Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** C*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Kohlhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Bundestheater Holding GmbH, 1010 Wien, Goethegasse 1, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz, Rechtsanwälte in Wien, wegen 9.927,60 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Februar 2009, GZ 9 Ra 6/09g-42, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
I. Gegenstand des Verfahrens sind restliche Ruhegenussansprüche der Klägerin nach dem Bundestheaterpensionsgesetz (BThPG) für die Zeit vom 1. 2. 1998 bis 31. 12. 2001 in der Höhe von 9.927,60 EUR brutto sA. Die für die Zeit danach geltend gemachten Ansprüche hat die Beklagte aufgrund der rückwirkend mit 1. 1. 2002 in Kraft getretenen Änderung des BThPG durch die Dienstrechts-Novelle 2005 beglichen. Das Erstgericht hat das noch offene Klagebegehren wegen Verjährung abgewiesen und dies damit begründet, dass die Klägerin das am 21. 9. 1998 unterbrochene Verfahren erst am 1. 6. 2005 fortgesetzt habe. Dem hält die Revisionswerberin entgegen, dass die Fortsetzung des Verfahrens erst möglich bzw sinnvoll gewesen sei, als der VfGH mit Erkenntnis vom 15. 12. 2004, G 107/03, G 77/04, feststellte, dass § 5 Abs 8 BThPG idF BGBl I 1998/123 verfassungswidrig war und die als verfassungswidrig erkannte Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist.
II. Es trifft zu, dass zur Frage der Wirkung dieses Erkenntnis zwischen den Entscheidungen 9 ObA 55/05m einerseits und 9 ObA 131/06i andererseits ein Widerspruch besteht. In 9 ObA 55/05m wurde ausgesprochen, dass die als verfassungswidrig festgestellte Bestimmung auch über den Anlassfall hinaus nicht mehr anzuwenden ist. Demgegenüber wurde in der Entscheidung 9 ObA 131/06i erkannt, dass das genannte Erkenntnis des VfGH auf die vor seiner Fällung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalls keine Auswirkungen habe.
Die Klägerin steht auf dem in 9 ObA 55/05m vertretenen Standpunkt, dass § 5 Abs 8 BThPG idF BGBl I 1998/123 über den Anlassfall hinaus - und daher auch auf sie - nicht mehr anzuwenden sei. Demgemäß könne ihr Begehren nicht verjährt sein, weil die Verjährungsfrist auch hinsichtlich der von ihr in der Vergangenheit bezogenen monatlichen Leistungen erst mit der Aufhebung der zitierten Bestimmung zu laufen begonnen habe.
Die Frage nach der Wirkung des zitierten Erkenntnisses des VfGH muss aber - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - im vorliegenden Fall ebenso wenig geklärt werden, wie die von der Klägerin aufgeworfene Frage nach dem Beginn der Verjährungsfrist:
III.1. Mit der vom VfGH aufgehobenen Bestimmung des § 5 Abs 8 BThPG idF BGBl I 1998/123 wurde die Anrechnung von Dienstzeiten als Ballettdienstzeiten iSd § 5 Abs 7 BThPG von der Erfüllung bestimmter Kriterien abhängig gemacht.
III.2. In der am 14. 5. 1998 bei Gericht eingelangten Klage wurde diese Bestimmung nicht einmal erwähnt. Vielmehr stützte sich die Klägerin auf die Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs 1 lit a BThPG und begehrte die Feststellung, dass ihr Ruhegenuss ohne die dort vorgesehene Kürzung zu bemessen sei. Von der (Nicht-)Erfüllung der in § 5 Abs 8 BThPG idF BGBl I 1998/123 geforderten Kriterien war hingegen mit keinem Wort die Rede.
III.3. Obwohl das Verfahren, bis zu dessen Erledigung das hier zu beurteilende Verfahren unterbrochen worden war, bereits am 12. 8. 1999 rechtskräftig beendet wurde, hat die Klägerin das vorliegende Verfahren erst am 1. 6. 2005 fortgesetzt. Richtig ist, dass sie die Fortsetzung des Verfahrens vordergründig mit der am 25. 1. 2005 mit BGBl I 2005/4 kundgemachten Aufhebung des § 5 Abs 8 BThPG idF BGBl I 1998/123 begründete. Sie leitete daraus aber in ihrem Vorbringen keine Ansprüche ab; vielmehr stützte sie ihren nunmehr geltend gemachten Zahlungsanspruch - nachdem ihr Vorbringen zunächst unklar war - ausschließlich auf den Umstand, dass der Berechnung ihres Ruhegenusses nur die ab ihrem 15. Lebensjahr zurückgelegten Ballettdienstzeiten zugrunde gelegt worden seien, weshalb von einer anrechenbaren Ballettdienstzeit von nur 24 Jahren und 9 Monaten und nicht von einer Dienstzeit von 25 Jahren und 5 Monaten ausgegangen worden sei (s insb die ausdrückliche Erklärung S 88 des Aktes). Im weiteren Verfahren war daher nur mehr die Frage strittig, ob der Pensionsberechnung - wie die Klägerin geltend machte - auch die vor der Vollendung ihres 15. Lebensjahrs absolvierte Dienstzeit zugrunde zu legen ist. Diese Frage wurde vom Erstgericht mit einem auf die Zeit ab 1. 2. 2002 beschränkten Teil- bzw Zwischenurteil vom 18. 5. 2006 im Sinn des Standpunkts der Klägerin bejaht, vom Berufungsgericht und vom Obersten Gerichtshof hingegen verneint (näher 9 ObA 38/07i).
