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41/02 Melderecht;Norm
FrG 1997 §38 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des M F, vormals Stana, geboren am 28. September 1975, vertreten durch Dr. Michael Kreuz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Herrengasse 6-8/3/1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 17. Jänner 2000, Zl. SD 6/99, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. Jänner 1999 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines rumänischen Staatsangehörigen, auf Aufhebung des von der Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 20. März 1995 gegen ihn erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 114 Abs. 3 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.
1.2. Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/18/0097, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Gemäß § 114 Abs. 3 FrG sei zu prüfen, ob der von der Behörde zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogene Sachverhalt auch bei fiktiver Geltung des FrG im Zeitpunkt der Verhängung des Aufenthaltsverbotes diese Maßnahme gerechtfertigt hätte. Zur Beurteilung der Frage, ob § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes entgegengestanden wäre, seien Feststellungen dazu erforderlich, wann der Beschwerdeführer die seinen Verurteilungen zu Grunde liegenden Straftaten begangen habe und ob er vor Begehung der ersten dieser Straftaten bereits seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gehabt habe. Des Näheren wird auf das zitierte Erkenntnis verwiesen.
1.3. Mit "(Ersatz-)Berufungsbescheid" vom 17. Jänner 2000 hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 3. Oktober 1998 auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes neuerlich "gemäß § 114 Abs. 3 iVm § 35 Abs. 4 und § 38 Abs. 1 Z. 4" FrG abgewiesen.
Dem Aufenthaltsverbot liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer, dem am 3. Jänner 1980 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei, im Zeitraum von 20. November 1990 bis 31. Juli 1994 insgesamt fünfmal rechtskräftig verurteilt worden sei. Das der ersten Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten sei am 28. Mai 1990 gesetzt worden. Es sei daher zu prüfen, ob der Beschwerdeführer vor dem 28. Mai 1990 schon seit zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gehabt habe. Der Beschwerdeführer sei von 13. Dezember 1979 bis 22. Oktober 1980 im "Flüchtlingslager Traiskirchen" aufhältig und polizeilich gemeldet gewesen. Anschließend habe er sich mit seiner Familie neun Monate in Schweden (Stockholm) aufgehalten. Erst am 23. Juli 1981 sei der Beschwerdeführer wieder in Wien in einem Heim für Obdachlose angemeldet worden. Der Beschwerdeführer habe in der Stellungnahme vom 20. Dezember 1999 ausgeführt, mit der Verwaltung des Flüchtlingslagers wäre besprochen gewesen, ihn nicht abzumelden. Er hätte daher weiterhin den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen in Österreich gehabt. Diesen Ausführungen stehe entgegen, dass der Beschwerdeführer nach den Aufzeichnungen der für das Flüchtlingslager zuständigen Betreuungsstelle das Lager ohne Information der Lagerverwaltung verlassen habe. Die Abreise der Familie des Beschwerdeführers lasse den Schluss zu, dass der Wohnsitz im Lager aufgegeben worden sei. Tatsächlich sei die Familie nach ihrer Rückkehr nicht wieder im Lager aufgenommen, sondern in eine Herberge für Obdachlose eingewiesen worden. Ein durchgehender Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers im Bundesgebiet bestehe daher erst ab Juli 1981. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Begehung der ersten Straftat habe daher noch kein ununterbrochen zehnjähriger Hauptwohnsitz bestanden.
Da der Beschwerdeführer erst im Alter von vier Jahren nach Österreich gekommen sei, wäre die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht gemäß § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG unzulässig gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 114 Abs. 3 FrG gelten Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer. Solche Aufenthaltsverbote sind auf Antrag oder - wenn sich aus anderen Gründen ein Anlass für die Behörde ergibt, sich mit der Angelegenheit zu befassen - von Amts wegen aufzuheben, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht erlassen hätten werden können.
Nach dieser Bestimmung ist zu prüfen, ob der von der Behörde zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogene Sachverhalt auch bei fiktiver Geltung des FrG im Zeitpunkt der Verhängung des Aufenthaltsverbotes diese Maßnahme gerechtfertigt hätte.
Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes im Grund dieser Bestimmung ist zu prüfen, ob der Fremde vor Verwirklichung des ersten der von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstände, das sind vorliegend die den das Aufenthaltsverbot tragenden Verurteilungen zu Grunde liegenden Straftaten, seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hatte. (Vgl. zum Ganzen das bereits zitierte, den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis, Zl. 99/18/0097.)
