TE OGH 2009/10/15 13Os75/09t

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Veröffentlicht am 15.10.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krajina als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alfred T***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 12. März 2009, GZ 25 Hv 99/08w-15, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss (§ 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung (wegen des Ausspruchs über die Strafe) und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alfred T***** des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB schuldig erkannt. Demnach hat er am 16. September 2008 in Parndorf „Patricia W***** am Körper misshandelt, indem er sie in den ‚Schwitzkasten' nahm und hin und her schüttelte, wodurch er sie fahrlässig am Körper verletzte, nämlich ihr eine blutende Wunde im Bereich des rechten Ohres durch Herausreißen des Ohrringes zufügte".

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 8 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene, unter der Bezeichnung „Berufung im vollen Umfang" angemeldete (ON 16), in der Ausführung „Berufung wegen Nichtigkeit" genannte (ON 17) Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Eine Anklageüberschreitung (Z 8) liegt nicht vor:

Die Staatsanwaltschaft hatte Alfred T***** mit Anklageschrift vom 6. Oktober 2008 (ON 4), auf Schuldsprüche wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 und Abs 2 StGB (nachstehend Punkt I) und wegen des Verbrechens der „versuchten" Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB (II) gerichtet, zur Last gelegt, er habe am 16. September 2008 in Parndorf „Patricia W***** versucht,

I.) mit Gewalt gegen sie, und zwar indem er sie an ihrer Jacke packte, sie schüttelte, ihr das Mobiltelefon aus der Hand schlug, sie mit dem Arm um ihren Hals aus dem PKW zerren wollte und wiederum schüttelte, und indem er von ihr 100 Euro bzw 200 Euro forderte, eine fremde bewegliche Sache, und zwar diesen Betrag abzunötigen, was daran scheiterte, dass sie diesen nicht bei sich hatte, wobei er die Tat ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes beging und die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat; II.) mit dem Vorsatz, sich durch ihr Verhalten unrechtmäßig zu bereichern, durch die unmittelbar nach den unter I) beschriebenen Tätlichkeiten vorgenommenen Äußerung: ‚Wenn nicht bald passiert, was ich will, dann werd ich irgendwann sowieso alle umbringen', ‚wobei sie ja bei der Bank stehen bleiben solle', somit durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zu einer Handlung, die sie am Vermögen schädigen sollte, nämlich zur Bankomatbehebung des Betrages von 200 Euro und Übergabe an ihn zu nötigen, wobei es deshalb beim Versuch blieb, weil sie statt zum Bankomat zur nächsten Polizeiinspektion fuhr".

Das Erstgericht fällte gemeinsam mit dem genannten Schuldspruch einen Freispruch des Angeklagten „von dem weiters wider ihn erhobenen Vorwurf, er habe am 16. September 2008 in Parndorf versucht, von Patricia W***** durch die angeführte Gewaltanwendung einen Geldbetrag in der Höhe von 100 Euro bzw 200 Euro abzunötigen und habe überdies versucht, durch gefährliche Drohung Patricia W***** zur Ausfolgung eines Geldbetrages von 200 Euro zu nötigen".

Entgegen der Beschwerdeauffassung (Z 8), jene Tathandlung, die zur Körperverletzung geführt habe, falle „zeitlich mit den in der Anklageschrift dargestellten Tathandlungen (von welchen der Angeklagte freigesprochen wurde) auseinander", für welche die just auf „die angeführte Gewaltanwendung" Bezug nehmende Fassung des Freispruchs übrigens keinen Anhaltspunkt bietet, bezieht sich der Schuldspruch unzweifelhaft auf den von Punkt I der Anklage gemeinten Lebenssachverhalt, womit Anklageüberschreitung ausscheidet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 502).

Das Erstgericht verkannte, wie anzumerken ist, dass Schuld- und Freispruch in Ansehung ein und derselben Tat einander ausschließen (RIS-Justiz RS0120128), und gelangte so zu einem prozessual unbeachtlichen (Lendl, WK-StPO § 259 Rz 1) „Subsumtionsfreispruch" in Betreff eines Aspekts der mit Anklagepunkt I gemeinten Tathandlungen (den es mit einem Freispruch hinsichtlich der Tathandlungen laut Anklagepunkt II verband).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht mit dem Einwand, es fehle an einer Körperverletzung im strafrechtlichen Sinn, nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wonach durch die Tätlichkeiten des Angeklagten der Ohrring am rechten Ohrläppchen der Patricia W***** herausgerissen wurde, wobei am Ohrläppchen eine blutende Wunde verursacht wurde (US 4), sondern von der bloßen Betrachtung der „bei der Polizei festgestellten wenigen Blutstropfen", und erweist sich demnach als nicht prozessförmig.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), desgleichen die in der Verfahrensordnung zur Anfechtung kollegialgerichtlicher Urteile nicht vorgesehene Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§§ 280, 283 Abs 1 StPO).

Demnach hat das Oberlandesgericht über die Berufung (wegen des Ausspruchs über die Strafe) und die Beschwerde zu entscheiden (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Anmerkung

E9221913Os75.09t

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0130OS00075.09T.1015.000

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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