Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Ursula K*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Hotter, Rechtsanwalt in Mödling, gegen die beklagte Partei Brigitta K*****, vertreten durch GNBZ GRAFF NESTL BAURECHT Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Aufkündigung und Räumung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 20. Mai 2009, GZ 38 R 279/08y-21, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom 26. September 2008, GZ 8 C 380/07p-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 373,68 EUR (darin enthalten 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft, auf der ein Einfamilienhaus errichtet ist. Am 15. 1. 1999 schloss sie mit der Beklagten einen schriftlichen Mietvertrag über dieses Einfamilienhaus, befristet auf fünf Jahre und daher mit 31. 1. 2004 endend. Unter Vertragspunkt X. „Vorzeitige Lösung" wurde vereinbart, dass neben den im § 30 Abs 2 MRG angeführten Kündigungsgründen gemäß Z 13 leg cit unter anderem der Verkauf der Liegenschaft als Kündigungsgrund gelte.
Das Mietverhältnis wurde von den Parteien nach dem 31. 1. 2004 stillschweigend fortgesetzt.
Die Klägerin kündigte der Beklagten das Bestandobjekt aus dem Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 13 MRG zum 31. 12. 2007 gerichtlich auf. Sie beabsichtige, das Einfamilienhaus zu verkaufen. Das Bestandobjekt unterliege gemäß § 1 Abs 2 Z 5 MRG nicht dem Mietrechtsgesetz. Im Übrigen sei der Verkauf der Liegenschaft als Kündigungsgrund schriftlich vereinbart worden und stelle einen für die Vermieterin wichtigen und bedeutsamen Umstand dar. Es gebe bereits zahlreiche Kaufanbote, die jedoch noch nicht unterfertigt worden seien. Der Erlös aus dem Verkauf solle der Altersvorsorge der Klägerin dienen. Der Verkehrswert der Liegenschaft betrage bestandfrei nahezu das Doppelte des Werts mit dem Bestandverhältnis, weshalb ein Verkauf der Liegenschaft vor Abschluss des Kündigungsverfahrens zu einem der Klägerin nicht zumutbaren finanziellen Verlust führen würde. Eine Kündigung nach erfolgtem Verkauf sei ihr nicht möglich.
Die Beklagte bestritt das Vorliegen eines wichtigen, die Aufkündigung rechtfertigenden Kündigungsgrundes. Das Mietverhältnis unterliege dem MRG, sodass insbesondere auch dessen Kündigungsbeschränkungen anzuwenden seien. Ein vertraglich vereinbarter Kündigungsgrund müsse demnach konkret angeführt werden; der allgemeine Tatbestand des Verkaufs reiche nicht aus, ebensowenig die bloß allgemeine Absicht des Verkaufs.
Das Erstgericht hob die gerichtliche Kündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision zu. Mit der MRN 2001 sei durch § 1 Abs 2 Z 5 MRG eine weitere Vollausnahme vom Anwendungsbereich des MRG anstelle der bis dahin bestehenden Teilausnahme für Ein- und Zweiobjekthäuser geschaffen worden. Diese Bestimmung gelte nach der Übergangsregel des § 49d Abs 2 MRG nur für neue, nach dem 31. 12. 