Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krajina als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter S***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Anita S***** sowie die Berufung des Angeklagten Peter S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 31. März 2009, GZ 11 Hv 177/08w-38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Beiden Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Anita S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 und 148 zweiter Fall, 15 StGB (A und B) schuldig erkannt. Danach hat sie - zusammengefasst und soweit für das Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren von Bedeutung -
(B) in Langenwang, Mürzzuschlag und anderen Orten von Herbst 2006 bis 2. Oktober 2008 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Berechtigte der Volksbank M***** (zu ergänzen: durch Täuschung über in den Schuldsprüchen näher bezeichnete Tatsachen) zu diese in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigenden Handlungen verleitet, und zwar
I. von Herbst 2006 bis Frühjahr 2008 in 17 (im Schuldspruch näher bezeichneten) Fällen durch die Vorspiegelung, sie werde die von der Volksbank vorfinanzierten Fahrzeuge verkaufen und den Erlös vereinbarungsgemäß umgehend auf das dortige Konto mit der Nummer ***** überweisen, zur Ausfolgung der als faktische Sicherheit übergebenen Typenscheine und zur Erteilung des damit verbundenen Einverständnisses zur Weiterveräußerung, wodurch sich die Volksbank ihrer wirtschaftlichen Befriedigungsmöglichkeit für den Fall der Nichtrückzahlung des Darlehens begab, sowie durch die Rückgabe teils kopierter, teils originaler Typenscheine und die damit verbundene Vorspiegelung, die von der Volksbank vorfinanzierten Fahrzeuge seien noch nicht verkauft, zur Abstandnahme von der Einhebung bzw Geltendmachung ihres Anspruchs auf Überweisung des jeweils aus den bevorschussten Fahrzeugen erzielten Verkaufserlöses (Schaden mehr als 220.000 Euro);
II. vom 15. Jänner bis 7. Mai 2008 in sechs Fällen durch die Vorgabe, sie werde vereinbarungsgemäß auf den Rechnungen an die (im Schuldspruch namentlich genannten) Käufer den Zessionsvermerk anbringen, wonach der Kaufpreis mit schuldbefreiender Wirkung nur an die Volksbank auf das Konto mit der Nummer ***** zu leisten sei, und somit dafür Sorge tragen, dass die bevorschussten Beträge direkt von den Endabnehmern an die Volksbank entrichtet würden, zur Vorfinanzierung der im Schuldspruch näher beschriebenen Fahrzeuge (Schaden mehr als 90.000 Euro);
Rechtliche Beurteilung
Die auf die Gründe der Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte - inhaltlich nur gegen die Schuldsprüche B/I und II gerichtete - Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten geht fehl. Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung der Beweisanträge auf Ladung und Vernehmung des Steuerberaters der Angeklagten, Michael K*****, „zum Beweis dafür, dass dieser im Namen der Angeklagten bereits Umschuldungsbemühungen mit anderen Instituten geführt hat, insbesondere die Zweitangeklagte zu diesem Zeitpunkt jedenfalls von einer Abdeckung des Gesamtobligos ohne Berücksichtigung der vorhandenen Sicherheiten ausgehen konnte" sowie auf Beiziehung eines Buchsachverständigen „zwecks Nachvollziehung der Kontobewegungen am Kreditkonto mit der Endnummer 0003, zumal die Volksbank M***** zu diesem Zeitpunkt nicht nur durch die simultan haftenden Höchstbetragshypotheken auf den beiden Liegenschaft(en) ausreichend besichert war, sondern darüber hinaus der von der Volksbank M***** eingeräumte Rahmen niemals ausgeschöpft war und auf dieses ‚Rahmenkonto' auch Einschüsse in Höhe von zumindest 190.000 Euro getätigt wurden" (ON 37 S 37 ff), Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt. Das allein maßgebliche Antragsvorbringen in der Hauptverhandlung (RIS-Justiz RS0099618) ließ einerseits eine Erheblichkeit des Beweisthemas nicht erkennen, weil Betrug keinen dauernden, sondern bloß einen für einen wirtschaftlich nicht ganz bedeutungslosen Zeitraum eingetretenen Schaden voraussetzt (RIS-Justiz RS0094383; Kirchbacher in WK2 § 146 Rz 69 und 74), der durch die Möglichkeit einer - regelmäßig mit Zeitverlust verbundenen - Verwertung der (im Übrigen nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den inkriminierten Handlungen hypothekarisch belasteten) Liegenschaften, unabhängig von deren Wert, nicht ausgeschlossen wird. Zudem war der