2.1. Die Beschwerde wendet sich ausschließlich gegen die Rechtsauffassung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer vor Begehung der ersten Straftat am 28. Mai 1990 noch nicht seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet gehabt habe. Sie gesteht zu, dass sich der Beschwerdeführer vom 22. Oktober 1980 bis 23. Juli 1981 in Stockholm aufgehalten habe, meint jedoch, dass dadurch der Hauptwohnsitz im Inland nicht aufgegeben worden sei. Da die Mitglieder der Familie des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt ihrer Ausreise bereits als Flüchtlinge anerkannt gewesen seien, habe für sie "überhaupt kein Grund" bestanden, den Hauptwohnsitz in Österreich aufzugeben. Die gesamte Familie habe vielmehr bereits im Zeitpunkt der Abreise beabsichtigt, nach Österreich zurückzukehren. Dies werde dadurch belegt, dass die Familie die gesamten Habseligkeiten in Österreich zurückgelassen habe.
2.2. Gemäß § 1 Z. 7 erster Halbsatz des Meldegesetzs 1991, BGBl. Nr. 9/1992 idF des Hauptwohnsitzgesetzes, BGBl. Nr. 505/1994, ist der Hauptwohnsitz eines Menschen an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen.
Für die Begründung des Hauptwohnsitzes ist also einerseits
der faktische Aufenthalt und andererseits der Wille ("... in der
erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht ...") erforderlich, die Unterkunft zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu machen.
Der Hauptwohnsitz kann auch bei vorübergehender Abwesenheit von der Unterkunft bestehen bleiben, wenn der entsprechende Wille aufrecht bleibt (vgl. die auch hier maßgeblichen Ausführungen zum Begriff des "ordentlichen Wohnsitzes" gemäß § 5 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 idF vor dem Hauptwohnsitzgesetz, bei Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 1990, S. 113 ff, mit ausführlichen weiteren Judikatur- und Literaturhinweisen).
Da die Absicht, die Unterkunft zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu machen, "erweislich" oder "aus den Umständen hervorgehend" sein muss, kann die Behörde jedenfalls nur dann trotz vorübergehender Abwesenheit einen aufrechten Hauptwohnsitz annehmen, wenn der Wille zur Aufrechterhaltung entweder aus den Umständen hervorgeht, oder auf andere Weise von der Partei bewiesen wird.
Der Beschwerdeführer befand sich nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid mit seiner Familie von 13. Dezember 1979 bis 22. Oktober 1980 im "Flüchtlingslager Traiskirchen" und hat dann dieses Lager ohne Information der Lagerleitung verlassen. Erst nach einem neunmonatigen Aufenthalt in Schweden ist er nach Österreich zurückgekehrt, wo er in einem Heim für Obdachlose Unterkunft fand. Aus diesen Umständen geht keineswegs hervor, dass die Familie des Beschwerdeführers ihren Hauptwohnsitz im Flüchtlingslager habe aufrecht erhalten wollen, zumal nicht damit gerechnet werden kann, dass der Platz in einem Flüchtlingslager auch nach einem Verlassen dieses Lagers ohne Information der Lagerleitung mehrere Monate freigehalten wird. Daran vermag auch der vorgebrachte Umstand, dass die Familie des Beschwerdeführers "ihre Gegenstände" im Lager zurückgelassen habe, nichts zu ändern. Mit dem Vorbringen, für die Familie des Beschwerdeführers habe angesichts des bestehenden Flüchtlingsstatus kein Grund bestanden, den Hauptwohnsitz in Österreich aufzugeben, vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun, dass der Wille zur Aufrechterhaltung des Hauptwohnsitzes in einem österreichischen Flüchtlingslager während eines mehrmonatigen Aufenthaltes im Ausland weiter bestanden habe.
Die Ansicht der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer vor Verwirklichtung des für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Sachverhaltes noch nicht seit zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet gehabt habe und somit § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG - bei fiktiver Geltung im Erlassungszeitpunkt - der Verhängung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegengestanden wäre, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.
3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 18. Dezember 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000180216.X00Im RIS seit
13.03.2001Zuletzt aktualisiert am
05.03.2012