RS Vfgh 2012/6/30 V72/11

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Veröffentlicht am 30.06.2012
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Index

60 ARBEITSRECHT
60/03 Kollektives Arbeitsrecht

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
ArbVG §113, §114, §161 Abs1
Betriebsrats-GeschäftsO 1974 §53 Abs2

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer Regelung der Betriebsrats-Geschäftsordnung 1974 über die Beschränkung der Widerrufsmöglichkeit der Übertragung der Befugnisse des Betriebsrates auf den Zentralbetriebsrat

Rechtssatz

Aufhebung des §53 Abs2 fünfter Satz Betriebsrats-GeschäftsO 1974.

§53 Abs2 Satz 5 leg cit ist im Anlassverfahren vom OGH für die Beurteilung der Frage der Zulässigkeit des Widerrufs der Kompetenzübertragung an den Zentralbetriebsrat anzuwenden.

Aufhebung der im Hauptantrag des OGH genannten Wortfolge "nur aus wichtigen Gründen, sonst" im fünften Satz des §53 Abs2 Betriebsrats-GeschäftsO nicht ausreichend; Widerruf der Übertragung wäre auf Grund der verbleibenden Regelung in Fällen, in denen - noch - keine Angelegenheit in Behandlung steht, sowie nach Abschluss einer solchen Angelegenheit nicht mehr möglich.

Zulässigkeit des Eventualantrags auf Aufhebung des gesamten fünften Satzes der genannten Bestimmung.

Regelung von der Verordnungsermächtigung des §161 Abs1 ArbVG umfasst.

Die in §161 Abs1 ArbVG enthaltene Aufzählung der Angelegenheiten, bei denen zur Erlassung einer Durchführungsverordnung ermächtigt wird, ist nicht abschließend und schränkt die durch Art18 Abs2 B-VG jeder Verwaltungsbehörde in ihrem Wirkungsbereich zustehende Befugnis, gesetzliche Bestimmungen durch Verordnung zu konkretisieren, nicht nur nicht ein, sondern enthält seinerseits eine über diesen Katalog hinausgehende allgemeine Ermächtigung.

Zuständigkeiten der Organe der betrieblichen Interessenvertretungen in §113 und §114 ArbVG geregelt; keine ausdrückliche Regelung über den Widerruf einer Befugnisübertragung; im Hinblick auf Gesetzesmaterialien, Kommentarliteratur jedoch Annahme einer grundsätzlichen Widerrufsmöglichkeit.

Regelungen in der Betriebsrats-GeschäftsO 1974 über die Zuständigkeiten von Organen, denen die durch Wahlen legitimierte Interessenvertretung im Rahmen der Arbeitnehmermitbestimmung, insbesondere zur Mitwirkung an der Normsetzung im kollektiven Arbeitsrecht, verbunden mit der Verantwortlichkeit dieser Organe den Wählern gegenüber zukommt; Erforderlichkeit einer gesetzlichen Grundlage auch für eine Verlängerung einer Zuständigkeitsübertragung über den Zeitpunkt hinaus, in dem das übertragende Organ seine Zuständigkeit wieder "zurückholen" möchte, indem es die Übertragung widerruft. Eine solche Regelung fehlt jedoch.

Die Regelung der Übertragung der Befugnisse des Betriebsrates auf den Zentralbetriebsrat in §53 Betriebsrats-GeschäftsO 1974 ist daher insoweit gesetzwidrig, als Absatz 2 Satz 5 leg cit den Widerruf der Übertragung nur bei Vorliegen "wichtiger Gründe" unter bestimmten Voraussetzungen zulässt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Arbeitsverfassung, Betriebsrat, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2012:V72.2011

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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