Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krajina als Schriftführerin in der Strafsache gegen Heinz T***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten Christian H***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 18. Mai 2009, GZ 36 Hv 46/09f-176, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen B, C/I bis III, D und E sowie in den Strafaussprüchen einschließlich der Vorhaftanrechnung (nicht jedoch im Einziehungserkenntnis) und der unter einem gefasste Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Mit ihren Rechtsmitteln werden der Angeklagte Christian H***** und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Freisprüche enthält, wurden Heinz T***** (richtig:) mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG (B/I), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (B/II), (richtig:) jeweils mehrerer Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz, erster, zweiter und dritter Fall SMG (B/III), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Satz SMG (B/IV) sowie jeweils mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (B/V), Christian H***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall und Abs 2 Z 3 SMG (C/I) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 3 SMG (C/II), jeweils mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (C/III) sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffenG (C/IV), Mario O***** (richtig:) mehrerer (richtig:) Vergehen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall und Abs 3 SMG (D/I), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 3 SMG (D/II) sowie der Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz, erster und zweiter Fall SMG (D/III), James A***** (richtig:) mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 1 SMG und § 15 StGB (E) schuldig erkannt. Nach dem Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) haben in der Zeit von November 2007 bis zum 15. Jänner 2009 in Innsbruck, Wien und an anderen Orten (B) Heinz T***** vorschriftswidrig
I) 30 Gramm Heroin und 20 Gramm Kokain ein- und ausgeführt,
II) in zahlreichen Angriffen zumindest 422 Gramm Cannabis und 7 Gramm Kokain anderen überlassen,
III) 201,4 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von 56,4 Gramm mit dem Vorsatz erworben, besessen und befördert, dass es in Verkehr gesetzt werde,
IV) 7 Cannabispflanzen mit einem Gesamttrockengewicht von 566,3 Gramm und einem THC-Gehalt von 33 Gramm zum Zweck der Gewinnung einer die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftmenge angebaut und darüber hinaus
V) unbekannte Mengen Heroin, Kokain, Cannabis und LSD-Trips erworben
und besessen,
(C) Christian H*****
I) vorschriftswidrig in mehreren Angriffen jedenfalls 450 Gramm
Heroin und 245 Gramm Kokain ein- und ausgeführt,
II) vorschriftswidrig in mehreren Angriffen 300 Gramm Heroin anderen überlassen, darüber hinaus
III) vorschriftswidrig unbekannte Mengen Heroin, Kokain und Cannabis erworben und besessen und IV) eine verbotene Waffe, nämlich eine sog Pumpgun, unbefugt
besessen,
(D) Mario O***** vorschriftswidrig
I) in mehreren Angriffen 330 Gramm Kokain ein- und ausgeführt,
II) in mehreren Angriffen zumindest 119,5 Gramm Kokain, unbekannte Mengen Cannabis und 10 LSD-Trips anderen überlassen, wobei er die Straftat gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen einer solchen Tat verurteilt worden ist,
III) 93,9 Gramm Kokain mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, sowie
(E) James A***** in mehreren Angriffen vorschriftswidrig rund 369 Gramm Kokain (US 26) anderen überlassen und dies versucht, wobei er die Straftaten gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen einer solchen Tat verurteilt worden ist.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlass der - jeweils ausschließlich gegen den Schuldspruch C/I gerichteten - von Christian H***** aus Z 5, 5a und 8, von der Staatsanwaltschaft aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass der angefochtenen Entscheidung - wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt - mehrfach zum Nachteil aller Angeklagten der von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet:
Zum Schuldspruch des Heinz T***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (B/II) stellt das Erstgericht die Weitergabe von 7 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 25 % (US 16 iVm US 4), also 1,75 Gramm reines Kokain fest, trifft aber keine Konstatierungen zum THC-Gehalt der nach den Urteilsannahmen überdies weitergegebenen 422 Gramm Cannabis. Unter Berücksichtigung der Grenzmenge (§ 28b SMG) von 15 Gramm reinem Kokain tragen diese Feststellungen die vorgenommene Subsumtion nicht. Hinzu kommt, dass die Entscheidungsgründe zu diesem Punkt des Schuldspruchs auf den Urteilstenor verweisen, der (neben Kokain) eben die Weitergabe von Cannabis festhält (US 4, 5), und im Folgesatz einen „Reinheitsgehalt" von Heroin feststellen, sodass nicht einmal klar wird, von welchem Suchtmittel die Tatrichter insoweit ausgegangen sind.
