TE Vwgh Erkenntnis 2000/12/14 97/21/0134

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Veröffentlicht am 14.12.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §1;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §54 Abs2;
FrG 1993 §67 Abs1;
FrG 1993 §67 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des F, geboren am 29. Juli 1962, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 25. Februar 1997, Zl. Fr 1357/1-1996, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer, ein italienischer Staatsangehöriger, in Italien gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Diesen Ausspruch begründete sie im Wesentlichen wie folgt:

Die Anwendung der das sogenannte "Refoulement-Verbot" enthaltenden Bestimmung des § 37 Abs. 1 FrG setze voraus, dass die dort umschriebene Gefahr für den Fremden vom Staat ausgehe. Eine Bedrohung, die ohne Billigung durch staatliche Stellen nur von kriminellen Organisationen ausgehe, wie hier vom Beschwerdeführer geltend gemacht worden sei (Bedrohung seines Lebens wegen Preisgabe einiger Hintermänner der italienischen kriminellen Organisation "Mafia"), falle nicht darunter. Der Beschwerdeführer habe während des fremdenpolizeilichen Verfahrens keine aktuelle bzw. konkrete gegen ihn gerichtete Bedrohung aufzeigen können. Er habe lediglich auf einige bedauerliche Vorfälle in Italien verwiesen. Die global aufgezeigten Bedrohungen gegen seine Person seitens krimineller Organisationen gingen weder vom Staat aus noch würden diese von seinem Heimatstaat gebilligt. Dem Fremden, der eine Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 iVm § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG begehre, obliege glaubhaft zu machen, dass ihm aktuell, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort die genannten Gefahren drohten. Lege man den von der erstinstanzlichen Behörde auf Grund einer unbedenklichen Beweiswürdigung als maßgeblich festgestellten Sachverhalt zu Grunde, könne nicht davon gesprochen werden, dass dem Beschwerdeführer eine solche Glaubhaftmachung gelungen sei. Dies gelte auch für die allgemein gehaltenen Hinweise, dass die italienischen Behörden es nicht vermöchten, ihn zu schützen.

Die behördliche Zuständigkeit begründete die belangte Behörde damit, dass der Beschwerdeführer am 12. Dezember 1995 von der Bundespolizeidirektion Graz vernommen und ihm mitgeteilt worden sei, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes beabsichtigt sei. Gemäß § 67 Abs. 1 FrG richte sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Fremden im Inland, falls kein solcher errichtet sei nach seinem Aufenthalt zum Zeitpunkt des erstbehördlichen Einschreitens. Dieses Einschreiten habe am 12. Dezember 1995 durch die Bundespolizeidirektion Graz stattgefunden; der Beschwerdeführer sei am 3. Oktober 1996 in die Justizanstalt Klagenfurt überstellt worden. Er sei in Österreich nicht polizeilich gemeldet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 67 Abs. 1 FrG richtet sich die örtliche Zuständigkeit, sofern nicht anderes bestimmt ist, nach dem Wohnsitz des Fremden im Inland, falls kein solcher errichtet ist, nach seinem Aufenthalt zum Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens. Gemäß Abs. 2 richtet sich die örtliche Zuständigkeit zur Ungültigerklärung eines Sichtvermerks, zur Erteilung und zum Widerruf eines Abschiebungsaufschubs, zum Widerruf einer Wiedereinreisebewilligung sowie zur Verhängung der Schubhaft nach dem Aufenthalt.

