Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Annerl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Puck v***** T***** und eine andere wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter, dritter und fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB iVm § 12 zweiter Fall StGB, AZ 27 Hv 90/09k des Landesgerichts Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde des Puck v***** T***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 17. September 2009, AZ 7 Bs 461/09s (ON 85 der Hv-Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Puck v***** T***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Beschluss wurde der Beschwerde (ON 79) des Puck v***** T***** - gegen den die Staatsanwaltschaft am 5. Juni 2009 Anklage wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs 1 zweiter, dritter und fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 3 SMG, 15 StGB iVm § 12 zweiter und dritter Fall StGB erhoben hat (ON 42) - wider den Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 4. August 2009, GZ 27 Hv 90/09k-67, auf Fortsetzung der am 28. Mai 2009 (GZ 31 HR 365/09h-25) verhängten Untersuchungshaft nicht Folge gegeben und angeordnet, dass die freiheitsentziehende Provisorialmaßnahme aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a, lit b StPO fortzudauern habe.
Danach (BS 2 f, 9) ist v***** T***** dringend verdächtig, er habe im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Maria v***** T***** als Mittäter (§ 12 StGB) zu datumsmäßig nicht mehr exakt feststellbaren Zeitpunkten im Zeitraum zwischen Juni 2007 bis 21. September 2007 in Innsbruck, St. Gallen (§ 64 Abs 1 Z 4 StGB) und an anderen Orten gewerbsmäßig
I. einen namentlich nicht bekannten niederländischen Staatsangehörigen, der im Zuge dreier, jeweils unter Verwendung eines Pkw der Marke Ford Transit und Wählen einer unbekannten Fahrtroute durchgeführter Schmuggelfahrten vorschriftswidrig Suchtgift in einer unbekannten, insgesamt das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) aber jedenfalls weit übersteigenden und damit übergroßen Menge aus einem unbekannten Nachbarstaat Österreichs aus- und nach Österreich einführte und dort dem deswegen bereits rechtskräftig verurteilten Rupert K***** durch Übergabe überließ, zur Tatausführung bestimmt und gleichzeitig zu dieser beigetragen, indem sie die jeweiligen Fahrten organisierten, mit Rupert K***** die Übergabemodalitäten in Innsbruck vereinbarten, dem Suchtgiftkurier das Suchtgift mitgaben und diesem auftrugen, es zum vereinbarten Übergabeort nach Innsbruck zu bringen und dem Rupert K***** zu übergeben, und zwar:
1. im Zeitraum zwischen Juni und Juli 2007 hinsichtlich ca 1.000 Gramm Kokain (Reinheitsgehalt ca 35 %) und 1.500 Gramm Cannabis (Reinheitsgehalt ca 7,5 %),
2. Anfang September 2007 hinsichtlich ca 1.000 Gramm Kokain (Reinheitsgehalt ca 35 %),
3. am 18. September 2007 hinsichtlich ca 1.000 Gramm Kokain (Reinheitsgehalt ca 35 %) und zumindest 5.000 Gramm Cannabis (Reinheitsgehalt ca 7,5 %);
II. am 21. September 2007 in St. Gallen zur Tatausführung des deswegen bereits rechtskräftig verurteilten Rupert K*****, der am selben Tag durch den mit einem Pkw über St. Margarethen erfolgenden Schmuggel von 1.349,3 Gramm Amphetamin (reines Amphetamin ca 194 Gramm) und 833,2 Gramm (ca. 4.000 Stück) Ecstasy-Tabletten (reiner Wirkstoff an MDMA ca 170 Gramm) vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) jedenfalls weit übersteigenden Menge aus der Schweiz aus- und nach Österreich einzuführen versuchte, beigetragen, indem sie diesem die angeführten Suchtgifte im Zuge eines vereinbarten Treffens in St. Gallen für den Rücktransport nach Österreich übergaben,
wobei Puck v***** T***** schon einmal wegen einer Straftat im Sinn des § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war (35 Hv 156/05v des Landesgerichts Innsbruck).
Er habe demnach wie angeklagt das Verbrechen des teils versuchten, teils vollendeten Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs 1 zweiter, dritter und fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG, 15 StGB und zwar in Form der Bestimmungs- und Beitragstäterschaft nach § 12 zweiter und dritter Fall StGB und teilweise in Form der Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall StGB begangen (zum Verhältnis der Täterschaftsformen vgl Fabrizy in WK² § 12 Rz 112) zu verantworten (BS 1).
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerdeführer remonstriert ausschließlich gegen den dringenden Tatverdacht hinsichtlich des Anklagefaktums II und verkennt bei seiner Antragstellung in Richtung des Ausspruchs einer Grundrechtsverletzung, dass eine solche fallaktuell schon deshalb nicht vorliegen kann, weil bereits der unbekämpft gebliebene dringende Tatverdacht hinsichtlich der angeklagten Faktengruppe I hafttragend ist (RIS-Justiz RS0061132, zuletzt 15 Os 137/08y).
Der Vollständigkeit halber sei jedoch noch angemerkt:
Grundrechtsbeschwerden haben sich bei der Anfechtung der Begründung der Sachverhaltsannahmen des dringenden Tatverdachts vom argumentativen Aufbau her an den Nichtigkeitsgründen des § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO zu orientieren (Fabrizy, StPO10, GRBG § 10 Rz 1; RIS-Justiz RS0110146, RS0112012, RS0120817, RS0114488). Der Oberste Gerichtshof ist nicht dazu aufgerufen, als weitere Haftbeschwerdeinstanz eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der angefochtenen Entscheidung zu setzen.
Überdies gilt im Verfahren über Grundrechtsbeschwerden das Neuerungsverbot, maßgebender Zeitpunkt für die Prüfung durch den Obersten Gerichtshof ist somit die Beschlussfassung durch das Oberlandesgericht (RIS-Justiz RS0106584).
Auf die Argumentation mit den Ergebnissen der Hauptverhandlung vom 22. September 2009 war daher überhaupt nicht einzugehen. Das am Entscheidungstag vorhandene Aktenmaterial zum Alibivorbringen des Rechtsmittelwerbers hat das Oberlandesgericht ausführlich in seine Überlegungen miteinbezogen (BS 11 ff) und vermag die Grundrechtsbeschwerde keine Verstöße gegen Logik und Empirie in der Ableitung eines dringenden Tatverdachts (auch) hinsichtlich des Faktum II der Anklageschrift aufzuzeigen. Dass die angefochtene Entscheidung bei einem Teilaspekt in der Argumentation von einer „Möglichkeit" spricht (BS 13) und nicht - wie der Angeklagte wortkritisch einwendet - von einer „hohen Wahrscheinlichkeit", macht den Schluss auf den dringenden Tatverdacht insgesamt (s BS 9) keineswegs willkürlich (RIS-Justiz RS0117806).
Die keine Verletzung des verfassungsmäßig geschützten Rechts auf persönliche Freiheit aufzeigende Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen, zumal die Behauptung eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot (§§ 9 Abs 2, 177 StPO) ohne jegliches inhaltliches Vorbringen blieb.
Anmerkung
E9211311Os158.09hEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0110OS00158.09H.1013.000Zuletzt aktualisiert am
30.11.2009