Antrag auf Durchführung eines unzulässigen Erkundungsbeweises gerichtet, denn angesichts der Verantwortung der Beschwerdeführerin, wonach ihr gerade der beantragte Zeuge mitgeteilt habe, dass die Volksbank trotz der vorhandenen Sicherheiten keine weiteren finanziellen Mittel zur Verfügung stelle (ON 37 S 11 ff), wäre ein ergänzendes Vorbringen in der Hauptverhandlung vonnöten gewesen, weshalb die Vernehmung dieses Zeugen das behauptete, dazu im Widerspruch stehende Ergebnis hätte bringen sollen (RIS-Justiz RS0107040; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330). Gleiches gilt für die begehrte Beiziehung eines Buchsachverständigen, weil in diesem Zusammenhang nicht vorgebracht wurde, dass der angeblich auf das Kreditkonto einbezahlte Betrag von 190.000 Euro aus den inkriminierten Geschäften stammte, wodurch der Anklagevorwurf allenfalls (teilweise) hätte entkräftet werden können. Der Umstand bloßer Umschuldungsbemühungen (ohne behauptetes konkretes Ergebnis) kann schließlich auf die Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von vornherein keinen Einfluss haben. Entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) ließ das Erstgericht die Aussagen der Zeugen Wolfgang T*****, Frank B*****, Mag. Iris P***** und Robert R***** nicht unerörtert, sondern hielt sie ausdrücklich für glaubwürdig und legte sie seinen Feststellungen zugrunde (US 20). Davon abgesehen beinhalten diese Depositionen (vgl ON 37 19 ff) - die übrigens selbst nach dem Beschwerdevorbringen den Urteilsannahmen gar nicht entgegenstehen - unter dem Gesichtspunkt bestehender hypothekarischer Sicherheiten, wie bereits zur Verfahrensrüge ausgeführt, keine erheblichen, also für die Feststellung entscheidender Tatsachen relevante und als solche erörterungsbedürftige Beweisergebnisse (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 421). Der weiteren Mängelrüge zuwider wird in den Entscheidungsgründen nicht die von der Beschwerdeführerin gewählte Vorgangsweise, sondern in deren Anbetracht ihre Verantwortung als „geradezu absurd" bezeichnet (US 22). Dieser stellten die Tatrichter im Rahmen der beweiswürdigenden Erwägungen insbesondere das objektive Tatgeschehen und dessen Begleitumstände gegenüber (US 20 ff), ohne gegen Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungswerte zu verstoßen (RIS-Justiz RS0116732, RS0098671), weshalb der Einwand unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) ins Leere geht.
Zum im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) behaupteten Fehlen von Feststellungen den im Tatzeitraum aushaftenden Darlehenssaldo betreffend kann abermals auf die Ausführungen zur mangelnden Entscheidungsrelevanz in Beantwortung der Verfahrensrüge verwiesen werden. Die gesetzmäßige Darstellung eines Feststellungsmangels hätte zudem eines konkreten Hinweises auf ein in der Hauptverhandlung vorgekommenes, indizierendes Tatsachensubstrat bedurft (RIS-Justiz RS0118580).
Die weiteren Überlegungen dahingehend, ob es der Beschwerdeführerin angesichts der bestehenden Sicherheiten am Vermögensschädigungsvorsatz mangelte, und ob der Volksbank M***** durch entsprechende Besicherung der inkriminierten Geschäfte überhaupt objektiv ein Schaden entstanden sei, gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und verfehlen solcherart den gesetzlichen Bezugspunkt des geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0099810). Denn abgesehen davon, dass die hypothekarischen Sicherheiten nach dem Urteilsinhalt gerade nicht bei Abschluss dieser Geschäfte, sondern lange Zeit davor eingeräumt wurden (US 10 f), solcherart kein Äquivalent für die Leistungen der Getäuschten darstellen (vgl RIS-Justiz RS0094389 und RS0094217), wurde der Vermögensschädigungsvorsatz ebenso unmissverständlich konstatiert (US 19) wie das Fehlen ausreichender Sicherheiten zur Abdeckung der Verbindlichkeiten der Autohaus S***** KG, weshalb die Hinterlegung der Typenscheine für die von der Volksbank vorfinanzierten Fahrzeuge gerade vereinbart wurde (US 11 f).
Aus der Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Anita S***** schon bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d Abs 1 StPO) folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Berufung der Angeklagten.
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Anmerkung
E9222013Os85.09pEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0130OS00085.09P.1015.000Zuletzt aktualisiert am
10.12.2009