Die Beschwerde tritt der Auffassung der belangten Behörde, dass der erste Kontakt des Beschwerdeführers mit der Fremdenpolizei am 12. Dezember 1995 während seines Aufenthaltes (Haft) in Graz stattgefunden habe, nicht entgegen. Sie meint, dass für die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag nach § 54 Abs. 1 FrG nicht dieser Zeitpunkt des ersten fremdenbehördlichen Kontakts, sondern der der Antragstellung nach § 54 FrG maßgeblich sei. Dieser Beschwerdeeinwand geht fehl. Unter der vom Beschwerdeführer und offensichtlich auch von der belangten Behörde vertretenen Annahme, dass der Beschwerdeführer über keinen inländischen Wohnsitz verfüge, ist die örtliche Zuständigkeit der Behörde nach dem zweiten Fall des § 67 Abs. 1 FrG zu prüfen. Entgegen der Beschwerdeauffassung bewirkt die gesetzlich (§ 54 Abs. 2 FrG) geforderte Verknüpfung des Verfahrens nach § 54 Abs. 1 FrG mit dem zu Grunde liegenden Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes, dass der genannte erste fremdenbehördliche Kontakt mit dem Ergebnis einer Zuständigkeit für beide Verfahren maßgebend ist. Für ein solches Ergebnis spricht auch der Umstand, dass § 67 Abs. 2 FrG eine besondere Zuständigkeitsregelung u.a. für das Verfahren zur Erteilung eines Abschiebungsaufschubes vorsieht, nicht jedoch für das Verfahren auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung, obwohl auch dem erstgenannten Verfahren ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung zu Grunde liegen muss. Der dem von der Beschwerde zur Stützung ihres Standpunktes herangezogenen hg. Erkenntnis vom 14. April 1994, Zl. 94/18/0114, zu Grunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem hier zu beurteilenden wesentlich dadurch, dass die damaligen Beschwerdeführer weder einen Wohnsitz noch einen Aufenthalt im Inland hatten. Nach dem Gesagten waren daher sowohl die erstinstanzliche als auch die belangte Behörde zur Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Italien zuständig.

Auch in der Sache ist der Beschwerde der Erfolg zu versagen:

Im Verfahren gemäß § 54 Abs. 1 FrG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Antragsteller mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen und von der Behörde das Vorliegen konkreter Gefahren für jeden einzelnen Fremden für sich zu prüfen. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 leg. cit. die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 19. Mai 2000, Zl. 96/21/0528.)

Die belangte Behörde führte zur Rechtsfrage aus, dass eine Verfolgung nur dann relevant im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG sei, wenn sie vom Staat ausgehe oder durch staatliche Stellen gebilligt werde. Damit verkannte sie zwar die Rechtslage, weil nach der eben dargelegten ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes eine Gefährdung im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG auch dann anzunehmen ist, wenn diese durch staatliche Organe nicht abgewendet werden kann. Dieser Rechtsirrtum ist jedoch nicht relevant.

In der bereits erwähnten Vernehmung vom 12. Dezember 1995 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er nehme die Absicht der Behörde, ihn nach Italien abzuschieben, zur Kenntnis, er möchte nicht nach Italien zurückkehren. Er möchte in Österreich bleiben, weil er seine Lebensgefährtin ehelichen und in Österreich eine Existenz aufbauen wolle. In Italien sei gegen seine Person kein Gerichtsverfahren anhängig und er sei keiner Verfolgung ausgesetzt. Mit seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid stellte er den Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Italien und begründete diesen im Wesentlichen damit, er habe im Strafverfahren die Namen seiner Hintermänner der Behörde preisgegeben und es sei somit zu befürchten, dass er von den nunmehr verratenen Hintermännern bzw. über deren Auftrag getötet werde. Auch eine Inhaftnahme durch die italienischen Behörden könne ihn nicht sichern; gerade die italienischen Behörden seien nicht in der Lage, Personen, die namhafte Kriminelle verraten hätten, vor Übergriffen und allfälligen Mordanschlägen entsprechend zu schützen. Damit hat der Beschwerdeführer keine relevante Gefährdung im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG - der Tatbestand des § 37 Abs. 2 leg. cit. kommt vorliegend nicht in Betracht - dargetan. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nämlich nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1999, Zl. 97/21/0804). Mit seinem oben erwähnten Vorbringen ist der Beschwerdeführer diesem Konkretisierungsgebot nicht nachgekommen.

Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, sie habe die "persönliche Einvernahme" des Beschwerdeführers unterlassen. Abgesehen davon, dass dem genannten Vorbringen des Beschwerdeführers ein derartiger Antrag nicht entnommen werden kann, unterlässt es die Beschwerde aufzuzeigen, zu welchen konkreten Feststellungen die belangte Behörde hätte im Fall einer Vernehmung des Beschwerdeführers gelangen können, die zu einem für ihn günstigen Ergebnis in der Sache geführt hätten. Die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wird somit nicht dargelegt.

Zusammenfassend kann daher die Ansicht der belangten Behörde, es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, stichhaltige Gründe für die Annahme glaubhaft zu machen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Italien im Sinn des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG gefährdet oder bedroht sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. Dezember 2000

Schlagworte

örtliche Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997210134.X00

Im RIS seit

09.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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