.A zwar nicht ausdrücklich definiert, kommt aber in verschiedenen Bestimmungen (zB in den §§ 37i, 37j, 58, 69, 70 DO.A) vor, die den Verweis des Berufungsgerichts auf das allgemeine Verständnis von einer Dienststelle im Verwaltungsrecht (vgl etwa Antoniolli/Koja, Verwaltungsrecht³ 331 ff ua) als durchaus naheliegend erscheinen lassen. Dies wird auch vom Revisionswerber nicht substantiiert beanstandet. Sieht man danach auch in der Dienststelle im Sinn des § 37i Abs 1 Z 2 DO.A eine organisatorische Einheit mit einer gewissen Selbständigkeit, die auch in personeller und sachlicher Hinsicht entsprechend dotiert ist, dann ergibt schon der erste Zwischenbefund, dass dem Wunsch des Klägers nach einer Einreihung in die Gehaltsgruppe E der Wortlaut des § 37i Abs 1 Z 2 DO.A entgegensteht, weil der vom Kläger vormals geleiteten Außenstelle keine andere Dienststelle angeschlossen war. Es wurde lediglich ein zusätzlicher Raum in der Außenstelle eingerichtet, in dem der Kläger als Leiter der Außenstelle das One-Stop-Shop-Service abwickelte. Die Frage der Dislozierung der Dienststelle als allfälliges weiteres Erfordernis stellt sich mangels Dienststelle nicht.

Der Versuch des Revisionswerbers, ungeachtet des mangelnden Anschlusses einer anderen Dienststelle, vor allem den Aspekt des One-Stop-Shop-Standards der Außenstelle als bedeutsam für die Einreihung herauszustreichen, überzeugt bei systematischer Auslegung des § 37i Abs 1 DO.A nicht. Aus den darin geregelten weiteren Ausnahmen der Z 1, 3, 4 und 5 wird nämlich noch deutlicher, dass von den Kollektivvertragsparteien gezielt zwischen dem Anschluss einer eigenen Einrichtung (Z 1) oder dem Anschluss einer Dienststelle (Z 2) und dem Vorhandensein bestimmter Merkmale unterschieden wird, die der Außenstelle selbst (oder ihrem Leiter) anhaften müssen, um sie unter den Außenstellen mit weniger als fünf Verwaltungsangestellten herauszuheben. Zu diesen, eine höhere Einstufung des Leiters rechtfertigenden Merkmalen einer Außenstelle gehören entweder eine Gruppengliederung „in der Außenstelle" (Z 3) oder die Durchführung regelmäßiger Veranstaltungen durch die Außenstelle zur betrieblichen Gesundheitsförderung bei den Dienstgebern (Z 4). Dazu kommt als fünftes, unmittelbar auf den Leiter der Außenstelle bezogenes Merkmal die inhaltliche und organisatorische Verantwortung für die Durchführung von Veranstaltungen für die Versicherten und ihre Dienstgeber und/oder für Vertragspartner (Veranstaltungsmanagement; Z 5). Es genügt daher im Fall der Ausnahmeregelung des § 37i Abs 1 Z 2 DO.A nicht, dass „in der Außenstelle" ein neu geschaffener Büroraum als One-Stop-Shop bezeichnet wird, verlangt doch diese Bestimmung ausdrücklich, dass der Außenstelle eine Dienststelle (mit One-Stop-Shop-Standard) angeschlossen wird.

Zu beachten ist auch, dass es sich bei der Einrichtung des One-Stop-Shops in der Außenstelle K***** nicht etwa um eine spätere Entwicklung handelte, die bei Abschluss der 72. Änderung der DO.A noch nicht vorhersehbar war. Die Situation, die der Kläger für die von ihm begehrte Einreihung in Anspruch nimmt, war vielmehr schon im Jahr 2005, also bereits vor der Einführung des § 37i DO.A ab 1. 7. 2006 gegeben. Dass aber gerade die Differenzierung zwischen dem Anschluss einer Einrichtung oder Dienststelle und dem Umstand, dass der Außenstelle selbst bestimmte, eine höhere Einreihung rechtfertigende Merkmale anhaften, in den Ausnahmenkatalog des § 37i DO.A einfloss, wurde bereits vorstehend erörtert.

Dem mangelnden Anschluss einer anderen Dienststelle setzt der Revisionswerber nichts Überzeugendes entgegen. Auf die individuelle Belastung des Leiters einer Außenstelle mit nicht mehr als fünf Verwaltungsangestellten nimmt § 37i Abs 1 DO.A nur im Fall der Verantwortung des Leiters für das Veranstaltungsmanagement gemäß Z 5 Bedacht. Derartiges ist aber nicht Gegenstand der Klage. Dass der Kläger als Leiter der Außenstelle K***** unter anderem Beratungstätigkeit im Rahmen des One-Stop-Shops verrichtete oder vermittelte, war sicher - auch wenn die Gesamtarbeitszeit gleich blieb - mit einer gewissen Belastung verbunden. Allerdings handelte es sich dabei um keine Belastung, für die in der DO.A die Einreihung in die Gehaltsgruppe E vorgesehen ist, wenn die Außenstelle weniger als fünf Verwaltungsangestellte umfasst. Die Mehrbelastung des Klägers wäre zweifellos eine größere gewesen, wenn seiner Außenstelle eine weitere Dienststelle zugeordnet worden wäre. Dass es hingegen schon genügt, dass die Außenstelle selbst ihr bisheriges Serviceangebot erweitert, indem sie One-Stop-Shop-Standard aufweist, sieht § 37i Abs 1 Z 2 DO.A - insbesondere auch im Vergleich mit den Ausnahmetatbeständen nach § 37i Abs 1 Z 3 bis 5 DO.A - gerade nicht vor.

Da vom Kläger keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird, ist seine außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Anmerkung

E923859ObA2.09y

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:009OBA00002.09Y.0930.000

Zuletzt aktualisiert am

18.12.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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