TE OGH 2009/10/20 4Ob153/09t

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Veröffentlicht am 20.10.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** A*****, vertreten durch Dr. Othmar Knödl und Mag. Manfred Soder, Rechtsanwälte in Rattenberg, wider die beklagte Partei L***** H*****, vertreten durch Dr. Georg Huber, Rechtsanwalt in Kufstein, wegen „Duldung" (Streitwert 7.000 EUR), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. April 2009, GZ 4 R 111/09s-25, womit das Urteil des Bezirksgerichts Schwaz vom 7. Jänner 2009, GZ 2 C 172/08f-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 556,99 EUR (darin 92,83 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Alleineigentümer einer aus Gst 163/2 bestehenden Liegenschaft, an die im Osten das Gst 163/3 des Beklagten angrenzt. Der Kläger begehrte das Urteil, der Beklagte als Eigentümer des Gst 163/3 sei schuldig es zu dulden, dass sich der Stützfuß der Stahlbetonstützmauer auf Gst 163/2 des Klägers mit einer Breite von ca 1,5 m auf Gst 163/3 befindet. Die Streitteile hätten aufgrund des starken Anstiegs des Geländes im Grenzbereich beider Grundstücke die Errichtung einer Betonstützmauer zwischen ihren Liegenschaften vereinbart. Der Beklagte habe ausdrücklich der Errichtung einer „L-Mauer", bei der sich der Stützfuß auf seinem Grundstück befinde, zugestimmt. Es sei daher zwischen den Parteien ein Dienstbarkeitsvertrag zustande gekommen, der es dem Kläger erlaube, den Stützfuß der Betonmauer auf dem Grundstück des Beklagten anzubringen und dort bestehen zu lassen. Da der Beklagte nunmehr behaupte, von den betreffenden Arbeiten weder Kenntnis gehabt noch dazu seine Erlaubnis erteilt zu haben, sei der Kläger „wegen der erforderlichen Rechtssicherheit" zur Klagsführung gezwungen. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe die Betonstützmauer ohne seine Zustimmung errichtet. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Ausgehend von den Feststellungen, der Kläger habe mit dem Beklagten über die Errichtung einer Betonstützmauer an der Grundstücksgrenze gesprochen, letzterer sei damit einverstanden gewesen, dass die Mauer als L-förmige Winkelstützmauer errichtet werde und dass im Fundamentbereich waagrecht zur Mauer auf dem Grundstück des Beklagten ein Stützfuß betoniert werde, der durch Hinterfüllen bis zur Mauer mit Erdreich überdeckt werden und in der Folge auf dem Grundstück des Beklagten verbleiben sollte, gelangte es in rechtlicher Hinsicht zum Ergebnis, durch die Vereinbarung der Streitteile sei ein Dienstbarkeitsrecht des Klägers begründet worden. Die (vorbeugende) Duldungsklage sei daher berechtigt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit der Maßgabe, dass es als Feststellungsurteil zu lauten hat: „Es wird festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, den mit einer Breite von ca 1,5 m in das Gst 163/3 des Beklagten hineinragenden Stützfuß der auf Gst 163/2 des Klägers errichteten Stahlbetonstützmauer auf dem Grundstück des Beklagten zu belassen." Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil es eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung sei, ob die Umdeutung eines Leistungsbegehrens (Duldungsbegehrens) in ein Feststellungsbegehren ohne Verstoß gegen § 405 Abs 1 ZPO auch dann zulässig sei, wenn der Kläger in der Berufungsbeantwortung die Auffassung vertreten habe, zur Erhebung einer „vorbeugenden Duldungsklage" berechtigt gewesen zu sein. Das Begehren einer Duldungsklage sei darauf gerichtet, dem Beklagten die Duldung bestimmter Handlungen aufzutragen; es sei hingegen nicht möglich, die „Duldung" eines bereits bestehenden Zustands klageweise zu begehren. Der Kläger habe zwar in der Berufungsbeantwortung die Zulässigkeit seines Begehrens als vorbeugende Duldungsklage verteidigt, andererseits aber schon in der Klage das erhobene „Feststellungsbegehren" mit 7.000 EUR bewertet. Auch ergebe sich aus dem gesamten Inhalt des Klagebegehrens, dass der Kläger ausdrücklich behaupte, zwischen den Parteien sei ein Dienstbarkeitsvertrag zustande gekommen, der es ihm erlaube, den Stützfuß der Betonmauer auf dem Grundstück des Beklagten zu errichten und dort bestehen zu lassen. Da der Beklagte eine solche Berechtigung des Klägers bestreite, handle es sich um eine Klage des Dienstbarkeitsberechtigten gegen denjenigen, der ihn an der Ausübung seines Rechtes hindere oder störe, also eine Servitutenklage (actio confessoria) nach § 523 ABGB, deren Begehren ua auf die Feststellung der Dienstbarkeit gerichtet sei. Das auf „Duldung" des Stützfußes gerichtete Klagebegehren sei somit nach dem ganzen Sachvorbringen als Feststellung einer Dienstbarkeit gegenüber dem Beklagten zu beurteilen, weshalb das Begehren dem tatsächlich angestrebten Rechtsschutzziel anzupassen und das angefochtene Urteil mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe zu bestätigen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig. Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ab.

1.1. Das Gericht darf dem Urteilsspruch eine klare und deutliche, auch vom Begehren abweichende, Fassung geben, sofern die Neufassung in den Behauptungen des Klägers ihre eindeutige Grundlage findet und sich im Wesentlichen mit seinem Begehren deckt (RIS-Justiz RS0039357; RS0037440). Bei der Neufassung des Urteilsspruchs hat sich das Gericht aber stets im Rahmen des vom Kläger Gewollten und damit innerhalb der von § 405 ZPO gezogenen Grenzen zu halten (4 Ob 32/03i mwN). Gegen § 405 ZPO wird verstoßen, wenn ein „plus" oder „aliud" zugesprochen wird. Maßgebend ist in diesem Zusammenhang nicht allein der Wortlaut des Klagebegehrens, sondern auch der Inhalt der Prozessbehauptungen (RIS-Justiz RS0041078; RS0103001; RS0041165; RS0041254).

1.2. Das Berufungsgericht ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen, wenn es das gesamte Prozessvorbringen des Klägers in vertretbarer Weise dahin ausgelegt hat, dass die im Klagebegehren angeführte Duldungsverpflichtung auf einem vereinbarten Dienstbarkeitsrecht beruht. Die Neufassung des Begehrens verstößt nicht gegen § 405 ZPO, weil der Kläger dadurch nicht mehr oder etwas anderes erhielt als er begehrt hatte.

2. Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens, die in der Berufung zwar geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint werden, können - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - nach ständiger Rechtsprechung in der Revision nicht mehr gerügt werden (RIS-Justiz RS0042963; RS0106371; RS0043172; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 528 ZPO Rz 44; Kodek in Rechberger, ZPO² § 503 Rz 9).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Da der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

Anmerkung

E923354Ob153.09t

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0040OB00153.09T.1020.000

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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