2001 geschlossene Mietverträge. Die stillschweigende Verlängerung eines vor Inkrafttreten der MRN 2001 abgeschlossenen Mietvertrags stelle aber nicht den Abschluss eines neuen, sondern bloß die Fortsetzung des alten Vertrags dar. Der hier zu beurteilende Vertrag falle daher weiterhin unter die Kündigungsbeschränkungen des MRG. Danach müssten aber Tatsachen, die einen vereinbarten Kündigungsgrund bilden sollen, bereits im Mietvertrag konkret angeführt sein. Allein die Nennung eines allgemeinen Tatbestands wie „Verkauf" reiche nicht aus. Im Übrigen hätten die Streitteile in Punkt X. des Mietvertrags die Aufkündigung desselben aus den im § 30 Abs 2 MRG angeführten Kündigungsgründen vereinbart, sodass auch aufgrund vertraglicher Vereinbarung von der Anwendbarkeit der Kündigungsbestimmungen des MRG auszugehen sei. Letztlich habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 530/90 ausgesprochen, dass nur ein schon durchgeführter Verkauf des Bestandobjekts als Kündigungsgrund wirksam vereinbart werden könne - nicht aber die bloß erwogene Verwertung der Liegenschaft oder aussichtsreiche Verkaufsverhandlungen. Auch zahlreichen Entscheidungen, in denen die Vereinbarung des Verkaufs der Liegenschaft als berechtigtes Anliegen des Vermieters anerkannt worden sei, sei ein bereits erfolgter Verkauf der Liegenschaft zugrundegelegen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Wie bereits das Berufungsgericht dargelegt hat, wurden mit der Mietrechtsnovelle 2001 (MRN 2001) Mietgegenstände in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten vom Teilausnahmebereich des MRG heraus - und in den Vollausnahmebereich aufgenommen. Diese Änderung des MRG durch die MRN 2001 trat nach den Übergangsregelungen des § 49d MRG mit 1. 1. 2002 in Kraft und gilt nach Abs 2 leg cit ausdrücklich (nur) für Mietverträge, die nach dem 31. 12. 2001 geschlossen wurden. Nach Abs 4 der zitierten Bestimmung ist im Übrigen die MRN 2001 ab dem 1. 1. 2002 auch auf Mietverträge anzuwenden, die vor ihrem Inkrafttreten geschlossen worden sind.
Aus dem Zusammenhalt dieser Übergangsregelungen ergibt sich eindeutig, dass das hier zu beurteilende Einfamilienhaus nur dann aus dem Anwendungsbereich des MRG herausfiele, wenn der Mietvertrag als nach dem 31. 12. 2001 geschlossen zu qualifizieren wäre.
Unstrittig ist, dass der Mietvertrag vor diesem Datum geschlossen wurde, ebenso aber auch, dass die stillschweigende Vertragserneuerung nach diesem Zeitpunkt erfolgte.
Zur stillschweigenden Erneuerung bzw Vertragsverlängerung kommt es dann, wenn der Bestandnehmer die Bestandsache nach dem vereinbarten Endtermin weiter benützt, und der Bestandgeber es dabei „bewenden lässt" (§ 1114 ABGB; vgl auch Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21 § 29 MRG Rz 5). Mangels besonderer Vereinbarung bleiben die Bestimmungen des ursprünglichen Vertrags aufrecht, abgesehen von der Dauer des Mietvertrags, die in seinem Geltungsbereich § 29 Abs 3 MRG festlegt. Hinsichtlich aller anderen Vertragsbestandteile bleibt es daher beim ursprünglichen Vertrag.
Die stillschweigende Verlängerung eines Bestandvertrags selbst ist daher nicht als Mietvertrag, der im Sinne der Übergangsregelung der MRN 2001 nach dem 31. 12. 2001 geschlossen worden wäre, anzusehen. Mietverträge über Einfamilienhäuser, die vor diesem Zeitpunkt geschlossen und nach diesem Zeitpunkt stillschweigend verlängert wurden, fallen somit weiterhin in den Teilanwendungsbereich des MRG im Sinne der Fassung des § 1 MRG vor der MRN 2001. Der Verweis der Revisionswerberin auf Stabentheiner, Die miet- und wohnungseigentumsrechtlichen Teile der Wohnrechtsnovelle 2000, ist schon deshalb nicht zielführend, weil dort nicht die Mietrechtsnovelle 2001 behandelt wird.
Auf die Frage der mangelnden vertraglichen Vereinbarung der Bestimmungen des MRG, die die Revisionswerberin ebenfalls releviert, kommt es daher nicht an.