Zu den übrigen Schuldsprüchen wegen Verbrechen des Suchtgifthandels (B/I, C/I und II, D/I und II, E) und Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel (B/III und IV, D/III) reichen in Bezug auf die Suchtgiftmengen die Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht hin:
So mangelt es den Urteilskonstatierungen hinsichtlich Heinz T*****, wonach es diesem bei den vom Schuldspruch B/I umfassten Taten darauf ankam, eine „große Menge" Suchtgift ein- und auszuführen (US 16), an dem unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion gebotenen Sachverhaltsbezug (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8). Zu den Schuldsprüchen B/III und B/IV lässt die angefochtene Entscheidung nicht erkennen, von welchem - für die Bestimmung der Grenzmenge entscheidenden - Reinheitsgehalt Heinz T***** ausgegangen ist (US 17). Die Feststellung zum Schuldspruch C/I, Christian H***** wollte eine „möglichst große Menge" Suchtgift ein- und ausführen und wusste, dass er insgesamt mindestens 450 Gramm Heroin und 245 Gramm Kokain „je guter Qualität" transportiert „hat" (US 20), bringt nicht den vom Gesetz geforderten Vorsatz in Bezug auf die jeweils tataktuelle Bruttosuchtgiftmenge und deren jeweiligen Reinsubstanzgehalt zum Ausdruck. Hinzu kommt, dass bei Erreichen der von § 28a SMG vorausgesetzten Suchtgiftmengen nur durch die Zusammenrechnung der Mengen aus mehreren Einzeltaten die kontinuierliche Begehung und der daran geknüpfte Additionseffekt von vornherein vom Vorsatz umfasst sein müssen (zuletzt 14 Os 94/08t), wozu die angefochtene Entscheidung keine Aussage trifft. Die fehlenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf den Reinheitsgrad betreffen auch den Schuldspruch C/II.
Hinsichtlich Mario O***** lassen die tatrichterlichen Feststellungen zum Schuldspruch D/I nicht erkennen, welche Bruttomenge Kokain vom auf etwa 25 bis 28 % Reinheitsgehalt ausgerichteten Vorsatz umfasst gewesen ist (US 24), zum Schuldspruch D/III fehlen Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf die Reinsubstanz (US 25). Zu D/II sind die Konstatierungen teils in Bezug auf die Bruttomengen, teils hinsichtlich der Reinsubstanzen unzulänglich (US 24, 25 iVm US 8, 9). Darüber hinaus trägt die Feststellung, Mario O***** habe bei den einzelnen Verkäufen bedacht, dass er auch künftig Suchtgift verkaufen will, um sich daraus eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 24), die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Tatbegehung, welche insoweit die Absicht voraussetzt, sich durch das wiederholte Überlassen von die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftquanten eine solche Einnahme zu verschaffen, nicht.
Auch zu James A***** (E) enthält das Urteil ausreichende Feststellungen zur subjektiven Tatseite weder in Bezug auf die tatverfangene Suchtgiftmenge noch hinsichtlich der gewerbsmäßigen Tatbebegehung (US 26).
Da nach Aufhebung eines Schuldspruchs nach § 28 oder § 28a SMG wegen fehlender Feststellungen zur insoweit subsumtionsrelevanten Suchtgiftmenge auch jene Annahmen, die einen - insoweit nicht erfolgten - Schuldspruch nach § 27 Abs 1 SMG allenfalls zu tragen vermögen, nicht bestehen bleiben, war die (gänzliche) Kassation der bislang genannten Schuldsprüche erforderlich (RIS-Justiz RS0115884; Ratz, WK-StPO § 289 Rz 18).
Mit Blick auf die Bestimmungen der §§ 35 und 37 SMG waren zudem die Schuldsprüche B/V und C/III aufzuheben.
Im Hinblick darauf erübrigt sich das Eingehen auf die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten Christian H***** und der Staatsanwaltschaft.
Mit ihren Berufungen waren diese auf die Kassation der Strafaussprüche zu verweisen, die ebenso wie jene des Widerrufs der bedingten Entlassung des James A***** aus der Aufhebung der bezeichneten Schuldsprüche folgt.
Anmerkung
E9212113Os99.09xEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0130OS00099.09X.1015.000Zuletzt aktualisiert am
04.12.2009