III.4. Da somit für den noch offenen Zeitraum vom 1. 2. 1998 bis 31. 12. 2001 der einzige zuletzt von der Klägerin noch aufrecht erhaltene Rechtsgrund weggefallen war, wurde sie vom Erstgericht zur „nachvollziehbaren Aufschlüsselung" ihres Begehrens aufgefordert. Erst jetzt, und zwar mit Schriftsatz vom 19. 8. 2008, brachte die Klägerin - wenn auch ohne jede nähere Konkretisierung - vor, dass die Beklagte bei der Festsetzung der Ruhegenussermittlungsgrundlage mit (nur) 62 % von der Nichterbringung der in § 5 Abs 8 BThPG idF BGBl I 1998/123 geforderten Kriterien ausgegangen sei. Näheres wurde dazu allerdings nicht vorgebracht. Insbesondere unterblieb auch jegliche Aufschlüsselung bzw Bezifferung eines auf die Aufhebung des § 5 Abs 8 BThPG idF BGBl I 1998/123 gestützten Anspruchs. Vorgetragen wurde dieser Schriftsatz in der Tagsatzung vom 17. 9. 2008. Mittlerweile waren seit der Kundmachung der Aufhebung des § 5 Abs 8 BThPG idF BGBl I 1998/123 mehr als drei Jahre und sieben Monate verstrichen. IV.1. Die von der Klägerin geltend gemachten Pensionsdifferenzansprüche unterliegen der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1480 ABGB (RIS-Justiz RS0034240; 8 ObA 57/07a).
IV.2. Die Einbringung einer Klage unterbricht die Verjährung nur für die in ihr geltend gemachten Ansprüche. Wird ein Anspruch erst mit einer Klageänderung geltend gemacht, ist für die Unterbrechungswirkung nicht die Einbringung der ursprünglichen Klage, sondern das Wirksamwerden der Klageänderung entscheidend. Wird die Änderung der Klage in einem Schriftsatz vorgenommen, so wird die Verjährungsfrist für den damit erhobenen Anspruch bereits mit seinem Einlangen bei Gericht unterbrochen; die Endgültigkeit der Unterbrechungswirkung ist allerdings vom Vortrag in der mündlichen Streitverhandlung abhängig (RIS-Justiz RS0034513; SZ 62/69; 2 Ob 65/98t; Bydlinski in Rummel³ § 1497 Rz 6).
IV.3. Hier hat die Klägerin mit ihrer 1998 eingebrachten Klage zunächst die Feststellung begehrt, dass ihr ein Ruhegenuss ohne die in § 5 Abs 1 lit a BThPG vorgesehene Kürzung zusteht. Dieses Begehren hatte mit § 5 Abs 8 BThPG idF BGBl I 1998/123 nichts zu tun. Ab der Fortsetzung des Verfahrens am 1. 6. 2005 machte sie ausschließlich die Anrechnung der von ihr vor dem 15. Lebensjahr zurückgelegten Dienstzeiten geltend. Auch dieser Anspruch hängt mit § 5 Abs 8 BThPG idF BGBl I 1998/123 in keiner Weise zusammen. Darauf, dass die Beklagte davon ausging, die Klägerin habe die in der zitierten Bestimmung geforderten Kriterien nicht erfüllt, berief sie sich - wenn auch völlig unkonkretisiert und unbeziffert - erstmals in ihrem Schriftsatz vom 19. 8. 2008. Selbst wenn man darin - trotz des nur vagen Vorbringens - eine (wirksame) Änderung des der Klage zugrunde liegenden Rechtsgrunds sehen wollte, wäre zu diesem Zeitpunkt und zum Zeitpunkt des Vortrags dieses Schriftsatzes in der mündlichen Verhandlung vom 17. 9. 2008 die dreijährige Verjährungsfrist selbst dann schon längst abgelaufen gewesen, wenn sie - wie die Klägerin meint - auch für die Ansprüche betreffend die Zeit von 1. 2. 1998 bis 31. 12. 2001 erst mit der Kundmachung des aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs zu laufen begonnen hätte. Wie Ansprüche verjähren, die aus der Aufhebung eines Gesetzes durch den VfGH mit Rückwirkungsanordnung oder aus der Feststellung, dass ein bestimmtes Gesetz verfassungswidrig war, resultieren, kann daher ebenso unerörtert bleiben, wie die Frage nach der Wirkung des mehrfach zitierten Erkenntnisses des VfGH. Eine Rechtsfrage der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität war daher nicht zu beurteilen.
Anmerkung
E923879ObA84.09gEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:009OBA00084.09G.0930.000Zuletzt aktualisiert am
18.12.2009