Dass ein vereinbarter Kündigungsgrund im Sinne des hier somit anzuwendenden § 30 Abs 2 Z 13 MRG bestimmt bezeichnet sein muss, entspricht der Judikatur und wird von der Rechtsmittelwerberin auch nicht bestritten. Sie ist vielmehr der Meinung, dass der hier vereinbarte Kündigungsgrund „Verkauf der Liegenschaft" ausreichend bestimmt sei und vom Vermieter nicht verlangt werden könne, die näheren Details des Verkaufs - also quasi dessen „essentialia negotii" - im Bestandvertrag festzuhalten. Unter der von der Judikatur geforderten konkreten Anführung des vereinbarten Kündigungsgrundes im Sinne des § 30 Abs 2 Z 13 MRG ist aber keineswegs verstanden worden, dass der Inhalt des vom Vermieter beabsichtigten Kaufvertrags im Bestandvertrag mit dem Mieter festgehalten werden müsste. Vielmehr muss nach der Judikatur der Umstand bestimmt bezeichnet werden, der für den Vermieter objektiv bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0070752). Jene Tatsache, die nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG einen Kündigungsgrund bilden soll, muss im Mietvertrag konkret angeführt sein, weil es nicht angeht, nur einen allgemeinen Tatbestand (zB Verkauf oder Eigenbedarf) zu nennen und die Konkretisierung der Kündigung zu überlassen (RIS-Justiz RS0070739). Diese Judikatur hat ihren Zweck darin, dass im Sinne des Kündigungsschutzes des Mieters die Umgehung der Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG nicht dadurch ermöglicht werden soll, dass zB im Mietvertrag die Veräußerung der Liegenschaft als wichtiger Umstand für die Kündigung ohne besonderes Bedürfnis des Vermieters nach dieser Auflösungsmöglichkeit vereinbart wird (RIS-Justiz RS0070712). Der Mieter muss daher keineswegs über den Inhalt eines beabsichtigten Vertrags über den Verkauf der Liegenschaft informiert, sondern vielmehr darüber aufgeklärt werden, welcher konkrete Umstand - zB ein ganz bestimmter Fall von Eigenbedarf (vgl RIS-Justiz RS0070712 [T3]) - den Kündigungsgrund auslösen soll.
Wenn auch in der Judikatur des Obersten Gerichtshofs der Verkauf eines Hauses mit nur ein oder zwei Bestandobjekten in manchen Entscheidungen für sich allein als bedeutsamer Umstand im Sinne des § 30 Abs 2 Z 13 MRG angesehen wurde (2 Ob 545/91 mwN; 7 Ob 657/88; 8 Ob 563/91), darf nicht übersehen werden, dass hier - vergleichbar der Entscheidung 4 Ob 530/90 - der vereinbarte Auflösungsgrund noch gar nicht eingetreten ist, weil das Haus noch nicht verkauft wurde. Dass der Klägerin ein Verkauf vor Beendigung des Bestandverhältnisses finanziell nicht zumutbar wäre, ist schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil sie selbst den Beendigungsgrund mit diesem Wortlaut vereinbart hat.
Selbst wenn der Gesetzgeber mit der Herausnahme der Einfamilienhäuser aus dem Anwendungsbereich des MRG durch die MRN 2001 zum Ausdruck gebracht haben wollte, dass die Schutzwürdigkeit der Mieter in diesem Bereich nicht dermaßen ist, um sie weiterhin dem Kündigungsschutz des MRG zu unterstellen - wie die Rechtsmittelwerberin meint -, hat er mit der eindeutigen Fassung der Übergangsbestimmung aber jedenfalls zum Ausdruck gebracht, dass dies auf Mieter solcher Objekte, die den Vertrag noch zur Zeit der Geltung der Kündigungsbeschränkungen - auch im Vertrauen darauf - abgeschlossen haben, nicht zutrifft. Für eine „Lockerung" der Judikatur in diesem Zusammenhang bietet das Rechtsmittel keine überzeugende Begründung und besteht hiefür - auch in Zusammenschau mit der Entwicklung der Judikatur zu § 30 Abs 2 Z 8 MRG - kein Anlass.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E92431European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00180.09S.1013.000Im RIS seit
12.11.2009Zuletzt aktualisiert am
20.07.2012